Saisonstart der Bundesliga: Edelfans mit Piks

Zum Start der Bundesliga-Saison füllen sich die Stadien wieder und die Diskussion wird hitziger: Soll es auch beim Fußball Impfprivilegien geben?

Fans beim Spiel Dortmund gegen Mönchengladbach am ersten Spieltag der Bundesliga 2020 Foto: Maik Hölter/TEAM2sportphoto/imago

Als Erling Haaland im Januar 2020 beim 5:1 gegen den 1. FC Köln mit einem Doppelpack für Borussia Dortmund furios in der Bundesliga startete, teilte der Senkrechtstarter via Twitter mit: „Worte können meine Gänsehaut nicht beschreiben, die ich nach meinem Heimdebüt vor der Gelben Wand hatte.“ Dummerweise sollte der Auftritt vor der vollen Fan-Tribüne bald Geschichte sein: Wegen der Coronapandemie hat die norwegische Naturgewalt seine Tore seit mehr als einem Jahr nur vor leeren Rängen geschossen. Vergangenen Samstag beim SV Wehen Wiesbaden interagierte der 21-Jährige endlich wieder von Angesicht zu Angesicht mit BVB-Anhängern unter 4.882 Zuschauern – und warf neben einer Kusshand auch sein Trikot in die Menge.

Hans-Joachim Watzke, BVB-Geschäftsführer

„Man kann nicht mehr alles damit lösen, indem man den Laden abschließt“

Eine Woche später werden sogar 25.000 Menschen in Dortmund zum Bundesliga-Auftakt gegen Eintracht Frankfurt (Samstag, 18.30 Uhr) dabei sein. Es ist die größte Kulisse, die sich für den ersten Spieltag ankündigt. Beim Eröffnungsspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Bayern waren es immerhin 23.000, der VfB Stuttgart will 22.500, der 1. FC Köln 16.500 Fans begrüßen. Obwohl in Berlin die Inzidenz über 35 gestiegen ist, erhält Union wegen des „sehr guten Hygiene­konzepts“ eine Ausnahmegenehmigung für exakt 11.006 Anhänger. Insgesamt werden an den neun Spielorten knapp 150.000 Zuschauer erwartet.

Gerade hat der BVB in seine tiefrote Bilanz blicken lassen: Waren zu den wettbewerbsübergreifend 23 Heimspielen in der Saison 2018/2019 – ohne Corona – knapp 1,8 Millionen Eintrittskarten verkauft worden, durften 2020/2021 lediglich 21.100 Besucher eingelassen werden. Folglich brachen die Einnahmen aus dem Ticketing von 44,7 Millionen Euro fast komplett weg. Auch bei „Conference, Catering und Sonstige“ kamen statt 36,6 nur 7,8 Millionen Euro zusammen. Macht ein Minus von 73 Millionen – fast exakt der Fehlbetrag aus dem Geschäftsjahr 2020/2021. Das Rechenbeispiel bei der zuschauerträchtigsten Bundesligamarke zeigt, warum BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke für „mutige Entscheidungen“ plädiert: „Man kann nicht mehr alles damit lösen, indem man den Laden abschließt.“

Ähnlich wird auch am Standort Frankfurt argumentiert. Dort gab das Gesundheitsamt grünes Licht für 25.000 Zuschauer zum ersten Heimspiel gegen den FC Augsburg – vorausgesetzt, die Sieben-Tage-Inzidenz steigt bis zum 21. August nicht über 100. Vorstand Axel Hellmann hofft jedoch darauf, dass sich der Besucherschnitt am Ende bei 30.000, 35.000 einpendelt, weil es Ziel sein müsse, „die Zahl nach oben irgendwann nicht zu begrenzen“. Viele Vereine würden gerne mehr wagen – und schon bald wieder auf eine Vollauslastung wie in Frankreich oder England zusteuern.

„Hospitalisierung und Mortalität“

Doch gerade erst hat die Politik ja bekräftigt: Bei Sportgroßveranstaltungen dürfen auch in naher Zukunft maximal 50 Prozent der jeweiligen Höchstkapazität belegt werden, die Zuschauerzahl insgesamt ist bei 25.000 Zuschauer gedeckelt. Womöglich komme Deutschland nach der Bundestagswahl zu anderen Bewertungen, bemerkte Eintracht-Sprachrohr Hellmann, der sich neben der Inzidenz auch Kenngrößen wie „Hospitalisierung und Mortalität“ als Richtwert wünscht. Die Hessen stellen sich in Sachen Zuschauer erneut auf eine „Saison der Unwägbarkeiten“ ein. Ein Hoffen und Bangen von Spieltag zu Spieltag.

Große Unterschiede zeigen sich beim Umgang mit Ungeimpften. Bei Borussia Dortmund werden nur 1.000 getestete Personen im Stadion sein, die Mehrzahl ist geimpft oder genesen. Mit der sogenannten „2G“-Strategie will auch der 1. FC Köln ab dem zweiten Heimspiel gegen den VfL Bochum verfahren und bei Nichtgeimpften nur noch wenige Ausnahmen machen, die Kinder und Menschen mit medizinischen Gründen betreffen. Kölns Geschäftsführer Alexander Wehrle will vor allem den geimpften Fans „eine Perspektive bieten“.

An diesem Punkt scheiden sich die Geister. „Einen reinen Zugang nur für Geimpfte können wir uns nicht vorstellen“, sagte Frankfurts Vorstandssprecher Hellmann, weshalb in die Arena auch 5.000 getestete Personen Zutritt finden sollen. Ohne „eine Teilhabe für alle“ würde ausgerechnet der Profifußball „den Riss durch die Gesellschaft“ vergrößern. Auch Geschäftsführer Jan Mayer von der TSG Hoffenheim befürchtet eine „Impfpflicht durch die Hintertür“. Einig sind sich alle, dass Impfungen „der Schlüssel für alles“ (Watzke) sind.

Viele Vereine bekämpfen daher die Impfmüdigkeit gleich selbst – und nehmen die lange Absenz als Lockmittel. Köln bietet am Sonntag vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC eine Impfung mit dem Vakzin von Johnson&Johnson an – und gleichzeitig eine Option auf Tickets fürs Bochum-Spiel. Der SC Freiburg will 1.100 Freikarten für eine Partie im neuen Stadion an Personen ausgeben, die sich an diesem Wochenende auf der Freiburger Messe den ersten Piks abholen.

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