Zur Beerdigung von Papst Franziskus: „Franziskus hätte es so gewollt“
Im mehrheitlich katholischen Polen wird zur Papstbeisetzung ein „nationaler Trauertag“ ausgerufen. Im Warschauer Stadtteil Mokotow ist nicht viel davon zu spüren.

Die Warschauer Jesuitenpater änderten ihren Gottesdienstplan nicht ab, obwohl Papst Franziskus ebenfalls Jesuit war. Als junger Mann war er in Argentinien dem Jesuitenorden beigetreten. Auch der „nationale Trauertag“, den Staatspräsident Andrzej Duda für den Begräbnistag von Papst Franziskus ausgerufen hatte, änderte daran nichts. Zwar nahmen die beiden Pater den verstorbenen Pontifex in ihre Fürbittengebete auf, aber das war es dann auch schon. Die Predigt der beiden in weiße Kutten gekleideten Jesuiten drehte sich eine Woche nach Ostern noch einmal um Tod und Wiederauferstehung von Jesus und um Treue und Verrat seiner Jünger.
„Ich denke, Franziskus hätte es genau so gewollt“, sagt eine ca. 30-jährige Frau im grün karierten Kurzmantel nach der Messe. „Er war ja sehr bescheiden. Außerdem gab es am Mittwochabend in der St. Johannes der Täufer-Kathedrale eine zentrale Trauerfeier für ihn. Da haben auch die Glocken für ihn geläutet. 88 Mal. Das war sehr eindrucksvoll. Für jedes Jahr ein Mal.“ Die Kirchentür geht auf, Orgelmusik ist zu hören, und weitere Gläubige kommen die Treppe herunter.
Mitmenschlich, aber kein Verständnis für Europa
Ein Ehepaar bleibt am Tor stehen. „Wir haben drei Päpste erlebt“, sagt der 60-Jährige und setzt seinen Sommerhut wieder auf. „Jeder war ganz anders: Papst Johannes Paul II, also unser polnischer Papst, war sehr politisch, Papst Benedikt XVI, der deutsche Papst, war ein Professor und Papst Franziskus aus Argentinien ein Armenprediger.“ Er sieht kurz seine etwas jüngere Frau an und setzt hinzu: „Wenn es nach mir ginge, könnte jetzt wieder ein politischer Papst kommen.“
Sie nickt und setzt eine Sonnenbrille auf. „Wir sind sehr gläubig, und es war für uns sehr wichtig, dass Franziskus der Welt vorgelebt hat, was eigentlich die Botschaft des Evangeliums ist, nämlich Mitmenschlichkeit“. Ihr Mann schüttelt ganz leicht den Kopf: „Ja, auch in Polen war diese Armutsbotschaft für die Erzbischöfe, die oft in Palästen leben, in Prunk und Protz, etwas Neues. Aber Franziskus hatte auch ein großes Manko“.
Der Mann macht eine Pause, denn es tutet lang und durchdringend. Ein Schienenbaufahrzeug wechselt das Schienenbett der Straßenbahn direkt vor der St. Bobola-Kirche aus. Die Arbeiter in ihren neon-orangen Schutzanzügen hatten die Messe abgewartet, um diese nicht zu stören.
„Er hat Europa nicht verstanden, ganz zu schweigen von Osteuropa. Sein Appell an die Ukrainer, den Mut zur Kapitulation zu haben, war einfach unsäglich. Wir waren fassungslos. Warum hat er nicht an Russland appelliert, den Krieg zu beenden und mutig zu kapitulieren?“
In Warschau-Mokotow war vom nationalen Trauertag nichts zu spüren
Ein anderer Gottesdienstbesucher, der die letzten Worte gehört hat, bleibt ebenfalls kurz stehen. „Papst Franziskus hat es sicher gut gemeint. Aber als unser Papst den Heiligen Stuhl bestieg, gab es noch den Ostblock, die Sowjetunion und ein kommunistisches Polen.“ Er streicht sich über das schwarze Stoppelhaar: „Allein mit Mitmenschlichkeit wäre er da nicht weit gekommen. Es brauchte den Mut, das Böse auch als „böse“ zu benennen.“
In Warschau-Mokotow ist nicht zu spüren, dass Präsident Duda den Samstag zum „nationalen Trauertag“ erklärt hat. Alle Läden sind offen, auch die Gemüse- und Obststände, Restaurants und Cafés. An der Wirtschaftshochschule SGH finden wie vorgesehen die Vorlesungen und Seminare für die zahlenden Teilzeit-Studierenden statt.
Nur die Fahnen vor der SGH hängen auf halbmast, ebenso wie die vor dem Gericht, einigen staatlichen Behörden und dem Schloss Belweder, das Präsident Duda als zweite Residenz neben dem großen Präsidentenpalast direkt an der Altstadt nutzt. Verlegt werden musste allerdings das große „Picknick“ zur 1000-Jahrfeier der Krönung von Boleslaw dem Tapferen von Samstag auf Sonntag.
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