Zweckentfremdungsgesetz in Berlin: Freischaffender Wohnraumvernichter
Internetportale wie Airbnb müssen Daten von Vermietern illegaler Ferienwohnungen herausgeben. Ändern tut das bisher nicht viel.
Eine schicke Einzimmerwohnung in der Kreuzberger Taborstraße 19. Nach dem Berliner Mietspiegel sollte das Appartement in der Lage und diesem Zustand um die 700 Euro pro Monat kosten. Auf Airbnb ist sie für 70 Euro die Nacht, monatlich etwa 1.700 Euro, zu haben. Ein Zustand, den ein Anwohner nicht mehr länger ertragen wollte. „Ich habe die Wohnungsadresse kurzerhand dem zuständigen Bezirksamt über das Onlineportal des Bezirks gemeldet“, sagt er. Seitdem geschah: nichts. Vier Monate lang.
Nach Inkrafttreten des Zweckentfremdungsgesetzes im Mai 2016 schuf der Senat mit dem Onlineportal eine Möglichkeit, Wohnungen bei Verdacht auf Zweckentfremdung zu melden. Bestätigt sich der Verdacht auf Zweckentfremdung, drohen Geldstrafen in Höhe von 100.000 Euro.
Haus und Stockwerk der zu vermietenden Wohnung sind auf Airbnb deutlich zu erkennen, den Rest tat ein Blick aufs Klingelschild und eine Google-Recherche: Der Airbnb-Anbieter arbeitet im Berliner Kulturbereich. So gelingt es auch der taz, den Vermieter zu kontaktieren, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Offen gibt er zu, keine offizielle Genehmigung zur Vermietung seiner Wohnung zu haben. „Ich arbeite freischaffend, bin momentan in Portugal. Ohne die Miete könnte ich meine Reisen nicht finanzieren“, sagt er. Wenn er sich in Berlin aufhält, wohnt er bei seiner Freundin. „Ich sehe ein, dass kein Wohnraum blockiert werden soll“, meint er, „aber jemand muss sich ja um meine Wohnung kümmern, wenn ich nicht da bin.“ Er ist sich sicher: Er zweckentfremdet nicht. Dass sein zuständiges Bezirksamt bis jetzt noch keinen Kontakt zu ihm aufgenommen hat, bestätigt ihn darin.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sucht nach Erklärungen: „Unter den Wohnungen, die gemeldet werden, ist ziemlich viel Müll dabei“, sagt Eckhard Sagitza aus der Abteilung für Zweckentfremdung. „Manchmal werden zum Beispiel irgendwelche Nachbarschaftskriege angezeigt. Da dauert es, erst einmal auszusortieren.“ Außerdem sei nur die Adresse gemeldet worden. Der Anwohner gibt dagegen an, auch den Namen des Vermieters übermittelt zu haben.
Bisher ist kein Donnerwetter passiert
Bis letzte Woche hatten die Ämter kaum Möglichkeiten, diese Daten herauszufinden und Kontakt aufzunehmen. Ein neuer Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts vom 27. März soll das jedoch ändern. Anbieter wie Airbnb oder wimdu sind seitdem verpflichtet, den Anfragen der Bezirke nachzukommen und Adressen, sowie Namen von VermieterInnen herauszugeben, sobald ein Verdacht besteht.
Von Airbnb heißt es, dass bis dato kaum Anfragen zu persönlichen Daten der Nutzer eingegangen seien. Der Beschluss von letzter Woche habe daran nichts geändert. Die wenigen Anfragen würden von „entsprechender Seite im Unternehmen genau geprüft“, betont eine Sprecherin. Ähnlich sieht es bei anderen Betreibern von Mietportalen aus: Bei der Plattform ebab, einer „Reisecommunity für Schwule, Lesben und Freunde“, hatte das Bezirksamt lediglich acht Adressen angefragt. „Seit letzter Woche ist kein Donnerwetter durch die Branche gegangen“, fasst Winnie Wendt vom Interessenverein der Berliner Privatvermieter zusammen.
Darf das Verbot auch rückwirkend gelten?
Kommt die Verwaltung ihrer Arbeit also nicht nach? „Wir versuchen, gegen Airbnb vorzugehen“, sagt Sagitza. „Aber die mauern wie die Ochsen. Wir müssen alle unsere Anfragen an Airbnb nach Dublin, den Hauptsitz der Firma, stellen.“ Man versuche momentan, dort das deutsche Recht zu erklären – bis jetzt ohne Erfolg. Dass so wenige Anfragen an die Plattformen gestellt wurden, erklärt Sagitza so: „Wenn wir auf jede Bitte um Auskunft eine Absage erhalten, fragen wir natürlich nur ein paarmal testweise an.“ Es bringe sowieso nichts, sagt er. Nur die kleineren Anbieter wie ebab, die ihren Sitz in Deutschland haben, hätten sich vom neuen Beschluss beeindrucken lassen. „Da können wir Druck aufbauen.“
Dabei droht schon neuer Ärger: Am Donnerstag der vergangenen Woche teilte das Berliner Oberverwaltungsgericht mit, es halte das Zweckentfremdungsverbot für teilweise verfassungswidrig. Nun soll sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe damit befassen. Es geht um die Frage, ob das Verbot auch rückwirkend gelten dürfe. Also für Ferienwohnungen, die den Ämtern bis zum 1. Mai 2014 gemeldet worden waren. Das beträfe fast 6.000 Fälle, die Bestandsschutz genießen würden – den Vermieter aus der Taborstraße 19 jedoch nicht. Er hatte seine Wohnung nicht gemeldet.
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