Zukunft der Linkspartei: Caren Lay tritt an
Die wohnungspolitische Sprecherin der Linken will Sahra Wagenknecht als Ko-Fraktionschefin nachfolgen. Am 12. November wird die neue Spitze gewählt.
„Wir brauchen ein starkes Zentrum und strömungsübergreifende Zusammenarbeit“, sagte Lay am Mittwoch gegenüber den Medien in Berlin. „Erwerbslose und Beschäftigte können sich keine zerstrittene Linke leisten.“ Sie stehe für eine „Kultur der Anerkennung“ und der „Wertschätzung“ der Arbeit der 69 Abgeordneten. Wagenknecht stand fraktionsintern in der Kritik, weil sie zwar zahlreiche öffentliche Auftritte absolviert, die eigentliche Fraktionsarbeit aber vernachlässigt hatte.
Lay wurde im rheinland-pfälzischen Neuwied geboren, studierte in Marburg, Frankfurt am Main und Berlin. 2000 ging sie als Mitarbeiterin zur PDS-Fraktion nach Sachsen, war kurzzeitig Redenschreiberin für die grüne Bundesministerin Renate Künast, ehe sie 2004 als PDS-Abgeordnete wieder nach Sachsen zog.
Von 2010 bis 2012 arbeitete sie als Bundesgeschäftsführerin, ein Jahr hatte sie ein Mandat im Bundestag angetreten. Seitdem hat sie sich in der Mietenpolitik einen Namen gemacht und das Thema sowohl in ihrer Partei auf die Tagesordnung gesetzt als auch Verbindung mit Basisgruppen geschaffen.
Lay könnte den inoffiziellen Anforderungen ihrer Fraktion an eine Ost-West-Quotierung genügen, auch wenn sie nicht im Osten aufgewachsen ist. Die Noch-Fraktionsvorsitzende Wagenknecht war den umgekehrten Weg gegangen: Sie wuchs im Osten auf, ging in den Westen und kandidierte für den Landesverband NRW.
Ob ihre Wahl die persönlich wie politisch zerstrittene Fraktion einen könnte, ist schwieriger zu beantworten. „Es gibt bisher eine positive Resonanz auf meine Kandidatur, insbesondere aus der Mitte der Fraktion“, sagte Lay, die als Vertraute von Parteichefin Katja Kipping gilt.
Was wird mit den Wagenknechtianern?
Ihre Wahl würde das sogenannte Hufeisenbündnis zwischen den Parteilinken um Wagenknecht und den Ost-Pragmatikern um Fraktionschef Dietmar Bartsch sprengen. Während Bartsch auf dem Männerplatz in der Fraktionsspitze als gesetzt gilt, ist auf Seiten der Wagenknecht-Linken für den Frauenplatz bisher keine konsensfähige Kandidatin in Sicht.
Verkompliziert wird die Situation, weil im Juni 2020 in Erfurt auch die reguläre Neuwahl des Parteivorstands ansteht. Katja Kipping und ihr Ko-Vorsitzender Bernd Riexinger könnten nach acht Jahren Amtszeit nur mit einem Ausnahmebeschluss noch einmal antreten. Eine Paketlösung, die sowohl Fraktion als auch Vorstand so verhandelt, dass alle Strömungen berücksichtigt sind, wird es aber nicht geben.
Am Ende könnten einige Strömungen leer ausgehen. Dies gilt insbesondere für die informell organisierte Wagenknecht-Linke, die nach dem Rückzug ihrer Galionsfigur deutlich geschwächt ist. Ihr Vertrauter Fabio de Masi, der als Vorstandskandidat gehandelt wird, war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Wagenknecht hatte schon im März aus gesundheitlichen Gründen angekündigt, bei der Neuwahl der Fraktionsspitze nicht mehr zu kandidieren. Das Wagenknecht- und Kipping-Lager hatten sich über die Haltung der Linken zur Migrationspolitik monatelang Auseinandersetzungen geliefert. Im Hintergrund stand die Frage, ob sich die Linke mehr auf die akademische, junge Wählerschicht konzentrieren sollte, um die auch die Grünen werben, oder auf die Arbeitermilieus, die vor allem im Osten zur AfD abwandern.
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