Zustandsbericht Berliner Wald: An die Arbeit, ihr Eichelhäher!
Den Eichen geht es wieder besser, vor allem dank der diesjährigen Witterung. Für die weitere Ausbreitung des Baumes spannen die Förster den Eichelhäher ein.
Hätten Sie es gewusst? Berlin ist eine Waldstadt: Rund 18 Prozent der städtischen Flächen sind bewaldet. Und diesem unserem Wald geht es – Klimawandel hin, Luftverschmutzung her – „so gut wie seit 20 Jahren nicht mehr“. Allerdings nicht dank der neuen grünen Umweltsenatorin und ihres ebenfalls erst vor wenigen Tagen ins Amt gekommenen Staatssekretärs Stefan Tidow, wie dieser am Freitag bei der Vorstellung des Waldzustandsberichts 2016 freimütig zugab. Nein, es ist vor allem die Natur selbst, die es in diesem Jahr gut meinte mit dem Wald. Genauer gesagt gebührt unser Dank dem Wetter, dem Eichenprozessionsspinner – und dem Eichelhäher.
Um zu verstehen, wie das alles miteinander zusammenhängt, muss man wissen, dass es vor allem die Eichen sind, die sich in diesem Jahr deutlich erholt haben. 37 Prozent zeigten bei der stichprobenartigen Untersuchung ihrer Baumkronen durch Mitarbeiter der Berliner Forsten in diesem Sommer keine Schäden (13 Prozent mehr als im Vorjahr), 43 Prozent hatten leichte Schäden (2015: 49 Prozent) – und „nur“ noch 21 Prozent zeigen deutliche Schäden (2015: 27 Prozent).
Dem Wald als Ganzes dagegen, der zu einem Gutteil aus Kiefern besteht, nur jeder fünfte Baum im Berliner Wald ist eine Eiche, geht es so gut beziehungsweise so schlecht wie im letzten Jahr: 39 Prozent der Bäume haben keine Schäden (2015: 37 Prozent), 50 Prozent leichte (2015: ebenfalls) und elf Prozent deutliche Schäden (2015: 13).
Grund zum Jubel gibt es also keinesfalls, „der Wald“ ist krank und das ist kein Wunder, denn unverdrossen produzieren Landwirtschaft und Verkehr (also wir!) jede Menge Stickstoff, der den Waldboden versauert und den Bäumen wichtige Nährstoffe wie Kalzium und Magnesium entzieht.
Schlechte Jahre für Prozessionsspinner
Aber wir haben ja – wie gesagt – derzeit die Natur auf unserer Seite. Zum einen waren die letzten recht trockenen Sommer „schlechte Jahre“ für den Eichenprozessionsspinner, der sich mit Vorliebe an jungen Eichentrieben gütlich tut, wie der Leiter der Berliner Forsten, Elmar Lakenberg, erklärt. Zum anderen hat es, nach einem trockenen Frühling, im Juni ausgiebig geregnet, wodurch die Eichen ihre berühmten „Johannistriebe“ bilden konnten – also einen späten zusätzlichen Blattaustrieb, der vorherige Schädigungen ausgleicht.
Die Freude über diese weitere Erholung der Eiche – wie anderen Bäumen hatte auch ihr der „Jahrhundertsommer 2003“ mit seiner extremen Trockenheit sehr zugesetzt – ist umso größer, als man ihre Ausbreitung in den Forsten ohnehin weiter befördern will. Weil sie historisch der dominante Baum der Region ist (zusammen mit Birke und Kiefer) und wichtig für die „naturnahe Entwicklung stabiler Mischwälder“, die wiederum als Kohlendioxidspeicher eine wichtige Funktion beim Klimaschutz haben. Außerdem ist die Kiefer „der größte Wassersäufer“ (Lakenberg) und dank Klimawandel werden wir in der Region bis 2050 rund 10 Prozent weniger Niederschläge haben. Bis dahin soll deshalb der Berliner Wald zu „100 Prozent Mischwald“ umgeforstet werden.
In Müggelheim streikt der Rabenvogel
Hier kommt nun der Eichelhäher ins Spiel. Der übernimmt nämlich für die Forstverwaltung weitgehend das Aussäen: Kistenweise werden ihm die Eicheln in den Wald gestellt und er vergräbt sie – um damit im nächsten Frühjahr seine Jungen zu füttern. Weil er aber 80 bis 90 Prozent nicht wiederfindet, wächst der Berliner Eichenbestand kräftig an.
Nur in Müggelheim streike der fleißige Rabenvogel, erklärt der Oberförster, denn dort stünden noch immer ausschließlich Kiefern. „Da müssen wir dann selber ran.“
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