OHNE EINIGUNG ZWISCHEN ISRAELIS UND PALÄSTINENSERN DROHT GEWALT: Zum Erfolg verdammt
„Kein Datum ist heilig“, hatte der später ermordete Ministerpräsident Jitzhak Rabin einst gesagt und damit die Terminabsprachen in den israelisch-palästinensischen Abkommen entwertet. Herausgekommen ist ein fast siebenjähriges Hängen und Würgen. Seit Unterzeichnung der Oslo-Vereinbarung im September 1993 wird um Prozentpunkte bei der Landrückgabe und um das Ausmaß der palästinensischen Souveränität gefeilscht. Selbst die Zahl der Kalaschnikows in den Händen der palästinensischen Polizei war schon Verhandlungsgegenstand. Gewiss sind die Details wichtig. Aber sie können auch den Blick auf das Wesentliche verstellen.
Es blieb der US-Regierung vorbehalten, die Dimensionen wieder gerade zu rücken. Der israelisch-palästinensische Konflikt ist der Kern des Nahost-Problems, verlautete aus Washington. Dies zielte wohl vor allem darauf ab, die israelische Regierung wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen und den Fortgang der seit Wochen unterbrochenen Verhandlungen zu garantieren. Herausgekommen ist bislang nicht mehr als wieder ein Gipfeltreffen mit neuen Abkommen und Terminen. Scharm El-Scheich zum dritten oder vierten. Und ab Mitte März dann Fortsetzung der Verhandlungen in Washington unter US-Ägide. Also alles wie gehabt?
Nicht ganz. Der militärische Erfolg der Bombenanschläge der Hisbullah und der angekündigte Rückzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon hat jenen Auftrieb verschafft, die immer schon gesagt haben, dass Israel nur die Sprache der Gewalt verstehe. So falsch diese These auch sein mag, sie wird auch im besetzten Palästina von durchschlagender Wirkung sein, wenn Jassir Arafat am 13. September den palästinensischen Staat proklamiert und dennoch nur eine Art Flickenteppich vorweisen kann – ohne große Kompetenzen und ökonomische Kraft. Wenn die Hisbullah jedoch tatsächlich zum Vorbild wird und tausende junge Palästinenser in die Armee der Hamas treibt, dann hätte das verheerende Konsequenzen.
Jede weitere Verzögerung der Verhandlungen verschärft die Gefahr dieses Horrorszenarios. Dies haben alle Beteiligten erkannt. Mit der Freilassung palästinensischer Gefangener und der beschleunigten Umsetzung des zugesagten Rückzuges hat Israels Ministerpräsident Ehud Barak deutlich gemacht, dass er Jassir Arafat nicht länger als geschwächten Feind demütigen will, sondern als strategischen Partner akzeptiert. Sollte freilich diese Einsicht wieder verloren gehen, dürfte der 13. September zu einem unheiligen Datum werden.
GEORG BALTISSEN
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