Zukunft des Skiports: Plan B für die Freiheit

Der Winter liefert absurde Bilder von Kunstschneepisten. Wintersportorte setzen weiter auf technische Beschneiung – trotz Alternativen.

Ein beschneiter Rodelhand auf grüner Wiese

Rodel gut dank Schneekanonen: Kunstschneehang in Garmisch-Partenkirchen Foto: Angelika Warmuth/dpa

Es geht um Freiheit. Natürlich. Eine Nummer kleiner geht es in dieser aufgeregten Zeit nicht. Fast scheint es, als gäbe es ein Grundrecht aufs Skifahren in den bayerischen Bergen. So hört es sich an, wenn Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger über den Wintersport redet. Dieses Grundrecht ist bedroht. Durch den Klimawandel, klar. Aber auch durch all jene, die eine künstliche Beschneiung von Pisten auch wegen des dafür benötigten Energieaufwands ablehnen. Gäbe es keinen Kunstschnee, das Land hätte sich längst an Bilder von grünen Hängen unter stillstehenden Liftanlagen gewöhnt.

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Solche kommen in diesem milden Winter auch aus Skigebieten, die den Klimawandel schon seit Jahren vor allem mit Schneekanonen bekämpfen. Es ist zu warm für die Schneeproduktion gewesen. Und es regnet zu viel, so dass der schon produzierte Schnee noch schneller zu Wasser wird. „Wir haben den Kampf gegen das Wetter verloren“, sagte Martina Betz, die Chefin des Organisationsteams der Weltcup-Rennen in Garmisch-Partenkirchen, als sie die Absage einer für Ende des Monats geplanten Abfahrt und eines Riesenslaloms verkünden musste. Die Diskussion über die Zukunft des alpinen Skisports in Zeiten der Erderhitzung läuft auf Hochtouren.

„Bei uns geht ja zurzeit gar nichts“, meint Xaver Drexler, der Vorsitzende des SC Bodenmais im Bayerischen Wald. Der Skibetrieb am Großen Arber ist in dieser Saison noch gar nicht aufgenommen worden. Er kann sich erinnern, dass es das schon einmal gegeben hat. In den 80er Jahren habe es einen milden Winter gegeben. Das war vor der Ära der künstlichen Beschneiung. Bis ins Tal abfahren, das war nicht immer möglich.

„Aber dass oben nichts geht, das ist schon neu“, meint Drexler. Oben, das ist auf etwa 1.400 Metern Höhe am Großen Arber, dem höchsten Berg des Bayerischen Waldes. Für ein Mittelgebirge gilt der Arber als überaus schneesicher. Die Tourismusorte wie Bodenmais werben sogar mit der Schneesicherheit. Doch in diesem Winter sind auch die sonst so beliebten Höhenrouten für Langläufer am Bretterschachten nicht gespurt. Zu warm, zu regnerisch.

Für den Skiclub, der die Chamer Hütte im Arbergebiet betreibt und einen Teil seiner Einnahmen durch die Bewirtschaftung erzielt, wird sich der milde Winter auch im Jahresabschluss negativ bemerkbar machen. Bis dato war das Ende des Skiports noch kein Thema im Osten Bayerns. Die Jugend in der Region habe sich keineswegs von den Brettern verabschiedet. Immer mehr junge Leute würden sich für das Tourengehen begeistern, so Drexler, für das Aufsteigen ohne Liftanlage und das Abfahren auf nicht präparierten Pisten.

Das geht schon gar nicht in diesem schneearmen Winter. Und jetzt? „Wir machen Training in der Sporthalle“, sagt Drexler. „Aber das ist natürlich kein Ersatz.“ Anfang Januar habe man einen Bus gemietet und sei mit Klubmitgliedern nach Österreich gefahren, „damit sie wieder mal echten Schnee spüren“, wie Drexler sagt.

Hundertprozentige Kunstschneesicherheit

Die Tagestour ging nach Flachau im Salzburger Land. Dort hat man den milden Winter gut im Griff. „Snow Space Salzburg“ nennt sich das riesige Skigebiet mit 120 Pistenkilometern, die von 45 Seilbahnanlagen bedient werden. Auch Flachau wirbt mit Schneesicherheit. Die wird vor allem mit Kunstschnee erreicht. Die Pisten können zu 100 Prozent technisch beschneit werden.

Und das bald auch noch völlig klimaneutral, so die Behauptung. Bis zur Wintersaison 2025/26 soll die Klimaneutralität erreicht werden. Durch den Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien und Ausgleichsmaßnahmen. „In weiterer Folge möchten wir durch unsere Aktivitäten im Rahmen des ökologischen Skigebietsmanagements sogar mehr CO2 binden, als wir durch unseren Seilbahn- und Pistenbetrieb freisetzen“, heißt es auf der Website des Snow Space.

Wenn sich Wintersportorte klimaneutral rechnen, klammern sie den durch die Anreise der Ausflügler und Urlauber entstehenden CO2-Ausstoß tunlichst aus. Dabei ist der Anreiseverkehr zu 75 Prozent für die Treibhausgase des Wintersporttourismus verantwortlich, wie der Bund Naturschutz in Bayern mal ausgerechnet hat.

Eibne beschneite Piste in grüner Umbegung

Geht doch! Skirennfahrer inspizieren die Piste in Garmisch-Partenkirchen vor einem Weltcup-Slalom Foto: Alessandro Trovati/ap

Das Skigebiet von Ischgl in Tirol rechnet sich die Welt besonders schön. Ausgerechnet die Après-Ski-Hölle mit ihren wilden Partys, wahlweise das Ibiza der Alpen oder der Ballermann in den Bergen genannt, pappt sich schon heute das Label „klimaneutral“ an. Die Therme am Ort wird mit Erdwärme betrieben, es gibt Solar- und Wärmerückgewinnungsanlagen, Pistenraupen mit Hybridantrieb und Aufforstungsprojekte sowohl in der Region als auch in Peru.

Und weil es mittlerweile auch bewährte Technologien gibt, mit denen sich Schnee auch bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt herstellen lässt, macht man sich in Tirol erst mal keine Gedanken über ein Ende des Wintersports, wie wir ihn kennen.

Klimaneutral Ski fahren am Roten Meer

Wer diesen Ansatz für zukunftsträchtig hält, kann auch nicht viel gegen ein Wintersportresort in Saudi-Arabien einwenden. Groß war der Aufschrei, als vor ein paar Wochen vermeldet wurde, dass der erst noch zu errichtende Ort Trojena, 40 Kilometer von der saudischen Küste des Roten Meers entfernt, den Zuschlag für die Ausrichtung Asiatischer Winterspiele 2029 erhalten hat.

Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, dass dort auch mal Weltcuprennen stattfinden könnten, meinte der Präsident des Internationalen Skiverbands Johan Eliasch: „Wenn Saudi-Arabien das klimaneutral schafft – warum nicht?“ Eliasch ist als Vorstandsvorsitzender des Wintersportausrüsters Head Protagonist der Skiindustrie, die für das weitere Wachstum der Branche steht. Schneesicherheit ist da ein rein technisches Problem. Ein Umdenken gibt es in der Branche erst mal nicht.

Geht es also einfach immer weiter? Auch hierzulande? Werden auch weiterhin Beschneiungsanlagen mit Fördergeldern aus dem bayerischen Haushalt installiert, so wie es Hubert Aiwanger möchte? Oder gibt es einen anderen Weg? „Ich habe jetzt auch schon Leute wandern sehen“, sagt Xaver Drexler vom SC Bodenmais auf die Frage, was denn nun die Urlauber machen in diesem schneearmen Winter. So etwas habe es früher um diese Zeit nicht gegeben. So einfach kann es sein.

Michael Pröttel spricht von einem Plan B, den man im besten Fall mitbringen soll, wenn man in die Berge geht. „Wenn eine Skitour nicht klappt, weil die Lawinengefahr zu groß ist, dann kann man vielleicht eine Schneeschuhwanderung machen“, sagt er. Skifahren um jeden Preis ist seine Sache nicht. Pröttel ist der Vorsitzende von Mountain Wilderness Deutschland.

„Friede den Bergen!“

Kurz vor Weihnachten haben Ak­ti­vis­t:in­nen des Naturschutzvereins in Garmisch-Partenkirchen gegen die großflächige Beschneiung der Abfahrten protestiert. In der Nacht wurde ein großes Peace-Zeichen auf die Piste gemalt. „Friede den Bergen, sollte das heißen“, sagt Pröttel. Unten an der Talstation der Hausbergbahn wurde ein Transparent hochgehalten: „Energie verpulvern – ohne uns!“, stand darauf. Es war richtig kalt an diesem Tag. Ein paar Tage später wurde es warm. Es regnete in Strömen. Nun ist der Großteil des Schnees weg. Was für eine Verschwendung! „Unmoralisch“ sei das in Zeiten, in denen die Bevölkerung zum Energiesparen aufgerufen wird, sagen die Aktivist:innen.

Beliebt gemacht haben sie sich nicht bei den Skifahrern mit ihrem Gewissensappell, sagt Pröttel und ist doch zufrieden mit der Aktion, die für viel Aufmerksamkeit gesorgt hat. Ob er sich wohlfühlt in der Rolle des Spielverderbers? Pröttel widerspricht. Die Leute von Mountain Wilderness würden niemandem abraten vom Ausflug in die Berge.

Er erinnert an die Gründer der international agierenden Organisation. Einer von ihnen ist Reinhold Messner, der Extrembergsteiger. Zu Beginn, in den 1980er Jahren, ging es darum, dass der Müll, der bei einer großen Expedition entsteht, auch wieder zurück ins Tal genommen wird. Dann erweiterte sich der Aktionsradius. Nun geht es darum, die weitere Erschließung der Berge durch die Freizeitindustrie zu bremsen.

Es geht um Respekt der Natur gegenüber. Klettersteige, die Felswände zu reinen Sportgeräten unter freiem Himmel machen, werden ebenso kritisiert wie Funparks in Hochtälern und auf Almen, wo mit riesigen Rutschen, Schaukeln und Abenteuerspielplätzen Familien angelockt werden sollen.

Pröttel zählt erstaunliche Erfolge der kritischen Alpenfreunde auf. Ein geplanter Gaudiparcours mit dem Namen Gamspark am Sudelfeld über Bayrischzell wird nach Protesten nun doch nicht errichtet und die Erschließung des Riedberger Horns im Allgäu für den Wintersport ist auch gestoppt worden. Soll man also gar nicht mehr Ski fahren? Von wegen. Pröttel erzählt von Ausflügen zur Kampenwand im Chiemgau.

Da gibt es keine Schneekanonen. Wenn es genug geschneit hat, kann man mit einem alten Einersessellift Höhenmeter überwinden. Skifahren ohne Remmidemmi. Ideen für winterlichen Sport in den Bergen hat Mountain Wilderness in einer Broschüre zusammengefasst. „Wilde Winter“ heißt sie. Sie lädt ein, in die Berge zu fahren. „Wir sind die Letzten, die jemanden aussperren möchten“, sagt Pröttel.

Und wenn es nicht schneit? Pröttel, selbst zertifizier Bergführer, hat in diesem Winter auch schon die Wanderschuhe geschnürt. Plan B eben. Freiheitsberaubung sieht wirklich anders aus.

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