piwik no script img

Zukunft der US-AußenpolitikRussische „Koalition der Willigen“?

Russland macht dem neuen US-Außenminister Rex Tillerson Avancen. Der müsste aber erst die Sanktionen lockern oder aufheben.

Man kennt sich: Rex Tillerson zu Gast bei Vladimir Putin Foto: reuters

Berlin taz | Wie lange gibt es noch Sanktionen des Westens gegen Russland aufgrund der Annexion der Krim? Wenn der US-Senat kommende Woche aller Voraussicht nach Rex Tillerson als US-Außenminister bestätigt, steht ein Mann mit ambivalenter Vergangenheit an der Spitze des State Department: Bis vor Kurzem war Tillerson Chef des Öl- und Gaskonzerns ExxonMobil und hat sich als solcher immer wieder gegen Sanktionen ausgesprochen.

Russland jedenfalls setzt auf den neuen Mann – und sucht den Kontakt zu europäischen Medien, um zu erklären, warum. Inoffizieller Botschafter ist Igor Jusufow, ehemaliger Chef des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft, ehemaliger Energieminister und später Energiebotschafter unter Wladimir Putin. Jusufow war Gast bei Donald Trumps Amtseinführung in ­Washington und bot meh­reren europäischen Medien, unter anderem der taz, Interviews an.

„Wir können eine Zusammenarbeit in der Produktion und Vermarktung von Energiewaren zu einem globalen Erfolg führen“, schreibt Jusufow der taz in einem E-Mail-Interview. Sobald die amerikanische Regierung allerlei Fragen geschäftlich angehe, könne es neue Wege für eine Zusammenarbeit geben. ­Jusufow betreibt seit 2011 seine eigene Firma im Öl- und Gas­sektor und bekleidet kein offizielles Amt in Moskau mehr – dennoch würden seine Aussagen durchaus mit der Haltung des Kreml zusammenfallen, behauptet er.

Jusufow schlägt einen russisch-amerikanischen Energiedialog vor – das gab es unter George W. Bush und Wladimir Putin bereits 2002 und 2003. Dieses Mal solle es sich, das betont er, um einen Wirtschaftsgipfel handeln. „Die Zusammenarbeit mit Europa ist uns dabei sehr wichtig“, sagt Jusufow. „An dem runden Tisch ist Platz für die deutschen, italienischen, französischen und englischen Unternehmen.“ Eine Art „Koalition der Willigen“? „Ein sehr guter Begriff“, findet Jusufow.

Die Sprache, die Trump versteht

Jusufow und Russland locken also mit Geschäften – die Sprache, die Trump versteht. Darauf eingehen kann er aber nur, wenn die USA die Sank­tio­nen gegen Russland lockern oder aufheben. „Wenn es positive Signale aus Washington geben wird, bin ich sicher, dass sich Berlin und Brüssel an eine Revision des heutigen Zustandes wagen“, glaubt Jusufow mit Hinblick auf die Sanktionen. Das dürfte vor allem dann zutreffen, wenn einzelne EU-Staaten ebenfalls aus der Sanktionsfront ausbrechen.

Vieles hängt davon ab, ob Tillerson als Außenminister weiterhin die Geschäftsinteressen von ExxonMobil vertritt. Der Konzern betreibt gemeinsam mit Rosneft das Öl- und Gasfeld Sachalin I ganz im Osten Russlands. Den 17-Milliarden-Dollar-Deal hatte Tillerson 1997 selbst ausgehandelt. 2017 und 2018 soll das Feld weiter ausgebaut werden.

Wegen Tillersons Berufung gab es in Washington einige Differenzen. Zwar erteilte die republikanische Mehrheit im Kongress trotz anfänglicher Skepsis ihre Zustimmung. Ein Grund war, dass Tillerson in einer Anhörung im Senat kritischere Töne gegenüber Russland fand als Trump. Im US-Außenministerium schmissen jedoch vier Top-Beamte nach einem Treffen ihren Job hin – oder wurden entlassen, je nachdem, wem man glaubt. Die Washington Post beschrieb ihren Abgang als größten Verlust institutionellen Wissens im State Department seit Jahrzehnten.

Der neue deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) ließ erklären, er wolle Tillerson „so schnell wie möglich“ treffen. Berichte über eine Reise in die USA schon nächste Woche wurden jedoch nicht bestätigt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Im US-Außenministerium schmissen jedoch vier Top-Beamte nach einem Treffen ihren Job hin – oder wurden entlassen, je nachdem, wem man glaubt."

     

    ... das ist tatsächlich eine knifflige Frage. Alle vier haben wohl vor Trumps Amtseintritt ihre Kündigung angeboten. Aber das scheint Usus zu sein und die Kündigung wird bei administrativen Posten häufig nicht angenommen.

    Trump scheint jedoch das State Department "säubern" zu wollen. P.F. Kennedy zum Beispiel, einer der vier und Diplomat seit 1973, wird für die mangelhafte Sicherheit der US-Diplomaten während der Bengasi-Attacke 2012 verantwortlich gemacht und versuchte über das FBI Teile der Clinton-Mails dem öffentlichen Zugriff zu entziehen.

     

    Oh, bevor ich es vergesse. Der Säuberung fiel leider auch Vicky ("fuck the EU") Nuland zum Opfer. Wieder ein schöner Tag am Fluß :)