auf lippenhöhe: Die Palastdebatte
Alles gesagt
Der Mann im Blaumann im Foyer des Staatsratsgebäudes muss schon bessere Zeiten gesehen haben. Als es hier noch Staatskarossen vorfuhren. Als der Hausherr noch Gerhard Schröder hieß, vielleicht auch, als das noch Erich Honecker war. Der Hausmeister jedenfalls schüttelt unwillig den Kopf, als er die Kids sieht, die eben die Eingangsstufen für ihre Skateboards entdeckt haben. Er ist jedoch ziemlich der Einzige hier, dem unwohl ist.
In der Ausstellung „Zwischen Palast Nutzung“ ballen sich sonntagabends die Leute. Von leinwandgroßen Fotos aus dem nun asbestsanierten Palast der Republik werden sie empfangen: Räume aus verrostetem Stahl, angelaufenem Glas und geflicktem Beton, und doch majestätisch. Der Fotograf hat auf Symmetrie geachtet und dass sich der Blick in der Weite des Raums verlieren kann. Die Faszination der Bilder ist so groß, dass sie die Betrachter auch noch bei den anschließenden Stellwänden festhält, die trocken und teils sogar in Antragsdeutsch das Konzept der Planergruppe „urban catalyst“ für eine Zwischennutzung des Palastes darstellt. Als ein Kind anfängt zu quengeln, weil es hier für Kinder eben nichts zu sehen gibt, herrscht die Mutter zurück: „Lukas, wir waren den ganzen Tag auf dem Spielplatz. Jetzt bin ich mal dran.“
Einen Stock höher sind sie dann alle dran, auf der abschließenden Pdiumsdiskussion. Würde die Moderatorin Georgia Tornow über die Zwischennutzung abstimmen lassen, das Ergebnis wäre so eindeutig wie zu Zeiten, als hier noch der Staatsrat tagte. Darüber ist sich Tornow im Klaren: Unter ihrer Leitung müssen sich die Diskutanten alle Mühe geben, noch ein Argument für die Zwischennutzung zu finden, noch eins und noch eins.
Kultursenator Thomas Flierl (PDS) philosophiert vom Palast als „Symbol der verunglückten deutschen Einheit“, das nach Jahren der Trauerarbeit nun eine neue, aktuelle Deutung vertrage, Adrienne Goehler spricht von der Faszination des „dekonstruierten Raumes“, Philipp Oswalt von „urban catalyst“ lobt das Provisorium, das in Mitte wieder einen Platz erhalte, und Tim Renner von Universal Music preist die Subkultur, die immer neue Domizile brauche, egal ob die Subkultur in diesem Fall der WMF-Club ist und sie von der Kulturstaatsministerin Christina Weiss unterstützt wird. Alles ist gesagt, und Kasper König vom Museum Ludwig in Köln bleibt nichts übrig als zu sagen: „Die Zwischennutzung ist von europäischer Bedeutung.“ KAB
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