piwik no script img

Zusagen des Handels an die BauernWindelweich und sinnlos

Das eigentliche Problem der Bauern ist, dass sie zu viel produzieren. Das Überangebot der Lebensmittel drückt dann die Preise.

Protest in Mecklenburg Vorpommern für die Zukunft der Landwirtschaft mit einer Kolonnenfahrt Foto: Norbert Fellechner/imago

Die Einigung zwischen Bauernführern und den großen Supermarktketten soll die deutschen Landwirte stärken – ist aber windelweich und sinnlos. So werden die Bauern keine angemessenen Preise für ihre Produkte durchsetzen.

Am konkretesten ist noch die Zusage von Aldi, Lidl und den anderen Ketten, eine Ombudsstelle einzurichten, die Konflikte zwischen Bauern und Händlern beilegen soll. Aber an diese neue Stelle dürften sich kaum Landwirte wenden: Erstens hätten die Bauern zu große Angst, ausgelistet zu werden, wenn sie zum Beispiel Rewe bei der Ombudsstelle anschwärzen. Zweitens gibt es kaum Bauern, die ihre Produkte direkt an den Handel verkaufen. Von einigen großen Obst- und Gemüsebauern abgesehen, liefern fast alle Landwirte ihre Ware an Großhändler, Molkereien oder Schlachthöfe.

Schwammig ist die Äußerung des Handels zu einer Herkunftskennzeichnung für deutsche Agrarprodukte. Die Konzerne sagen nur, dass sie dieses Ziel „verfolgen“, nicht dass sie es tatsächlich umsetzen wollen. Aber selbst wenn sie auf ihren Waren künftig angeben würden, wie viele Zutaten aus Deutschland stammen, würde das den 270.000 hiesigen Bauern wenig nützen. Denn laut Statistischem Bundesamt produzieren sie schon jetzt rund 90 Prozent der Lebensmittel, die hierzulande verbraucht werden.

Gerade die besonders gebeutelten Milch- und Schweinebauern erzeugen viel mehr, als die Deutschen essen können. Der Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch liegt bei 120 Prozent und bei fast allen Milcherzeugnissen ebenfalls bei über 100 Prozent.

Schon diese Zahlen machen deutlich, dass die deutschen Landwirte große Mengen exportieren. Deshalb können die Bauern nicht verlangen, dass nach Deutschland keine Lebensmittel importiert werden.

Statt die Probleme im Ausland zu suchen, sollten die Landwirte aufhören, so stark auf den Weltmarkt zu setzen, auf dem nur der Preis zählt. Sie müssen sich zusammenschließen und ihre Produktionsmengen senken – dann werden auch die Preise dauerhaft steigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • "Das eigentliche Problem der Bauern ist, dass sie zu viel produzieren. Das Überangebot der Lebensmittel drückt dann die Preise."

    Der Artikel unterschlägt, dass es auch Sparten gibt in denen der Selbstversorgungsgrad geringer ist. Bei Gemüse und Obst liegt dieser beispielsweise bei 35% bzw. 22%.



    www.ble.de/SharedD...rsorgungsgrad.html

    Der Import/Export von Nahrungsmitteln, der sich da vor allem auf europäischer Ebene abspielt, relativiert sich da ganz gewaltig. Da auf nationales Autarkiegedöns setzen zu wollen ist so was von vor 70 Jahren.

    Und auch "90 Prozent der Lebensmittel, die hierzulande verbraucht werden" snd nicht "zufiel", sondern 10% weg von 100%.

    Das Preise dann auch noch steigen sollen, wenn ein Teilmarkt (Ausland) wegbringt, das ist auch eine krasse These.

  • Schuld an der Überproduktion ist nicht der einzelne bäuerliche Betrieb (und schon gar nicht alle gleichermaßen, wie Maurin pauschal schreibt), sondern die 70 Jahre "Wachsen oder Weichen"-Landwirtschaftspolitik in der BRD. Ziel: Kosten der Reproduktion der Arbeitskraft (in Industrie und Dienstleistung) niedrig halten, im Interesse des Kapitals, das die Arbeitskraft kauft und verwendet. Erst hieruzlande, aber durch Exporte auch weltweit.



    Echt traurig, wie wenig analytische Kompetenz in der taz vorhanden ist.

  • Vielleicht sind ja die Subventionen am Verhalten der Bauern schuld, reine Marktwirtschaftliche Anreize kommen oft nicht so recht an wenn immer alles schön zurechtsubventioniert wird.



    So lange bei uns produzierte Lebensmittel andere Märkte über Subventionen zerstören ( Hähnchen z.B.) so lange ist das System eine Katastrophe.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Das eigentliche Problem der Bauern ist, dass sie zu viel produzieren. Das Überangebot der Lebensmittel drückt dann die Preise."

    Auf den Punkt gebracht!



    Viele Bauern sind unflexibel und nicht in der Lage, etwas in ihrem Betrieb zu ändern.



    Warum werden unrentable Betriebe am Leben erhalten, die Kumpel aus der Braunkohle aber entlassen oder umgeschult?



    Ein faules System, aber wer will schon was ändern und massivste Proteste auf sich ziehen? Die Initiative muss von den Bauern selbst kommen.

    r

  • Das was Herr Maurin meint, das Angebot und Nachfrage den Preis für Lebensmittel bestimmen, stimmt für Landwirtschaftliche Produkte nur, wen Deutschland ALLEINE auf diesem Planeten wäre. Somit sind Milch und Fleisch zu billig, weil davon zu viel erzeugt wird. Demnach müssten ja alle Produkte, wo wir zu wenig erzeugen ( Obst, Gemüse, Honig, alle Bio-Produkte ) exorbitant im Preis steigen. Warum haben dann diese Produkte auch nicht höhere Erzeugerpreise als im " Ausland " ??

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Günter Witte:

      Aufgrund der Erfahrungen mit der DDR ist Planwirtschaft ein Tabu in Deutschland.



      Fragt man Volkswirtschaftler, so erfährt man, dass es auch Vorteile gibt.



      Der angeblich freie Markt funktioniert doch vorne und hinten nicht. Überall muss nachgebessert werden.

      "Die Planwirtschaft (oder auch Zentralverwaltungswirtschaft) ist eine Wirtschaftsordnung, in der die ökonomischen Prozesse einer Volkswirtschaft zentral und zeitlich nach einem Plan gesteuert werden. Die Steuerung betrifft die Produktion und die Verteilung der Produktion."



      (thinkaboutgeny.com/planwirtschaft)

      Wie man das im Detail umsetzt - und das ist überaus wichtig- ist eine andere Frage. Hier müssen massiv Bürger beteiligt werden. Wir sehen ja wie es bei uns läuft, z.B. mit dem Glyphosat. "So isser halt der Schmidt".



      Man hätte ihn auf der Stelle entlassen müssen.

      Zumindest kann man ja mal darüber nachdenken! Verstärkte Kooperativen der Bauern wäre eine weitere Möglichkeit.



      Und vor allem keine Exporte von Lebendvieh!

      • @17900 (Profil gelöscht):

        Es ist egal nach welchem Prinzip die Landwirtschaft bei uns produziert, die Totenmesse für die Landwirtschaft in Deutschland ist bereits gelesen.



        Deutschland ist ein ( Industrie ) Exportland, es muss verkauft werden, und da ein Großteil der Importierenden Länder im Gegenzug seine Landwirtschaftlichen Erzeugnisse loswerden möchte, stört die Heimische Landwirtschaft nur das Geschäft.



        In den letzten 50 Jahren haben ca. 881000 Landwirtschaftliche Betriebe aufgehört ( 1970 = 1146924 Betriebe / 2019 = 266000 Betriebe ), man wird sich in Zukunft noch einige Landwirte zur Landschaftspflege gönnen, ein paar mit Tieren im Auslauf ( damit die Wölfe Nahrung haben ), und sonst Getreide und Grass in die Güllegruben werfen, um ein wenig Strom herzustellen. Wie gesagt, die Messe ist bereits gelesen.

  • Ich glaube, dass das zu pauschalierend dargestellt wird. Die 90% der deutschen Agragerzeugnisse die in Deutschland benötigt/verkauft werden sind doch sicherlich nur mit den Überkapazitäten der Exporte rechnerisch ermittelt worden. Wenn ich durch den Supermarkt laufe, da sind doch schon deutlich mehr als 10% Waren aus ausländischer Landwirtschaft vertreten. Von der Barilla-Nudeln und Tomatensaucenfront bis zur Käse-theke, mit Ein und Hochprozentigem ....Salat und Orangen aus Südeuropa, Tierfutter aus FR für unser Vieh noch dazugerechnet. Von Reis, Thunfisch, Mandeln... aus Übersee usw. mal ganz zu schweigen.



    Ist jetzt aber nur meine subjektive Wahrnehmung. Bzw. hatte das mal studiert und ich gaube mich zu erinnern, dass der Prof gesagt hat, dass es (wenn wir nix exportieren würden) mit der Selbstversorgung gerade so aufgehen würde in DE; jedoch Vielfalt ade oder anders: Deutsche esst bitte deutsche Bananen usw. :-)

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Tom Farmer:

      Es geht nicht um Bananen, Kiwis oder Ananas, aber sehr wohl z.B. um Lammfleisch aus Neuseeland oder Rindfleisch aus Südamerika.



      Es geht um riesige Einfuhren von Soja aus Brasilien für die Massentierhaltung!

      Und übrigens....deutsche Bananen sind durchaus möglich - Stichwort "urban farming", aber wahrscheinlich nicht profitabel.

    • @Tom Farmer:

      Ausgerechnet Bananen sind ein extrem schlechtes Beispiel für Vielfalt. Bananen sind eine riesige Monokultuer in Hand weniger Konzerne. Außerdem hat das, was wir essen, wenig mit der natürlichen Frucht zu tun, die an der Staude reift.



      MMn ist die Banane das am meisten überschätzte Obst. Mit heimischen Sorten kann man viel mehr Vielfalt erreichen!

    • @Tom Farmer:

      Wie war das noch mit der Milchquote? Wurde abgeschafft, weil das angeblich den freien Bauern hindert. Erfolg, Milch überschwemmte den Markt, der Preis sank, Bauern kippten Milch vor Molkereien auf die Straße, jedenfalls die kleineren Milchbauern. Viele mußten aufgeben und die großen Betriebe sind nun vorherrschend.Milchfabriken die mit Bildern von Kühen auf der Weide werben, deren Kühe aber kaum eine Weide je sahen. Wie das aussieht sah man ja spätestens seit Bad Grönenbach :-(

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @onesimus:

        Quoten waren und sind keine guten Lösungen!



        Wenn ich in meinem Geschäft kaum noch Kunden habe, muss ich mir was überlegen. Warum gilt das nicht für Bauern?



        Wir wollen keine Massentierhaltung - ist das immer noch nicht angekommen?

        • @17900 (Profil gelöscht):

          Wer ist wir? Ein Versuch der Definition wären die über 90 Prozent aller Käufer, die in Supermärkten einkaufen. Und zwar weitestgehend nach dem billigsten, und hier schreibe ich bewusst nicht günstigen; Angebot für den Alltag. Falls sich dann einmal Besuch angekündigt hat darf es auch Bio sein - aber selbst da bitte billig aus dem Supermarkt.