Zweite Staffel „Bridgerton“: Angenehmes Hintergrundrauschen
Auch die Fortsetzung der Kostümkitsch-Serie ist ganz netter Eskapismus. Doch es fehlt der Sex. Die politische Ebene ist dafür überflüssig.
Eigentlich kann ich Ihnen nicht wirklich etwas über den Inhalt der zweiten Staffel von „Bridgerton“ erzählen. Ich habe nicht konsequent aufgepasst, dafür ist diese Staffel zu langatmig. Sie ist hingegen perfekt, um ein aufkommendes Einsamkeitsgefühl zu bekämpfen. Die zweite Staffel liefert das perfekte Grundrauschen. Bei spontaner Lust auf Seriengucken kann man zu jedem Zeitpunkt wieder einsteigen. Es macht keinen Unterschied.
Schon die erste Staffel des Kostümkitschs aus dem Produktionshaus von Shonda Rhimes war schon langweilig. Doch als diese erschien, einen Tag nach Weihnachten 2020, saßen wir Zuschauer:innen kollektiv zu Hause im Corona-Lockdown. Und was blieb einem da anderes übrig, als sich durch alle Streamingangebote zu arbeiten.
„Bridgerton“ war der perfekte Eskapismus, gespickt mit pompösen Kostümen und einer irrelevanten Rahmenhandlung. Was „Bridgerton“ so attraktiv machte, war, dass man sein Hirn nicht einschalten musste. Stattdessen wohnte man extravagenten Soirées des Londoner Adels des 19. Jahrhunderts bei und verfolgte die schnulzige Liebesgeschichte zwischen Daphne Bridgerton (Phoebe Dynevor) und Simon Besset (Regé-Jean Page). Staffel eins überzeugte durch schlechte Sexszenen, die an Soft-Pornos erinnerten. Die prüde Daphne hatte keine Ahnung von ihrer eigenen Sexualität, das Wort Masturbation traute sie sich kaum auszusprechen, und wie Kinder entstehen, wusste sie auch nicht. Simon lehrte sie bald, was Lust und Leidenschaft ist.
Ja, auch die erste Staffel war kein Meisterwerk. Aber es gab wenigstens etwas zu gucken (schöne Hauptdarsteller:innen) und etwas zum Aufregen. In der aktuellen Staffel spielt Daphne eine kleine Rolle, ihr Mann Simon fehlt. Nun ist Daphnes Bruder Anthony (Jonathan Bailey) auf der Suche nach einer Frau. Nach der Liebe sucht er nicht, das stellt er klar, sondern nach einer Frau mit „gebärfreudigem Becken“.
Ernst gemeint oder Parodie?
Im Verlauf trifft Anthony auf Kate Sharma (Simone Ashley). Eine Frau, die zu glauben scheint, was sie will: Unabhängigkeit, keinen Ehemann, dafür einen feinen englischen Herrn für ihre kleine Schwester Edwina Sharma (Charithra Chandran).
Das Streben nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung mancher weiblicher Charaktere wird zentral in der zweiten Staffel. Auch eine Bridgerton, Eloise (Claudia Jessie), macht sich Gedanken darüber wie es wäre, nicht zu heiraten und somit nicht dem zu entsprechen, was die Gesellschaft für sie vorgesehen hat. Später besucht Eloise noch feministische Veranstaltungen.
Diese Versuche, politischer zu werden, gelingen leider nicht. Sie wirken erzwungen und zum restlichen Seriengeschehen nicht zugehörig. Das führt unweigerlich dazu, dass man an mancher Stelle im Ungewissen bleibt, ob die Serie ernst gemeint ist oder gerade versucht zu parodieren. Dass die Serie schlechter geworden ist, liegt am Ende aber vielleicht gar nicht an „Bridgerton“, sondern an der Tatsache, dass der Lockdown vorbei ist und wir April haben.
Leser*innenkommentare
Philippe Ressing
Gebe zu, Netflix kann und will ich mir nicht leisten. Die Kritik scheint ein mageres Remake der legendären Forsyte Saga der 1970er zu beschreiben. Den TV-Leuten fällt außer Relaunches alter Stoffe netflixnix mehr ein. So ähnlich war das schon mit "Downton Abbey", sieht man sich dazu das Vorbild "Das Haus am Eaton Place" an. Wenn schon trivial, dann bitte gut trivial!
Reiner Landgraf
Es gibt einen Grund Bridgerton zu schauen, einen ganz wichtigen:
Hier ist es egal ob mächtige oder hochgestellte Männer oder Frauen „weiß“ oder farbig aus verschiedenen Kontinenten sind. Das verschiebt Bilder im Kopf und das ist klasse. Deshalb muss man die Serie schauen, obwohl ich sonst der Beurteilung in allem zustimme.