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Zuspitzung des Konflikts in ÄthiopienKrieg gegen das eigene Volk

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Das Auswärtige Amt stellt den Konflikt in Äthiopien vor allem als humanitäres Problem dar. Das verhöhnt die Menschen im Kriegsgebiet.

Die Menschen fliehen aus der Region Tigray – aber nicht vor einer humanitären Katastrophe Foto: Nariman El-Mofty/dpa

A ls Abiy Ahmed 2018 Äthiopiens Ministerpräsident wurde und umgehend einen politischen Frühling einläutete, galt er als neuer Hoffnungsträger Afrikas. Er öffnete die Gefängnisse, er schloss Frieden mit dem Erzfeind Eritrea, und als smarter junger Technokrat, der die autoritäre Wende seiner Vorgänger rückgängig machte, erhielt er 2019 den Friedensnobelpreis. Heute führt er Krieg gegen einen Teil des eigenen Landes.

Hunderte von Menschen sind gestorben, Zehntausende sind auf der Flucht, und die Zentralregierung droht den Einwohnern von Mekelle, Hauptstadt der Region Tigray, unverhohlen mit der Auslöschung, wenn sie sich nicht von ihren lokalen Führern lösen.

Der äthiopische Staat war schon immer in erster Linie ein Gewaltinstrument. Vom absoluten Kaiserreich über die marxistisch-leninistische Militärdiktatur, beide mit Millionen Hungertoten auf dem Gewissen, bis zum Regime der seit 1991 regierenden EPRDF (Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker), in dem Abiy zum Premierminister aufstieg – die Entrechtung der Bevölkerung ist absolut. Die Bauern besitzen nicht einmal das Land, das sie bebauen.

Widerspruch wird in Politik und Gesellschaft mit ganz wenigen Ausnahmen nicht akzeptiert, auf Opposition wird mit der Waffe reagiert. All das ändert sich nicht durch einen Wechsel an der Spitze. Im Gegenteil, der junge Abiy Ahmed kann sein Programm nur durchziehen, indem er alle Zwangsinstrumente anwendet, die er zur Verfügung hat – vor allem gegen jene Mitstreiter, die seine noch junge Autorität nicht respektieren.

Wohin das führen könnte, ist bekannt. Auch Syriens Baschar al-Assad fing einst als international gelobter Modernisierer an, bevor er zum Schlächter seiner Bevölkerung wurde, als sie es wagte, die Werte einzufordern, die er selbst nach außen beanspruchte. Abiy ist kein Assad, aber wenn in Äthiopien schon Vergleiche zwischen Mekelle und Aleppo kursieren, ist der Vergleich nicht allzu fern.

Ebenso wenig wie in Syrien kann die internationale Gemeinschaft in Äthiopien hoffen, dass ihre Aufrufe zum Dialog Gehör finden. Doch den Konflikt vor allem als humanitäres Problem darzustellen, in einer Reihe mit „Überschwemmungen, Heuschrecken und Covid-19“, und ansonsten zur Fortsetzung des Reformkurses von Abiy Ahmed aufzurufen, wie das Auswärtige Amt in Berlin es tut, ist eine Verhöhnung der Menschen im Kriegsgebiet. Äthiopien ist der wichtigste Partner der USA und Europas in der Region im Kampf gegen islamistischen Terrorismus. Aber wenn die Regierung Teile der eigenen Bevölkerung terrorisiert, kann sie kein Partner mehr sein.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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1 Kommentar

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  • Dominic Johnson hat anscheinend "vergessen", dass die TPLF (Volksbefreiungsfront von Tigray) jahrzehntelang andere Volksgruppen Äthiopiens terrorisiert hat.



    Der gegenwärtige Militäreinsatz ist gegen die Kämpfer und Kader der TPLF gerichtet, nicht gegen die Bevölkerung von Tigray.



    Was vorher passiert ist: in Tigray hat dieTPLF nicht abgesprochene und nicht genehmigte Wahlen abgehalten und eine Kaserne der äthiopischen Armee überfallen, um Waffen und Kriegsgerät zu erbeuten.



    Zum Vergleich: Wie sollte die deutsche Bundesregierung reagieren, wenn z.B. die Linke in Thüringen nicht abgesprochene und nicht genehmigte Landtagswahlen abhält, sich anschließend zum Sieger mit 98% der abgegebenen Stimmen erklärt und dann Bundeswehrkasernen überfällt, um Waffen und Kriegsgerät zu erbeuten?