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Zum Todestag am 20. NovemberFrancos langer Schatten

Reiner Wandler

Kommentar von

Reiner Wandler

Vor 50 Jahren starb Francisco Franco und Spaniens Übergang zur Demokratie begann. Die Aufarbeitung der Diktatur fällt dem Land immer noch schwer.

Eine Gedenkplatte für den spanischen Diktator Francisco Franco und seinen Bruder Ramon Franco in deren Geburtsort Ferrol Foto: Nacho Doce/reuters

D er Círculo de Bellas Artes – der Madrider Kulturverein – stellte in seinem Prachtbau im Herzen der spanischen Hauptstadt am vergangenen Wochenende ein ungewöhnliches Denkmal aus. Es war eine Kopie der Reiterstatue des Diktators „Generalísimo“ Francisco Franco, die bis 2005 im Regierungsviertel stand, bevor sie von der damaligen sozialistischen Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero abgebaut und in eine Lagerhalle verbannt wurde.

Das Besondere an dem Ausstellungsstück: Es war nur das Pferd zu sehen, der Generalísimo war an der Hüfte abgeschnitten. „Libre“ – „Frei“ lautete das Motto der Schau, bei der die ersten 20.000 Besucher ein solches Pferd in Miniatur mitnehmen durften. Es war eine der vielen Veranstaltungen im Vorfeld des heutigen 20. November, an dem Spanien den 50. Jahrestag des Todes des Diktators und damit den Beginn zum Übergang zur Demokratie begeht. 50 Jahre ohne Franco – das Land schaut zurück, manche viel zu weit, anderen fällt es schwer, in die Zukunft zu schauen. Vergangenheitsbewältigung ist auch 50 Jahre später nicht leicht.

Dabei hat die Linkskoalition unter dem Sozialisten Pedro Sánchez in den letzten Jahren viel getan. Sie überarbeitete das Gesetz des Historischen Erinnerns aus dem Jahr 2007. Mit dem überarbeiteten Gesetz wurden Straßennamen und Denkmäler, die denen huldigten, die an Francos Seite 1936 gegen die demokratische republikanische Ordnung putschten und das Land in einen Bürgerkrieg gefolgt von der Diktatur stürzten, fast überall aus dem Straßenbild verbannt. Faschistische Symbole sind nun verboten. Die Franco-Stiftung, die all die Jahre mit öffentlichen Zuschüssen des Erbes der Diktatur gedachte, steht ebenso vor dem Verbot.

Der Leichnam von Diktator Franco selbst wurde aus dem „Tal der Gefallenen“, einer von republikanischen Zwangsarbeitern in den Felsen gehauenen Basilika, auf einen hauptstädtischen Gemeindefriedhof verlegt. Damit ist der Weg frei, um aus dem „Tal der Gefallenen“ – das jetzt wieder seinen geografischen Namen Cuelgamuros trägt – eine Gedenkstätte für alle Opfer des Krieges und der Repression zu machen. Die Debatten ließen aber nicht lange auf sich warten: Denn die Basilika wird auch im neuen Gedenkkonzept einem katholischen Orden unterstehen, der all die Jahre faschistische Gedenkgottesdienste abhielt.

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Tal der Gefallenen

Und das wichtigste Problem im „Tal der Gefallenen“ wartet weiterhin auf eine Lösung. In den Felsgalerien mit ihren Kapellen rund um die Basilika liegen bis heute 34.000 Tote des Konflikts begraben. Franco sah in den Gräbern der Opfer beider Seiten einen Akt der Aussöhnung – die Angehörigen der dort bestatteten Republikaner sahen darin eine Demütigung. Die sterblichen Überreste der Ihrigen wurden inzwischen aus den Massengräbern geborgen und überführt. Die Angehörigen wollen sie in ihrer Heimat beisetzen. Ein langwieriger Prozess, bei dem sie immer wieder auf bürokratische Schwierigkeiten stoßen.

Um die 100.000 Opfer der blutigen Verfolgung von Demokraten und Linken liegen immer noch irgendwo neben Friedhofsmauern oder in Straßengräben verscharrt. Nur 17.000 Opfer der Repression im Bürgerkrieg und den Jahren danach wurden in den letzten 25 Jahren aus den Massengräbern geborgen. Eine offizielle Karte der Massengräber gibt es nicht. Hilfe für die Familien bei den Ausgrabungen erfolgt nur in einigen Regionen. Dort, wo die Rechte regiert, werden die Opfer ignoriert. Die Behörden selbst werden nirgends tätig. Die Justiz greift nicht ein.

Was für viele Opfer am schwersten wiegt, ist die Straffreiheit der Täter. Sie wurden nie gerichtlich verfolgt, denn die Verbrechen fallen für die spanische Justiz unter die Amnestie von 1977. Damals wurden diejenigen, die wegen antifranquistischer Aktivitäten eingesperrt waren oder verfolgt wurden, amnestiert, aber auch die Verantwortlichen für die knapp 40 Jahre dauernde Repression in Bürgerkrieg und Diktatur. Ein klarer Verstoß gegen internationales Recht. Denn Verbrechen gegen die Menschlichkeit verjähren nicht und können auch nicht amnestiert werden. Spanien hält dennoch daran fest.

16 Familien haben vor einem Gericht in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires geklagt. Das Verfahren läuft. Doch überlebende Täter gibt es so gut wie keine mehr. Das Grab Francos am neuen Ort zieren Fahnen des franquistischen Spaniens, faschistische Symbole und Insignien unterschiedlicher Einheiten der spanischen Armee schmücken das Familienmausoleum; und das, obwohl faschistische Symbole und die Verherrlichung der Diktatur seit Erlass des Gesetzes des Demokratischen Erinnerns verboten sind. Das Mausoleum wird mit staatlichen Geldern instand gehalten. Ginge es nach den Opfervereinigungen, müsste die Familie dafür aufkommen und nicht der Steuerzahler.

Vox, die drittstärkste Kraft im Parlament

Auch wenn die Aufarbeitung der Diktatur schleppend vonstatten geht, hat sich etwas getan. Spaniens Diktatur und die Repression sind seit der ersten Ausgrabung von Opfern vor 25 Jahren ein Thema in der Öffentlichkeit.

Allerdings zeigt Spaniens Rechte, wes Geistes Kind sie ist. Es ist nicht nur die neofranquistische Vox – mit rund 13 Prozent drittstärkste Kraft im Parlament –, die den Franquismus hochhält. Auch die konservative Partido Popular (PP) hat die Diktatur bis heute nicht verurteilt. Spaniens Konservative wissen, für wen sie Politik machen.

Auch 50 Jahre nach Francos Tod und der Geburt der spanischen Demokratie sind es längst nicht nur ein paar Ewiggestrige, die Franco noch immer verehren. Eine Umfrage des öffentlichen Meinungsforschungsinstitutes CIS zeigt, wie tief Spanien immer noch gespalten ist, auch wenn sich die Lager langsam verschieben. 16,8 Prozent sehen die Jahre der Franco-Diktatur als „gut“ und 4,5 Prozent gar als „sehr gut“ an. Weitere 6,1 Prozent sehen die Franco-Diktatur als normal“ an.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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