american pie: Der Abräumer
Im US-Sport steht derzeit NFL-Verteidiger Nick Bosa im Fokus, ein glühender Anhänger des gewählten US-Präsidenten Trump
Nick Bosa steht auf einer Traditionslinie von Abräumern. Einer seiner Ahnen soll den berüchtigten Mafiaboss Al Capone beschützt haben. Sein Vater spielte in der Raufliga NFL, ebenso sein Großvater, sein Onkel, sein Cousin, der Großonkel, sein Bruder. Und seit 2019 ist auch Nick Bosa im Kreis derer, die mit Helm, Schulterpolster und Urgewalt zumeist auf den gegnerischen Quarterback zustürmen, um den Anführer der Kontrahenten zu Boden zu bringen. Derzeit wird viel über den Mann aus Florida, der bei den San Francisco 49ers auf der Position des Defensive End spielt, gesprochen. Drei Videos laufen in den sozialen Medien hoch und runter.
Da ist einmal diese Szene aus dem letzten Spiel gegen die Tampa Bay Buccaneers. Bosa versucht, deren Quarterback, Baker Mayfield, zu attackieren. Aber der hält ihn mit einem langen Arm auf Distanz und schafft es in ärgster Bedrängnis, den Ball zu einem Kollegen zu werfen, und zwar so, dass eine neue Angriffssequenz möglich ist. Video Nummer zwei stammt aus der gleichen Partie: Nick Bosa feiert eine gelungene Aktion mit dem Trump-Tanz, schwingt Arme und Hüften so, wie es der kürzliche gewählte US-Präsident im Wahlkampf oft getan hat. Ein paar 49ers-Kollegen swingen mit. Kein einziger Sportfan ist verwundert über diese Sympathiebekundung, denn man hätte von Nick Bosa nichts anderes erwartet – was Video Nummer drei beweist.
Da platzt er, wir befinden uns noch in den heißen Wahlkampfphase, in ein NBC-Interview herein und präsentiert kurz seine Baseballkappe, auf der in goldenen Buchstaben steht: „Make America Great Again.“ MAGA, der Trump-Slogan. Der Skandal ist sicherlich nicht, dass Nick Bosa ein bekennender Republikaner ist, das hat er mit gut 51 Prozent der US-Amerikaner gemein, also jenen, die zur Wahl gegangen sind, problematisch ist vielmehr, dass er damit gegen die Regeln der National Football League verstoßen hat. Und diese NFL-Regeln besagen, dass „es den Spielern während des gesamten Zeitraums am Spieltag, in dem ein Spieler für das Stadion- und Fernsehpublikum sichtbar ist (einschließlich beim Aufwärmen vor dem Spiel, auf der Bank und während Interviews nach dem Spiel, in der Umkleidekabine oder auf dem Spielfeld), verboten ist, persönliche Nachrichten entweder schriftlich oder in der Illustration zu tragen, anzuzeigen oder anderweitig zu vermitteln, es sei denn, eine solche Nachricht wurde im Voraus vom Ligabüro genehmigt.“
Weil natürlich keine Genehmigung vorlag, im Gegensatz etwa zu Slogans wie „Black Lives Matter“, wurde der Abwehrspezialist nun zu einer Geldstrafe verdonnert. Er muss gut 11.000 Dollar zahlen, was für ihn ein Klacks ist, denn er ist der bestbezahlte Abwehrspieler der NFL, 2023 hat er einen Vertrag über 170 Millionen Dollar abgeschlossen. Auch außerhalb der Arena verdient er ein paar Dollar hinzu, etwa als halbnackertes Unterhosenmodel für Kim Kardeshians Schlüppi-Linie Skims. Nun regen sich seine Fans auf, dass der eine Spruch erlaubt sei, der andere nicht, aber so sind nun mal die Vorgaben, an die sich auch ein Verehrer des neuen Präsidenten zu halten hat. Den kennt Nick Bosa übrigens persönlich; bei einem Kampfabend der Käfigprügler von der UFC haben sie sich getroffen, und Bosa schien nach der Umarmung innerlich zu glühen.
Dass der in Florida aufgewachsene, heute 27-Jährige, sagen wir, eher südstaatlich denkt, ist seit vielen Jahren bekannt. Als 16-Jähriger hat er in seiner Sturm-und-Drang-Zeit ein paar sehr blöde Tweets von einem Kumpel gelikt. Da kam als Hashtag das N-Wort vor, und ein Freund der LGBT-Bewegung schien Bosa auch nicht zu sein; der von Ex-Quarterback Colin Kaepernick übrigens auch nicht. Seine Agenten räumten vor dem NFL-Draft alle heiklen Posts von den Social-Media-Accounts ab, und Bosa sagte in gespielter Verblüffung, er wundere sich, warum das alles so viel Aufsehen errege. Eine dürre Entschuldigung schob er nach. Aktivisten machten freilich Screenshots, und so sind Bosas Likes bis heute erhalten geblieben.
Seinen MAGA-Auftritt hatte er freilich als bewusste Provokation (und Wahlkampfhilfe) geplant. Am Montag sagte er, ihm sei durchaus bewusst gewesen, dass er Regeln der Footballliga breche. Und schon sieht man weitere Videos von Footballspielern im Netz, die trumpistisch tanzen und eine Ahnung davon geben, wie zwiegespalten auch der US-Sport ist. Dagegen lässt sich nichts machen. Dass dieser Trump Fans hat, auch auf dem Footballfeld, mag Liberale in den USA und Progressive in Europa in den Wahnsinn treiben, aber so ist nun mal die Realität. Markus Völker
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