Zwischenbilanz der Fußball-Bundesliga: Lob der Langeweile
Die Hinrunde der Bundesliga war, wie eine Hinrunde der Bundesliga eben so ist. Warum das eigentlich ganz gut ist.
W ie schön, dass es die Bundesliga gibt. Sie ist ein Anker in diesen aufgeregten Zeiten. Da können Virusvarianten durch die Lüfte fliegen, da kann sogar ein Sozi Kanzler werden – in der Liga bleibt immer alles beim Alten. Der FC Bayern wird Meister, Robert Lewandowski stellt an jedem Spieltag irgendeinen Rekord auf (die meisten Tore nach Friseurbesuch am Vortag innerhalb eines Kalenderjahrs), und irgendein sogenannter Traditionsverein (Borussia Mönchengladbach) taumelt dem Abstieg entgegen. Nicht auszudenken, wenn diese Konstanten auch noch ins Wanken gerieten! Nach dem 17. Spieltag der Saison 2021/22 ist es also angezeigt, voller Dankbarkeit eine Bilanz der Hinrunde zu ziehen.
Der größte Dank gilt selbstredend dem FC Bayern München, der es in der ihm eigenen Art wieder einmal geschafft hat, einen Konkurrenten sportlich ins Abseits zu kaufen. Dem Vizemeister den Trainer (Julian Nagelsmann), den Kapitän (Marcel Sabitzer) und den besten Innenverteidiger (Dayot Upamecano) abzunehmen, um die Statik der Liga nur ja nicht zu gefährden, das gehört zu den Traditionslinien in der Bundesliga und sucht im Ausland seinesgleichen. Dass auf diese Weise mit Rasenballsport Leipzig ein Klub in die erweiterte Abstiegszone katapultiert wurde, der in den meisten Kurven nicht allzu beliebt ist, ist ein besonderes Geschenk des FC Bayern.
In Richtung Tabellenspitze zu schielen, lohnt sich in dieser Spielzeit eh nicht für die meisten Klubs. Der Tabellenvierte ist nach der Hinrunde dem Relegationsplatz näher als dem FC Bayern. Anders gesagt: Nach dem Ende der Hinrunde gibt es 15 Abstiegskandidaten, was deren Fans durchaus interessieren dürfte.
Die durften zu Saisonbeginn die Stadien wieder füllen, und endlich hat man nicht mehr verstanden, was Thomas Müller über 90 Minuten seinen Mitspielern so zubrüllt. Die von allen Spielern im Field-Interview nach den Partien gewürdigte Rückkehr der Fans war das emotionale Zuckerl dieser Hinrunde. Dass im Sommer die Stadien, anders als vor der Pandemie, nicht immer pickepackevoll waren, war durchaus bemerkenswert.
Es scheint ein paar Fußballanhänger zu geben, die in der Zeit ihrer Aussperrung aus dem Stadion gemerkt haben, dass man an einem Samstagsnachmittag auch etwas anderes machen kann, als seinem favorisierten Klub irgendetwas hinterherzuschreien und dabei überteuertes Bier aus Plastikbechern zu trinken. Der Deutschen Fußball-Liga, die zur kurzen Winterpause ihren Chef Christian Seifert („Was hat der Fußball falsch gemacht?“) verliert, könnte das ja dazu veranlassen, darüber nachzudenken, ob es angebracht ist, Fußball weiterhin nur als Produkt und die Fans als Stakeholder zu bezeichnen. Aber damit ist nicht wirklich zu rechnen.
Die Zeit der gut gefüllten Stadien ist ohnehin wieder vorbei. Leere Ränge gelten immer noch als Ausweis politischer Handlungsfähigkeit in der Coronapandemie. Und so bekommen nur noch ganz wenige Menschen mit, wie sich mit Greuther Fürth wieder einmal einer dieser Kleinklubs in der Liga blamieren darf, die für die Fans der größten Zweitligisten aller Zeiten (Schalke, Werder, HSV) eigentlich verboten gehören. Die spielen ja auch nur deshalb erste Liga, weil sie sich sportlich dafür qualifiziert haben. Unerhört! Vielleicht wäre es ja am besten, nicht nur oben, sondern auch unten bliebe immer alles beim Alten. Mal ehrlich: Sehnen wir uns nicht alle nach Stabilität?
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