Zusammenarbeit CDU und Linke: Vom Feind zum Freund
Das, was nach der Landtagswahl in Thüringen heiß diskutiert wird, ist auf kommunaler Ebene längst Alltag: Die Zusammenarbeit von Linke und CDU.

Spektakuläre Beispiele für ein gemeinsames Agieren von CDU und Linken sind in Thüringer Kommunen kaum zu finden. 2015 etwa stellten in Arnstadt 20 km südlich von Erfurt beide einen Abwahlantrag gegen den polarisierenden und parteilosen Bürgermeister Alexander Dill – und setzten damit einen Bürgerentscheid in Gang. Das Sprichwort „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ könnte hier für die gegenseitige Unterstützung Pate gestanden haben. In Geisa überließ die Union nach den Kommunalwahlen vom 26. Mai dieses Jahres sowohl der AfD als auch der Linken je einen Sitz im Hauptausschuss, der nach den Mehrheitsverhältnissen eigentlich ihr zugestanden hätte.
„Wir sind keine zentralistische Partei und kontrollieren nicht alles, was unsere Stadt- und Kreisräte beschließen“, sagt der nunmehr scheidende Kommunalexperte der Linksfraktion im Thüringer Landtag Frank Kuschel. Zusammenarbeit in Sachfragen sei kommunaler Alltag, aber keinesfalls eine institutionalisierte oder gar schriftlich fixierte. Das sei aber auch kaum nötig und relevant, relativiert Kuschel die Bedeutung solchen gemeinsamen Handelns zwischen der Linken und der CDU. „95 Prozent aller kommunalen Beschlüsse fallen ohnehin einstimmig“, ärgert sich der studierte Verwaltungsrechtler über kommunale Abnickkultur, linker LandrätInnen eingeschlossen.
Schwarz-linke Sache
Gelegentlich werden schwarz-dunkelrote Absprachen in ostdeutschen Kommunen aber auch überregional beachtet. 2008 unterstützten Linke und CDU im Chemnitzer Stadtrat gegenseitig die Wahl von Bürgermeistern. Im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf wurde Dagmar Pohle (Linke) 2006 erstmals Bezirksbürgermeisterin – auch mit Unterstützung der CDU. Mit einer Unterbrechung hat die frühere PDS-Politikerin das Amt bis heute inne.
Im Cottbuser Stadtrat stimmen Linke und Union gelegentlich gemeinsam. In Frankfurt (Oder) bot im Vorjahr Oberbürgermeister René Wilke von der Linkspartei dem CDU-Politiker Claus Junghanns seinen Stellvertreterposten an. Und schon Sachsen-Anhalts ehemaliger Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) erwartete damals von einer Demokratie, dass alle demokratischen Parteien einschließlich der Linken miteinander koalitionsfähig sein sollten.
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