Zweifel am Dollar: Das Leid mit der Leitwährung
Seit der Finanzkonferenz von Bretton Woods ist der Dollar die Weltleitwährung. Ökonomen fordern seine Ablösung. Der UN-Gipfel berät nun Alternativen.
Termin: Vom 24. bis 26. Juni tagt in New York die UN-Konferenz zur Wirtschafts- und Finanzkrise. Ursprünglich sollte der Gipfel Anfang Juni sein, er wurde aber verschoben, weil es Streit über die radikalen Vorschläge des zuständigen UN-Direktors für das Grundsatzdokument der Konferenz gab.
Themen: Der frühere Priester und nicaraguanische Außenminister DEscoto hatte den Finanzgipfel einberufen, um die ärmeren Länder an der Suche nach einem Ausweg aus der globalen Krise zu beteiligen. Zentrale Themen sind die Steuerflucht, Hilfe für die ärmsten Staaten und die Schaffung eines Weltrats für Wirtschaftsfragen.
Teilnahme: Bisher haben nur 126 von 192 Ländern ihre Teilnahme zugesagt. Nur 21 Nationen werden durch Staats- und Regierungschefs vertreten. Ob der Gipfel damit eine Alternative zu den G-20-Gipfeln bilden kann, ist fraglich. Für Deutschland reist Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) an.
"Eine globale Wirtschaft braucht globales Geld." Diese Idee propagierte Joseph Stiglitz schon 1997, als er Vizepräsident der Weltbank wurde und noch nicht Nobelpreisträger für Ökonomie war. Jetzt wiederholt er sie aus einer noch mächtigeren Position heraus: Der US-Ökonom hat als Vorsitzender einer internationalen Expertenkommission für die Vereinten Nationen eine Blaupause für den Umbau des Finanzsystems erarbeitet. Dabei machte Stiglitz seine Kritik am derzeitigen System deutlich: Der Dollar habe sich in seiner Doppelrolle diskreditiert und müsse als Leitwährung abgelöst werden, sagte er. Kernstück der Vorschläge seiner Kommission ist ein neues Währungssystem: "Es ist klar, dass eine Leitwährung nicht auf einer nationalen Währung basieren solle, denn das führt dazu, dass die Disziplin im Finanzsystem verloren geht - mit desaströsen Folgen", heißt es in den Vorschlägen, die auf dem UN-Gipfel zur Wirtschafts- und Finanzkrise vom 24. bis 26 Juni in New York diskutiert werden sollen.
Mit dieser Forderung steht der Ökonom nicht alleine da. Seit Monaten fordern Brasilien, Russland und China "ein stabiles, berechenbares und stärker diversifizierendes internationales Währungssystem". Beim jüngsten Treffen der Bric-Staaten schloss sich mit Indien auch das vierte und letzte der wichtigsten Schwellenländer dieser Forderung an.
Die USA sind davon überrumpelt worden. Die Regierung in Washington habe die strategische Bedeutung dieser Diskussion bislang nicht erfasst, meint der Diplomat Charles Freeman. Der Dollar als universelles Zahlungsmittel sei "absolut entscheidend für die internationale Machtstellung und den Einfluss der USA". Mehr noch: Dass er "praktisch eine Erweiterung unserer staatlichen Souveränität ist, haben wir genutzt, um weltweit unilaterale Sanktionen zu verhängen und das Bankenwesen weltweit im Sinne unserer Interessen zu manipulieren", so Freeman.
Unbestritten ist, dass die Doppelrolle des Dollar einen wichtigen Instabilitätsfaktor für das Weltfinanzsystem darstellt. Nicht nur, dass in der Leitwährung Rohstoffe wie Erdöl, aber auch andere Güter und Devisen weltweit gehandelt werden, auch internationale Schulden werden in Dollar gerechnet. Die USA können sich so als einziges Land der Welt im Ausland ausschließlich in eigener Währung verschulden und damit gigantische Leistungsbilanzdefizite aufbauen - ohne Sanktionen des Internationalen Währungsfonds (IWF) fürchten zu müssen. Noch 2007 kauften sie für eine Dreiviertel Billion Dollar mehr im Ausland ein als sie selbst exportierten. Allein beim Handel mit China lagen die USA mit einer guten Viertel Billion im Minus.
Zugleich beeinflusst der Dollar alle anderen Währungen und Volkswirtschaften. Ein fallender Kurs zwingt Exportländer, die beispielsweise Erdöl gegen Dollar verkaufen, zu Preiserhöhungen, in der Folge müssen sie möglicherweise die Produktion einschränken und Arbeitsplätze streichen. Ein steigender Dollar bringt verschuldete Länder in Bedrängnis.
Das Problem war schon in Bretton Woods bekannt, wo die Finanzminister und Notenbankchefs von 44 Staaten der späteren Siegermächte des Zweiten Weltkriegs den Dollar 1944 als Leitwährung festschrieben. Er wurde in ein festes Wechselkurssystem eingebunden und die USA verpflichteten sich, den Kurs durch entsprechende Goldreserven abzusichern. Das Scheitern von Bretton Woods begann, als die USA anfingen, immer mehr Geld zu drucken, um ihren Vietnamkrieg zu finanzieren und die Goldbestände nicht mitwuchsen. 1971 kündigte Präsident Richard Nixon die Eintauschpflicht.
Trotz der nun flexiblen Wechselkurse blieb der Greenback die Leitwährung. Schließlich bestanden die Devisenreserven der Notenbanken inzwischen hauptsächlich aus dem US-Geld. Zugleich war der Spekulation nun Tür und Tor geöffnet. 2007 betrug der Tagesumsatz an Devisen mehr als 2,5 Billionen US-Dollar. Weniger als 5 Prozent davon kamen durch reale Handelsgeschäfte zustande, die restlichen mehr als 95 Prozent wurden spekulativ bewegt.
Die unregulierte Doppelrolle des US-Dollar und die neuen Devisenspekulationen sorgten für Währungsturbulenzen und eine wachsende Krisenanfälligkeit des weltweiten Finanz- und Wirtschaftssystems. Auch zur jetzigen globalen Krise konnte es nur kommen, weil die USA so gigantische Kapitalmengen anzogen. "Das führte zu einer Überbewertung der Währung und dazu, dass das Land in ein gigantisches Leistungsbilanzdefizit hineingedrückt wurde", sagt Hansjörg Herr, Professor an der Berliner Fachhochschule für Wirtschaft. "Das entstehende Nachfrageloch musste binnenwirtschaftlich ausgeglichen werden. In den USA hat man das Kreditsystem benutzt, um vor allem im Immobilienbereich und im Konsum Nachfrage zu schaffen - mit den bekannten Folgen."
Durch die Krise ist das Leistungsbilanzdefizit zwar gesunken, aber das Problem geht weiter. "Keine andere der großen Währungen hat in den letzten Jahrzehnten so massive Auf- und Abwertungen erlebt wie der US-Dollar", sagt der Finanzwissenschaftler Stephan Schulmeister vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung Wifo. "Und wenn die Konjunkturpakete der Regierung Obama nicht den erhofften Schub für die Wirtschaft bringen, wird die Fed auch jetzt wieder weiter Dollar drucken müssen." Der Markt würde mit der Währung überschwemmt, sie verlöre weiter an Wert.
Das kann den Ländern nicht gefallen, die immer mehr Devisen eingelagert haben, um die eigene Währung gegen Schwankungen abzusichern. In den letzten zehn Jahren stieg der Anteil der Währungsreserven am weltweiten Bruttonlandsprodukt, also dem Wert der weltweit produzierten Güter und Dienstleistungen, von 5,6 auf 11,7 Prozent. Inzwischen belaufen sich die weltweiten Währungsreserven auf 6,9 Billionen US-Dollar.
Ob es Alternativen zum Dollar-System gibt und wie machbar die sind, ist jedoch umstritten. Die Diskussion konzentriert sich auf zwei Ansätze, die gar nicht weit voneinander entfernt sind: Die einen wollen zu einer Politik der festen Wechselkurse zurück, um dann auf dieser Grundlage ein neues Währungssystem zu entwickeln, die anderen setzen auf eine eigenständige neue Weltleitwährung.
Wifo-Experte Schulmeister ist ein Verfechter des ersten Konzepts. "Praktisch ist das machbar", sagt er. "Die Notenbanken müssen sich nur einig sein und einen engen Korridor für Währungsschwankungen als Ziel formulieren und kommunizieren." Festschreiben würde Schulmeister die Wechselkurse der "vier richtigen Währungen". Darunter versteht er neben dem Dollar und dem Euro auch den japanischen Yen und die chinesische Währung Renminbi. Rudolf Hickel, Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft an der Universität Bremen, würde zusätzlich den russischen Rubel miteinbeziehen. Derzeit lassen die beiden großen Schwellenländer ihre Währungen nicht frei am Markt schwanken, sondern legen die Kurse einseitig politisch fest, auch wenn Russland angekündigt hat, dass 2010 Schluss damit sein soll. "In einem festen System wären Russland und China so eingebunden, wie es ihrer gewachsenen wirtschaftlichen Bedeutung entspricht", so Hickel. "Sie könnten nicht länger ihre Sonderwege verfolgen."
Die Stiglitz-Kommission setzt dagegen auf eine neue globale Weltwährung. Dabei bezieht sie sich explizit auf den britischen Ökonomen John Maynard Keynes. Dieser hatte schon in Bretton Woods vorgeschlagen, eine Weltzentralbank aufzubauen, bei der jeder Staat ein Konto für seine internationalen Finanztransaktionen bekommt. Alle Zahlungsgeschäfte sollten in einer einheitlichen, mit Goldreserven abgesicherten Weltwährung verrechnet werden, an die die Wechselkurse aller nationalen Währungen gebunden wären. Schwankungen in den Leistungsbilanz einzelner Länder, die das System destabilisieren könnten, sollten durch Kredite und Zinszahlungen ausgeglichen werden.
Die Kommission schlägt nun vor, dass beispielsweise der IWF die Rolle dieser Weltzentralbank übernehmen könnte. Er kennt bereits so etwas wie eine globale Währung, die den sperrigen Namen Sonderziehungsrechte trägt. Bislang sind sie eine reine Buchungseinheit und auf dem Markt nicht frei tauschbar. Der IWF gibt sie aus, wenn dem Markt Liquidität fehlt. Der Kurs der Sonderziehungsrechte ist bislang an einen Währungskorb aus Dollar, Euro, Yen und Pfund gebunden, der aber nach Meinung der Experten mindestens um den Renminbi erweitert werden müsste.
Das Hauptproblem sieht Stiglitz selbst aber in der derzeitigen Machtverteilung innerhalb des IWF, wo nichts ohne die Zustimmung der USA geht. Bevor er die Rolle einer Weltzentralbank übernehmen könnte, müssten zunächst die Stimmrechte reformiert werden, fordert die Kommission. Die Frage ist, ob mit den USA überhaupt eine Reform zu machen ist. Ein System fester Wechselkurse ist ohne die Einbindung des Dollar wertlos. Schulmeister räumt einer Veränderung nur Chancen ein, "wenn die Finanzkrise auch mit sehr massiven Eingriffen nicht in den nächsten sechs Monaten beendet werden kann". Auch die Stiglitz-Kommission glaubt offenbar nicht an schnelle Ergebnisse. In ihrem Entwurf für die Abschlusserklärung der UN-Konferenz empfiehlt sie denn auch nur noch, die "Machbarkeit eines Reservesystems" zu untersuchen.
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