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Zustand der FahrradbrancheDie Lager sind voll

Fahrradhersteller und -händler klagen über eine angespannte Wirtschaftslage. Die Branche hat aber Ideen dafür, wie ein Aufschwung gelingen kann.

Die Fahrradbranche schwächelt: die Lager sind voll, der Absatz schrumpft Foto: imago

Die Lage der Fahrradbranche ist angespannt, klagt sie. Aber: „Was gerade passiert, ist keine Klimaveränderung, eher eine Witterung“, meint Gunnar Fehlau vom Pressedienst Fahrrad. Es handele sich um ein vorübergehendes Tief, „und trotzdem: Wenn es regnet, wird man nass“. Soll heißen: Die Her­stel­le­r*in­nen und Händ­le­r*in­nen von Fahrrädern befinden sich nach wie vor in einer schwierigen Situation.

Das zeigt eine Umfrage unter Verantwortlichen aus der Branche, vor allem von Herstellern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die der Pressedienst Fahrrad gemeinsam mit der Beratungsfirma Roland Berger durchgeführt hat. Am Montag hat er die Ergebnisse in einem Bericht veröffentlicht. Merklich ist demnach die allgemein schwierige Wirtschaftslage, außerdem sehen die Teilnehmenden auch noch immer Effekte der Coronapandemie.

Das bestätigt auch Pablo Ziller vom Zweirad-Industrie-Verband. „Wir haben damals einen Boom erlebt und stark produziert. Jetzt sind die Lager voll“, so Ziller. Um Kosten zu sparen, hätten einige Hersteller daher aktuell auf Kurzarbeit umgestellt und Personal entlassen.

Die Branche setzt dem Bericht zufolge außerdem auf Rabatte, um die hohen Lagerbestände loszuwerden. Während das die Kun­d*in­nen entlaste, führe dies bei den Händ­le­r*in­nen in diesem Jahr zu geringeren Einnahmen, so Uwe Wöll vom Verbund Service und Fahrrad. Er blickt trotzdem optimistisch auf die nächsten Jahre. Das Ungleichgewicht, das die Entwicklung während und nach der Coronapandemie hervorgerufen habe, werde abnehmen, die Nachfrage bleibe weiterhin stark und das Fahrrad ein Zukunftsprodukt. Gerade der Ausbau im Bereich der E-Bikes mache den Markt für eine breitere Zielgruppe attraktiv, durch Leasingmodelle könnten sich außerdem immer mehr Menschen ein hochwertiges Rad leisten, so der Experte. Dadurch würden viele das Fahrrad erstmals als Verkehrsmittel in Erwägung ziehen. „Die langfristigen Rahmenbedingungen stimmen also“, so Wöll.

Dem Bericht nach gehen trotzdem über 70 Prozent der Befragten zunächst von Umsatzrückgängen aus. Einen erneuten Aufschwung der Branche prognostizieren die Autoren frühestens für das Jahr 2026. Damit der dann auch gelingt, müssten die Unternehmen jetzt Maßnahmen ergreifen, beispielsweise ihr Sortiment verkleinern und das Marketing überarbeiten, um neue Zielgruppen anzusprechen.

Die Überproduktion in der Saison 2020/21 war laut Bericht auch Folge des sogenannten Peitscheneffekts. Der beschreibt die Auswirkungen von Schwankungen in der Nachfrage entlang einer mehrstufigen Lieferkette, der oft durch mangelnden Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Ebenen entstehe. „Am Ende übersteigen die Bestellmengen den eigentlichen Bedarf, und es entstehen hohe Lagerbestände“, so die Autoren des Berichts.

Damit ein solcher Effekt nicht wieder eintrete, bräuchte die Branche neue Planungsstrukturen, außerdem sollte sie ihre Lieferketten widerstandsfähiger machen, schlussfolgern die Au­to­r*in­nen des Berichts. Dazu gehöre auch, die unterschiedlichen Ebenen der Produktion verstärkt nach Europa zu holen, empfehlen sie. Aktuell könnten demnach mit den europäischen Kapazitäten lediglich rund 15 Prozent der in der EU verkauften Fahrräder gefertigt werden.

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8 Kommentare

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  • Mir drängt sich der Eindruck auf, die Bikebranche versucht die Absatzzahlen hochzutreiben in dem sie sich vehement weigert auch nur simpelste Reparaturen durchzuführen.

    Ob ein klapperndes Schutzblech, eine knirschende Kette oder auch nur ein ausgefallenes Rücklicht:



    Angeblich ist man auf Wochen ausgebucht.

    Aber bekundet man Interesse an einem Fahrradkauf scharren sich gleich zwei, drei Verkäufer um einen und haben unendich viel Zeit die schönsten Räder anzupreisen.

    Ein Schelm der Böses dabei denkt!

  • Die Bikebranche wird sich wandeln müssen. Es reicht schon lange nicht mehr, nur noch „Gerät“ verkaufen zu wollen. Die Bikeproduktion ist weltweit zu 90% in den Händen von 3 grossen Konzernen. Ich bin verwundert, wie wenig Lobbyarbeit diese dafür machen, dass ihr Produkt auch sicher verwendet werden kann. Ich meine Lobbyarbeit für Infrastruktur. Die Automobilindustrie macht es doch vor: mischt sich überall ein. Das Ergebnis: überall Strassen, Parkplätze, Regeln



    ,die aufs Auto zugeschnitten sind.

  • Mein MTB ist von 1990 und da ich den Rahmen liebe, werden eben nur Reifen und defekte Teile ersetzt. Das wird noch viele Jahre so funktionieren.

    • @Dirk Osygus:

      Du bist wahrscheinlich noch nie mit einem Enduro einen DH-Trail gefahren. Das funktioniert mit einem MTB vor 30 Jahren nur mäßig. Das soll keine Kritik sein, zeigt aber, dass du nicht die Zielgruppe bist.

  • Wer sich kein teures Rad kaufen kann, sollte es eher nicht leasen! Dieser fromme Glaube, hinterher monatlich mehr vom Netto für die Rate erübrigen zu können, als vor dem Kauf, führt leider viele Menschen in wirtschaftliche Not.

  • Das Marktproblem bei Fahrrädern liegt in ihrer Umweltfreundlichkeit begründet, die wiederum aus der Langlebigkeit herrührt.

    Sicher verschleißen Teile und müssen ersetzt werden -- aber da normale Fahrräder (anders als viele E-Bikes oder dieses Vanmoof-Experiment) aus standardisierten Teilen bestehen, lassen sich diese Teile eben auch einzeln tauschen, anstatt dass gleich ein komplett neues Fahrzeug fällig wird: Oder wie viele Fahrradrahmen haben Sie schon verschlissen?

    Die Technik entwickelt sich zwar, aber bei weitem nicht mehr so schnell wie zB bei Autos: Da gibt es mit jedem Modellwechsel neue Gimmicks, für die man aber idR ein neues Fahrzeug braucht -- während wenn ich zB einem Singlespeed mit technischem Stand 50er Jahre ein Gimmick verpasse, dann profitiert davon Garmin, aber kein Fahrradhersteller.

    Fahrräder veralten auch "moralisch" nicht so stark wie Kraftfahrzeuge, dh. es gibt viel weniger Leute, die grundsätzlich alle paar Jahe ein neues brauchen, obwohl das bisherige noch tadellos läuft. Fahrrad-Oldtimer sind auch in Anschaffung wie Betrieb preiswerter als PKW-Oldtimer.

    Und es trägt zum Reiz des Fahrrads bei, dass es so nachhaltig ist, dass der Neuabsatz stockt.

  • Vorallem, will nicht jeder zwischen 5000 und 10.000 Euro dafür ausgeben. 10k hat mein modernes Sport - Motorrad gekostet. Das ist mir schwer zu vermitteln. Für ein normales vernünftiges eMtb bezahle ich gerne 3k aber nicht mehr. Meinesgleichen bekommt man also nicht mit 15 Prozent Rabatt. Die 10k Kunden sind einfach schon bedient. Man hätte davon ausgehen müssen, dass das nicht ewig so laufen kann.

  • Bei 84 Mio. Räder in Deutschland wundert es mich ehrlich gesagt nicht, dass das Absatz schwächelt und die Lager voll sind.



    Nicht jeder braucht ein Mountainbike, Rennrad, Gravel-Bike, E-Bike, City-Bike und Klapprad im Keller.