: Zwangseinkauf per Chipkarte
Ab nächster Woche dürfen Asylbewerber nur noch mit Plastikgeld einkaufen. 80 Läden sind beteiligt. Ausweitung auf Bosnienflüchtlinge im Oktober geplant ■ Von Julia Naumann
Ab Anfang August ist es soweit: Die rund 2.100 AsylbewerberInnen, die in Übergangswohnheimen untergebracht sind, können dann nur noch per Chipkarte einkaufen. Damit ist Berlin das erste Bundesland, das Sozialhilfe über elektronische Karten speichern und verteilen läßt.
Bisher bekamen die AsylbewerberInnen, die vom Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben versorgt werden, Wertgutscheine. Mit ihnen konnten sie in zwei von der Firma Sorat betriebenen Magazinläden und 30, oft kleinen türkischen und arabischen Lebensmittelläden einkaufen. Ab nächster Woche gibt es dann nur noch Chipkarten. Nach Angaben von Christoph Abele, Sprecher der Sozialverwaltung, sind langfristig rund achtzig Läden im ganzen Stadtgebiet beteiligt, darunter Supermarktketten wie Edeka 2000, Rewe, Wertkauf, Extra, türkische Läden und drei Apotheken. Billigdiscounter wie Aldi oder Lidl sind nicht darunter. Die Läden sind mit Lesegeräten ausgestattet, an denen die Flüchtlinge ihre Waren abbuchen lassen. Bisher sind aber erst 30 Läden nutzbar, weil es noch Probleme mit den notwendigen ISDN-Leitungen gebe, so Abele.
Für Rita Kantemir vom Flüchtlingsrat ist die bargeldlose Versorgung per Karte zwar „ein gewisser Fortschritt“, weil die Palette der Lebensmittel jetzt größer sei. Jedoch sei das Sachleistungsprinzip insgesamt „entwürdigend und diskriminierend“. „Es ist ein Unterschied, ob ich freiwillig bargeldlos mit EC-Karte einkaufe oder ein Asylbewerber dazu gezwungen wird“, sagt Kantemir.
Seit Juni vorigen Jahres durften AsylbewerberInnen nur noch bargeldlos in den zwei Sorat-Magazinläden einkaufen. Die Sozialverwaltung begründete dies mit dem Asylbewerberleistungsgesetz, wonach Flüchtlingen die Sozialhilfe bargeldlos ausgezahlt werden kann. Das sogenannte Sachleistungsprinzip wird jedoch in den Bundesländern unterschiedlich scharf gehandhabt. So zahlen Sachsen-Anhalt, Hamburg und Bremen die Sozialhilfe weiterhin bar aus. Aufgrund der Kritik von Flüchtlingsorganisationen – die Sorat-Läden seien zu teuer und schlecht erreichbar – wurden nach einigen Monaten weitere Lebensmittelläden in die Versorgung aufgenommen. Jetzt sollen die Sorat- Läden geschlossen werden.
Die Chipkarte werde jetzt eingeführt, so Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU), um etwaigen Mißbrauch der Sozialhilfe zu verhindern. Als Beispiel nannte sie „Schlepperbanden“, die den Flüchtlingen Bargeld abnehmen könnten. Außerdem solle der Anreiz, nur aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu kommen, durch das Sachleistungsprinzip verhindert werden.
Für das Land sind Sachleistungen jedoch wesentlich teurer, als Bargeld an die AsylbewerberInnen auszugeben. Einem erwachsenen Asylbewerber stehen derzeit monatlich rund 360 Mark zu. 40 Mark werden in Kleidergutscheinen ausgegeben, 80 Mark bekommen sie weiterhin bar als Taschengeld. Die restlichen 240 Mark werden auf der Chipkarte gespeichert und dürfen für Lebensmittel und Hygenieartikel verwendet werden. Die Münchner Firma Infracard, die die Chipkarten entwickelt hat, bekommt rund 1,5 Prozent des Umsatzes. Bei 2.100 Asylbewerbern macht das monatlich knapp 10.000 Mark aus.
Datenschutzrechtliche Bedenken dagegen gibt es nicht: Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sei die Chipkarte Rechtens, sagt Claudia Schmid, Mitarbeiterin des Berliner Datenschutzbeauftragten. Jedoch könne mit der Karte ähnlich wie bei den Wertgutscheinen jederzeit von der Sozialverwaltung festgestellt werden, zu welcher Zeit, in welcher Höhe, bei welchem Händler eingekauft worden ist. Bei „Mißbrauchsverdacht“ könne die Verwaltung laut Gesetz auch auf die Belege zurückgreifen und genau nachprüfen, was die Flüchtlinge gekauft haben, sagt Schmid. Dies sei durch das Gesetz gedeckt. So dürfen AsylbewerberInnen von dem gespeicherten Geld beispielsweise keinen Alkohol und keine Zigaretten kaufen.
Die Sozialverwaltung plant, die Chipkarte ab Oktober auch an Flüchtlinge auszugeben, die nicht zentral, sondern von den Bezirken versorgt werden. Davon wären rund 27.000 Bosnien-Flüchtlinge und AsylbewerberInnen, die in Wohnungen leben, betroffen. Sie bekommen derzeit noch Bargeld. Es gebe „intensive Gespräche“, doch hätten erst 13 Bezirke Interesse gezeigt, überwiegend solche mit CDU-Sozialstadträten. Die Senatsverwaltung kann den Bezirken nur empfehlen, die Karte einzuführen. PDS und Grüne lehnen sie ab. Die grüne Wilmersdorfer Stadträtin Martina Schmiedhofer sagt: „Sachleistungen beinhalten einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand, sind teuer, bürokratisch und überflüssig.“
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