Zwischennutzung an der Karl-Marx-Allee: Berlin Allesandersplatz
2015 wurde das Haus der Statistik von Künstlern erobert, inzwischen steht fest, dass sie es mitnutzen werden. Bespielen werden sie es jetzt schonmal.
Besser hätte das Timing nicht sein können. Auf einer Pressekonferenz stellt die Initiative Haus der Statistik vor, wie sie den riesigen Block an der Karl-Marx-Allee erst einmal bespielen will. Am Vorabend hat sie es geschafft, auf dem Bau den Schriftzug „Allesandersplatz“ anzubringen. Kein Motto könnte besser treffen, was hier in nächster Zeit passieren könnte.
Denn während überall sonst verdrängt wird, was Berlin einmal ausmachte, sollen in diesem Bau, der seit zehn Jahren leer steht, neben Verwaltung auch Künstler, soziale Einrichtungen, ganz normale Mieter einziehen. Erst kürzlich hat ein Entwurf den Wettbewerb um die städtebauliche Planung des Areals gewonnen, nun stellt der Bezirk Mitte einen Bebauungsplan auf.
Doch bis das Gebäude saniert und neu umbaut wird, dürfte es noch dauern – Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) hofft wohl vor allem deshalb auf eine Fertigstellung 2026, weil bis dahin der Mietvertrag des Rathauses Mitte ausläuft.
Bis dahin kann das Haus nicht weiter einfach nur dumm rumstehen, dachten sich die Künstler, die das Gebäude 2015 erobert und dann Bleiberecht bekommen haben, und stoßen mithilfe der Senatsverwaltung für Kultur und Europa unter dem Motto „Statista“ künstlerische Zwischennutzungen an, die im September Ergebnisse vorstellen werden.
Utopische Lieder
Eine der lustigsten Ideen ist die von Raumlabor, einem Architektenkollektiv, das seit der Jahrtausendwende an der Schnittstelle von Kunst, Architektur und Politik interveniert. Diesmal hat es sich mit der Sängerin Bernadette la Hengst zusammengetan, die im Haus prompt einen Chor gegründet hat. Doch geht es nicht darum, Schlager der Beatles nachzuträllern, sondern utopische Lieder zu entwickeln, in denen es um die Zukunft Berlins gehen soll. Nächste Probe ist am 12. Juni um 18 Uhr im Pavillon des ehemaligen Fahrradladens.
Auch andere Ideen gehen mit viel Humor vor. Eine Initiative will das Heiz- und Kühlsystem eigens importierter Bienen erforschen, eine andere baut im Innenhof einen ehemaligen Autoscooter zum Ort für die Nachbarschaft um.
Nur einen einzigen Haken hat das Projekt: In seiner Beschreibung fallen bleierne Worte wie „Staatskunst“ und „Pionierleistung“. Das fällt nicht nur hinter die gemeinschaftlichen, nachhaltigen Inhalte zurück. Es ist einfach dämlich an diesem Ort, wo bis zur Wende neben der Statistik unter anderem die Fünfjahrespläne der SED-Regierung errechnet wurden.
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