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Zusatz zum FreihandelsabkommenCeta hat jetzt einen Anhang

Jetzt ist er raus: Der erste Entwurf der Zusatzerklärung zum Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada liegt vor. Was steht drin?

Mitte September waren rund 200.000 Menschen in Deutschland gegen Ceta auf die Straßen gegangen Foto: ap

BERLIN taz | Der Meinungskampf um das Freihandelsabkommen Ceta geht in die nächste Runde – und die könnte erneut Gegenwind für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel aufwirbeln. Am Donnerstag wurde der Entwurf für jene „Zusatzerklärung“ bekannt, mit der SPD-Chef Gabriel auch in seiner Partei für eine Zustimmung zu dem umstrittenen Handelsabkommen zwischen EU und Kanada wirbt.

Bei dem Ceta-Abkommen handelt es sich um ein umfängliches Vertragswerk, das den Handel zwischen Kanada und den EU-Staaten vereinfachen soll. Unter Verbraucherschutz- und Umweltorganisationen, aber auch in Teilen der Gewerkschaft und der SPD wird das Abkommen kritisch gesehen. Erst Mitte September waren rund 200.000 Menschen in Deutschland gegen Ceta auf die Straßen gegangen.

Gabriel hatte seine Partei schließlich trotz heftigen Gegenwinds davon überzeugt, Ceta zuzustimmen, und auf ein noch zu verhandelndes Zusatzabkommen mit der kanadischen Regierung verwiesen, in dem rechtliche Klarstellungen formuliert werden sollten. Dafür war er eigens nach Kanada gereist.

Der Entwurf dieser Zusatzerklärung wurde am Donnerstag von der österreichischen Kronen Zeitung veröffentlicht, nachdem er am Mittwochabend den Mitgliedsländern der Europäischen Union zugeleitet worden war. Über das fünfseitige Papier soll nun bei einem Treffen am Freitag in Bratislava beraten werden. In dem Entwurf, der als „Gemeinsame Interpretative Erklärung“ bezeichnet wird, bekennen sich EU und Kanada zu jenen Werten, die Kritikern des Abkommens bislang zu kurz kamen.

Juristisch und politisch umstritten

So betont der Entwurf an mehreren Stellen, dass vom Ceta-Abkommen nicht das Recht der Staaten auf Regulierung beeinträchtigt werden solle, etwa im Hinblick auf Arbeitnehmerrechte, Lebensmittelsicherheit oder die öffentlichen Gesundheitssysteme. Auch stellt die Erklärung zum Beispiel dar, dass mit dem Abkommen kein Privatisierungszwang ausgelöst werden dürfe. Regierungen müssten die Möglichkeit haben, selbst über das Ausmaß öffentlicher Daseinsvorsorge zu entscheiden.

Juristisch und politisch umstritten ist allerdings der Wert dieser Zusatzerklärung: Kritiker fürchten, dass sie wertlos ist, weil der konkretere Ceta-Vertrag selbst stets Vorrang habe. Die EU-Kommission dagegen führt aus, die Erklärung sei rechtlich verbindlich und müsse bei der Auslegung in Streitfragen berücksichtigt werden.

Der Entwurf stellt klar: Das Abkommen darf staatliche Regulierung nicht untergraben

Ceta-kritische Organisationen wie Campact, Greenpeace oder Attac befürchten dennoch, dass die Zusatzerklärung nicht halte, was sie verspreche. Sie kritisierten den Entwurf nach dessen Veröffentlichung scharf.

Eine Greenpeace-Sprecherin sagte, der Entwurf habe „den Wert eines Reiseprospekts“. Jörg Haas von der Kampagnenorganisation Campact sagte: „Die Erklärung bestätigt unsere Skepsis auf ganzer Linie. Das Abkommen stellt etwa in keiner Weise unklare Rechtsbegriffe klar.“

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9 Kommentare

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  • Ich erkläre hiermit zusätzlich zu meinem Arbeitsvertrag , dass ich bei gleichem Lohn die Hälfte arbeiten werde. Das gilt doch, oder?

  • Selbstverständlich können Staaten neue Regulierungen einführen aber es wird sie teuer stehen kønnen!

  • Die "Zusatzerklärung" ist nichts als ein Werbeprospekt. Sie wird nicht unterschrieben, denn dann würde man eine Reihe offensichtlicher Falschaussagen unterschreiben, wie zum Beispiel: "CETA will not result in foreign investors being treated more favourably than domestic investors."

    Schon durch das Recht, zusätzlich zum inländischen Rechtsweg Streitfragen vor ein externes Tribunal zu ziehen um Schadenersatz zu bekommen, ist der ausländische Investor gegenüber dem inländischen bevorzugt. Es sei denn, das externe Tribunal würde immer nur Entscheidungen im jeweiligen Land bestätigen - und dann könnte man ihn sich sowieso sparen.

  • Das war ja wohl zu erwarten, dass Gabriel seinen Genossen ein Windei präsentiert hat ! Haben denn die innerparteilichen CETA-Umfaller einschließlich DGB-Hofmann und des vermeintlichen Sprechers der innerprateilichen SPD-Linkenauch nur im Ernst geglaubt, dass Gabriels Luftschlösser irgendwo in der Realität vertraglich verpflichtend umgesetzt werden können ?

     

    Da fliegen Gabriel und Hofmann für ein kurzes Wochenende nach Kanada und behaupten, sie hätten so mal schnell all das abändern können, was die Konzernlobbyisten sich in jahrelangem Einvernehmen mit der neoliberalen EU-Kommission wasserdicht zurechtgebastelt haben. Das Wort "Versprechungen" ist für solche "Hinweise" Gabriels auf eine nebulöse Zusatzerklärung schon zu hoch gegriffen. Jeder der vorher so vehementen CETA-Gegner in Wolfsburg wusste doch ganz genau, dass die Juristen den längst abgesicherten Vertragstext nicht mehr durch einen angeblichen Zusatz abändern lassen. Der DGB und , der vorher zu den Demonstrationen aufgerufen hatte, hält damit all die zum Narren, die ihm geglaubt haben.

  • Nach Schnelldurchsicht der Zusatzerklärung mein vorläufiges Fazit: Mehr, als ich erwartet habe. Jetzt wäre es schön, diesen "Zusatz" nicht einfach so daneben stehen zu lassen, sondern in das Abkommen einzuarbeiten - soviel Zeit muss sein.

     

    Als KO-Kriterium verbleibt: Selbst - oder erst recht - nach den Klarstellungen stellt sich die Frage, wozu ein "Handelsgerichtshof" erforderlich ist: Die Festlegung, dass Unternehmen der einen Seite nicht schlechter behandelt werden dürfen als die "Inländer" der anderen Seite, sollte eigentlich reichen, um der bestehenden (nationalen) Gerichtsbarkeit die Zuständigkeit zu überlassen. Die kanadische Justiz verdient (anders als die US-amerikanische) nach meiner Kenntnis das Prädikat "rechtsstaatlich".

     

    Auch finde ich in dem Zusatz auf die Schnelle keine Festlegung, die der EU (bzw. vor allem D) die Abwehr gentechnisch erzeugter Produkte erlaubt.

  • Diese Erklärung ist Quatsch. Kanada und EU sollten einfach erklären, dass sie auf die Anwendung der ISDS Klauseln reziprok verzichten.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Wenn man wollte könnte man genau das, also das Primat der Politik doch klipp und klar als überragende Regelung ("overwriting principle") in das Hauptabkommen aufnehmen.

     

    Das sollte doch kein Problem sein, sollte man denken. Und genau hier stellt sich die Frage warum das nicht geschieht?

  • Steht in der Erklärung, dass sie rechtsverbindlich ist? Wird sie von den Vertragspartnern verbindlich unterschrieben?

    Diese Information fehlt hier - wenn diese Unterschriften fehlen, zweifle ich an der Rechtswirksamkeit.

  • "Juristisch und politisch umstritten ist allerdings der Wert dieser Zusatzerklärung: Kritiker fürchten, dass sie wertlos ist..."

     

    Natürlich ist eine Erklärung gegenüber einem Vertrag wertlos. Deshalb kann sie sich Gabriel auch dahin schieben, wo keine Sonne scheint. Sie ist komplett für den...