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„Zukunftsrat“ stellt Ergebnisse vorBitte mehr on demand

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll jünger und digitaler werden. Das sagt der „Zukunftsrat“, ein von den Ländern eingesetztes Expertengremium.

Zeitlos schön: das Mainzelmännchen Foto: ZDF

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine Zukunft, aber er muss sich ändern. Das ist die Botschaft des achtköpfigen Expertengremiums namens „Zukunftsrat“, das am Donnerstag seinen Abschlussbericht präsentierte. Zentrale Forderungen: Viel mehr Budget soll in digitale Angebote fließen. Die bisher föderal geprägte ARD soll zu einer selbstständigen Anstalt, die Rundfunkfinanzierung soll neu kons­truiert werden.

Der Zukunftsrat war im März 2023 eingesetzt worden. Die Bundesländer reagierten damit auf zunehmende Akzeptanzprobleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Anlass war unter anderem der Skandal um überhöhte Gehälter, Ruhegelder und Spesen an der rbb-Spitze. Der Zukunftsrat sollte Perspektiven für ARD, ZDF und Deutschlandradio (DLR) aufzeigen. Vorsitzende sind Julia Jäkel, langjährige Chefin des Verlags Gruner + Jahr, und Ex-Verfassungsrichter Peter M. Huber.

Grundsätzlich können sich die öffentlichen Sender freuen. Der Zukunftsrat gibt ein klares Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab. Er sei wichtig für die „Selbstverständigung der Gesellschaft“. Allerdings müsse der Programmauftrag präzisiert werden. Die Öffentlich-Rechtlichen sollen sich als „Anwälte des gesellschaftlichen Diskurses“ sehen, als „unaufgeregte Erklärer“. Erforderlich seien „mehr Fakten, mehr Kontext“. Die Sender sollen Menschen zusammenbringen, zu „Dialoganstalten“ werden.

Neben Information, Bildung und Kultur sollen aber auch Unterhaltung und Sport weiter eine wichtige Rolle spielen, um ein breites Publikum zu erreichen. Der Sport sei eine „gesellschaftliche Klammer“, so der Bericht.*

Frage der „Generationengerechtigkeit“

Die Öffentlich-Rechtlichen sollen aber viel jünger und digitaler werden. Bisher beträgt der Altersdurchschnitt der ARD- und ZDF-Zuschauer:innen rund 65 Jahre. Junge schauen kaum noch lineares Fernsehen, sondern bevorzugen On-Demand-Angebote wie Netflix. Deshalb sollen die Öffentlich-Rechtlichen jetzt ihr Budget entschlossen zu digitalen Angeboten umschichten, so der Zukunftsrat. Dies sei auch eine Frage der „Generationengerechtigkeit“

ARD, ZDF und Deutschlandradio sollen zwar eine gemeinsame technische Plattform für digitale Angebote schaffen, um Kosten zu sparen. Dies müsse aber nicht zwingend zu einer gemeinsamen Mediathek von ARD und ZDF führen. Auch eine Fusion von ARD und ZDF wird vom Zukunftsrat nicht vorgeschlagen. Deutschland sei ein so großes Land, dass zwei öffentlich-rechtliche Anbieter, die im publizistischen Wettbewerb stehen, „notwendig und angemessen“ seien.

Die ARD ist bisher nur eine Arbeitsgemeinschaft der neun Landesrundfunkanstalten, also von WDR, BR, MDR und Co. Das will der Zukunftsrat ändern. Für das bundesweite Programm und die Mediathek soll künftig eine eigenständige „ARD-Anstalt“ zuständig sein. Die Landessender wären nur noch für die dritten Programme und den Hörfunk verantwortlich. Nur so sei die ARD überhaupt modernisierungsfähig, glauben die Experten. Statt des schwachen und ständig wechselnden „ARD-Vorsitzenden“ soll es künftig eine profes­sio­nelle „ARD-Geschäftsleitung“ geben.

Eine Zusammenlegung der neun sehr unterschiedlich großen Landes-Rundfunkanstalten hält der Zukunftsrat in diesem Szenario nicht mehr für erforderlich. Schließlich wolle man die regionale Berichterstattung stärken. Das dürfte vor allem die kleinen Sender Radio Bremen und den Saarländischen Rundfunk freuen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte am Dienstag geäußert, der Saarländische Rundfunk könne in den Südwestrundfunk, Radio Bremen in den Norddeutschen Rundfunk aufgenommen werden.

Finanzielle Abschläge als Sanktionen

Bei den Hörfunkwellen, so der Zukunftsrat, könne man jedoch an einen bundeseinheitlichen Mantel mit vielen regionalen Fenstern denken, so der Zukunftsrat. Eine Senkung der Intendantenhonorare fordern die Ex­per­t:in­nen nicht, vielmehr wenden sie sich gegen einen „Gehalts­populismus“. Bestverdiener ist bisher WDR-Intendant Tom Buhrow mit über 400.000 Euro pro Jahr.

Der Rundfunkbeitrag von derzeit 18,32 Euro pro Monat und Wohnung soll in der Höhe erhalten bleiben. Künftig soll er aber indexiert werden, also zum Beispiel entsprechend der Inflation ansteigen. Dies soll die Diskussion um Beitragserhöhungen entpolitisieren. Derzeit erhalten die Öffentlich-Rechtlichen rund 8,5 Milliarden Euro im Jahr.

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) soll es weiter geben, aber mit einer neuen Aufgabe. Bisher mussten die Sender ihren Finanzbedarf vorab anmelden, und die KEF prüfte ihn. Künftig soll die KEF im Nachhinein prüfen, ob die Sender ihren Angebotsauftrag erfüllt haben. Wenn etwa die Sendungen in den Mediatheken nicht gut auffindbar sind, soll es finanzielle Abschläge als Sanktionen geben.

Die knapp 40-seitigen Empfehlungen wurden vom Zukunftsrat am Donnerstag der Rundfunkkommission der Bundesländer übergeben. Deren Vorsitzende ist die Rheinland-Pfälzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Die Rundfunkkommission will am kommenden Dienstag erstmals über den Bericht beraten. Die Länder können die vorgeschlagenen Reformen nur durch einen gemeinsamen Staatsvertrag umsetzen. Dass dies ein „Kraftakt“ wäre, glaubt auch der Zukunftsrat.

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11 Kommentare

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  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Bertelsmann und Holtzbrinck im „Zukunftsrat" der ÖRR an führender Position bestens vertreten. Na dann. (hsqmyp)



    de.wikipedia.org/wiki/Julia_J%C3%A4kel

  • Auf der Pressekonferenz war viel von Strategie, klarer Hierarchie, Führen im Team, neuer Kultur bei der Veränderung - und man glaubt es kaum - Risikobereitschaft und Innovation im Programm die Rede.

    Phrasen aus dem Manager-Lexikon.



    Alles Dinge, die beim ÖRR im Argen liegen, aber niemanden stört, solange sich die Politik gut im regionalen Programm repräsentiert fühlt.

    Der aktuelle Skandal bei



    Strg_f um Rezo zeigt, wie eine ganze Generation von jungen Journalisten plus der Leitungsebene kollektiv versagt, obwohl sie die Zukunft des ÖRR in der Mediathek sein soll.

    Eine Neuausrichtung mit diesen Leuten macht keinen Sinn.

    Es bräuchte den Manager und Journalisten Jan Böhmermann an leitender Funktion im ARD-Programm, um die auf Quote und auf politischen Proporz getrimmte ARD aus ihrer Lethargie zu holen.



    Das Wort beim Zukunftsrat führt die ehemalige Managerin von Gruner und Jahr, Jäckel, einem Verlag, der nach ihrem Abgang in Grund und Boden gewirtschaftet wurde.

    Bei all den neuen Ideen des Zukunftsrates blieben die Ansichten und Ideen der Gebührenzahler außen vor. Was spricht dagegen, vom Arbeiter bis zum Unternehmer, die Gebührenzahler bei der Neuausrichtung stark miteinzubeziehen, zumal das Regionale die Berichterstattung prägen soll?



    Doch diese ist, was Provinzialität angeht, zurzeit kaum zu überbieten. Und das soll der neue Kern der ARD sein?



    Kleine geniale Nischen wie Quer im Bayrischen Rundfunk haben keine Chance ins ARD Hauptprogramm zu kommen. Denn Kultur gilt dort gar nichts, obwohl sie laut Zukunftsrat zur besten Sendezeit ins Hauptprogramm gehört.



    Im Bayrischen Rundfunk wird sie gerade im Bereich des Hörfunks von einem ehemaligen aalglatten NDR-Journalisten auf Quote getrimmt und abgewickelt. Gut für seine Karriere.

    Die Fragen der Journalisten auf der Pressekonferenz waren leidenschaftslos, wenig analytisch, unkrititisch und devot, wenn sie von Vertretern des ÖRR kamen.

    Wo soll da eine neue Zukunft für den ÖRR und Gebührenzahler herkommen?

    • @Lindenberg:

      "Bei all den neuen Ideen des Zukunftsrates blieben die Ansichten und Ideen der Gebührenzahler außen vor. Was spricht dagegen, vom Arbeiter bis zum Unternehmer, die Gebührenzahler bei der Neuausrichtung stark miteinzubeziehen, zumal das Regionale die Berichterstattung prägen soll?"

      ---------------

      Weil der Gebührenzahler dann Einblicke in das System ÖRR erhält, die er nicht erhalten soll. Es ist eine Sache die öffentlichen Jahresbilanzen der Sender zu studieren. Es ist eine ganz andere Sache zB. Einblick in die Verhandlungspapiere zwischen den Sendeanstalten und der KEF zu erhalten, wenn es um die Festlegungen der finanziellen Bedarfe geht. Die sind nicht ohne Grund als vertraulich deklariert und stehen nur den Entscheidungsgremien zur Verfügung.



      Mehr als ein paar kleine kosmetische Eingriffe darf es nicht geben, das Hauptziel ist es den stetigen Finanzfluss und die Posten zu sichern. Und dieses Ziel wurde erreicht. Alles Andere ist unwichtig.

      • @SeppW:

        Sie haben Recht, was die KEF angeht.

        Miosga, Will und Consorten erhalten für ihre Talkshows riesige Honorrare, die sie nach wenigen Jahren zu Einkommensmillionären machen. Warum diese Konstruktion?



        Warum arbeiten diese bekannten Journalisten nicht als Angestellte in den jeweiligen Sendern, um Teil der vom Zukunftsrat viel beschworenen Unternehmenskultur zu sein?



        Diese wird stark von den Parteien geprägt, denn sie entscheiden in den Rundfunkräten, wer in den Sendern Karriere macht.



        Selten, dass ein Rundfunkrat mal Courage zeigt, wie Jessica Kourdoni beim NDR, der AFD-Mitglieder zum Besuch in seinem Hamburger Sender empfing, obwohl Mitarbeiter und Verdi dagegen demonstriert hatten.

        Kourdani bemängelte im NDR-Rundfunkrat, dass der NDR, der sich so aufgeschlossen gegenüber AFD-Besuchen im Hamburger Funkhaus zeigte, in der Tagesschau große Antifa-Demonstrationen im Gegensatz zu Bauernprotesten in der Berichterstattung marginalisierte.

        Erst als die couragierte Rundfunkrätin Kourdoni im NDR-Rundfunkrat intervenierte, gab die Tagesschau zu, unausgewogen über die Antifa-Demonstrationen berichtet zu haben.

        AFD-Besuche beim NDR und kurze Zeit später unausgewogene Berichterstattung der Tagesschau (NDR ist zuständig) über große Antifa-Demonstrationen in ganz Deutschland, wie passt das zusammen?

  • Summa summarum : Es ändert sich nichts, die Grundprobleme des viel zu aufgeplusterten und viel zu kostspieligem ÖRR bleiben. Mit dem roten Vetternwirtschaftsepizentrum Malu Dreyer.

    Gruselig.

  • So langsam läuft die Zeit der ÖR aus. Ich als 62-jähriger schaue schon seit jahren kein lineares TV mehr, sondern wähle aus dem Angebot der Streaminganbieter + ein bischen ÖR (3. Programme)

    Schaut man sich ARD, ZDF mal an, so ist es schon sehr fragwürdig, was da angeboten wird.



    Mr. Silbereisen-Shows im Dutzend



    ständige Wiederholungen (Gruß an den HR)



    2.Weltkriegs und Adolffantasien auf ZDF_Info

    Achja - ich vergass die Bedienungs-und Inhaltsvollkatastrophen "Mediathek"

    Über den Daumen gepeilt schaue ich vielleicht noch 30% ÖR, der Rest alles Streamingmixe.



    ÖR - es wird Zeit, zu gehen...

    • @Juhmandra:

      "



      2.Weltkriegs und Adolffantasien auf ZDF_Info"

      ---------------

      Die bzgl. Qualität durchgehend maximal die Note "Ausreichend" bekommen und nicht mal selbst produziert wurden. Wobei man ehrlich sein muss das bei Eigenproduktionen die Qualität auch nicht besser ist.

      Im Bereich Dokumentation kann nur noch ARTE (gut das die Franzosen mitmachen, sonst wäre es ZDF-Niveau) und mit Abschlägen 3sat, HR und BR empfohlen werden.

      • @SeppW:

        Die Verfilmung des Buchs der Schwarm beim ZDF ist komplett gescheitert. Es wurden Millionen Euro für die teuerste TV-Produktion versenkt, weil der Mut für ein gutes Drehbuch fehlte und Trivialität der größte gemeinsame Nenner war.

        Oftmals ist das auch bei großen TV-Filmen in der ARD der Fall, wo es nicht um gute Qualität, also Kunst geht, sondern um den kleinsten gemeinsamen Nenner die Quote und die Absicherung innerhalb der eigenen Hierarchie. Dies erzeugt Angsthasenmentalität. Das Produktionsgebilde der ARD, Degeto, muss komplett abgewickelt werden, wenn sich etwas zum Besseren wenden soll. Man braucht nur in den Abspann zu schauen, wenn man das Gefühl bekommt, dass ein Film schlecht ist, meist steht dann dort Degeto.



        Hier hilft nur noch die Zerstörung mit einem kompletten Neuaufbau, damit Besseres entstehen kann.

      • @SeppW:

        Ja, es ist wirklich ein Trauerspiel, wie klar Arte die gesamte ARD und das ZDF bei der Qualität in der Produktion von TV-Dokumentationen distanziert. Da das keinen Programmverantwortlichen bei ARD und ZDF zu stören scheint, müssten die Sender vom Kopf auf die Füsse gestellt werden. Doch wo sollen Mut und Innovation bei der Belegschaft herkommen, wenn die auf Hierarchie getrimmte neue Leitungssebene bei ARD und ZDF gleichzeitig viel Personal abbauen soll?

        • @Lindenberg:

          Der Blogger Hadmut Danisch hat im Zuge seiner Anhörung im sächsischen Landtag über den Zustand des ÖRR ein Gutachten erstellt. Sehr lesenswert und es zeigt grundsätzliche Fehler auf, auch im Vergleich mit anderen öffentlichen Sendeanstalten (England, Australien etc.)

          www.danisch.de/blo...gnahme_Danisch.pdf