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Zukunft der Klimaforschung„Das Zwei-Grad-Ziel ist nicht haltbar“

Oliver Geden über das Scheitern der Staatengemeinschaft in der Klimapolitik – und warum es falsch ist, Höchstgrenzen festzuschreiben.

Die Erwartungen den Realitäten anpassen: Klimaziele sind wohl nicht einzuhalten Bild: dapd
Interview von Martin Reeh und Martin Reeh

taz: Herr Geden, wir ökologisch orientierten Deutschen haben einen schönen Traum. Wir starten mit der Energiewende, die Welt wird uns folgen und unsere Produkte kaufen – und dann ist die Gefahr des Klimawandels gebannt. Sie glauben nicht, dass es so kommen wird. Warum?

Oliver Geden: Es kann sogar sein, dass es funktioniert. Wir zeigen, was geht, andere folgen – eine Bewegung von unten für weniger Kohlendioxid und mehr Erneuerbare setzt sich durch. Aber das wird nicht reichen, die Ziele der internationalen Klimapolitik einzuhalten. Um die zu erreichen, müssten alle, inklusive der Schwellenländer, schon innerhalb der nächsten Jahre den Umschwung einleiten. Und das ist nicht realistisch.

Sie sorgen bei Klimaforschern für Unruhe mit der Forderung, das Zwei-Grad-Ziel als verkraftbare Grenze der Erderwärmung endlich aufzugeben, weil es ohnehin nicht erreicht werden wird. Ist das nicht Defätismus?

Es ist zunächst einmal nur der Wunsch nach mehr Realismus. Alle halten an einem Ziel fest, von dem auch viele, die davon nicht lassen wollen, wissen, dass es höchstwahrscheinlich nicht erreicht werden kann. Aber sie verhalten sich wie in Tarifverhandlungen – und fordern möglichst hohe Ziele, um wenigstens etwas zu bekommen. Die Vorstellung von 2 Grad als Grenze, nach der die Katastrophe kommt, ist aber wissenschaftlich nicht haltbar.

Macht es nicht Sinn, Klimaverhandlungen so zu führen, weil sich nur dann etwas erreichen lässt?

Vielleicht. Aber dann dürfte man nicht das Zwei-Grad-Ziel mit sehr vielen Studien wissenschaftlich zu untermauern versuchen. Damit nimmt man sich die Möglichkeit, sich später mit weniger zufriedenzugeben. Wissenschaft verspielt ihren Ruf, wenn sie ihre eigenen Studien als Beiträge zu Tarifverhandlungen begreift.

Oliver Geden

geboren 1971, ist Experte für Energie- und Klimapolitik der EU bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Dort veröffentlichte er zuletzt die Studie „Die Modifikation des 2-Grad-Ziels“ (2012).

Sie werfen der Klimaforschung wissenschaftliche Unredlichkeit vor?

Nicht der Klimaforschung, sondern der klimawissenschaftlichen Politikberatung. Die hat das Zwei-Grad-Ziel für sakrosankt erklärt. Und wenn man daran rüttelt, wird man als Klimaskeptiker eingestuft oder beschuldigt, man habe den Kampf gegen den Klimawandel aufgegeben. In der Wissenschaftsgemeinde gibt es auch erhebliche Kritik am Zwei-Grad-Ziel. Aber die Klimaforscher, die im öffentlichen Diskurs am präsentesten sind …

also das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, das PIK, etwa …

… ich will nicht ganze Forschungsinstitute kritisieren, weil es dort immer eine größere Bandbreite an Positionen gibt, als es von außen wahrgenommen wird. In Deutschland ist nicht das PIK entscheidend, sondern der WBGU, der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, der sich zugutehält, das Zwei-Grad-Ziel erfunden zu haben. Wenn er es aufgäbe, müsste er eine politische Position räumen, die er sich selbst erobert hat.

Sie fordern mehr Pragmatismus …

Ja, der fehlt mir in der jetzigen Debatte. Klimapolitik funktioniert momentan als Entweder-Oder: Entweder wir halten die 2 Grad, oder die Katastrophe geschieht. Mein Ansatz ist: Es gibt auch einen Raum dazwischen – und es ist besser, wir erreichen 2,5 Grad oder 3 als 4, 5 oder 6.

Was wäre denn die Alternative zum Zwei-Grad-Ziel? Das sogenannte Overshooting, also das zeitweise Überschreiten der Erwärmung um mehr als 2 Grad, um später auf die 2 Grad zurückzukehren?

Die Politik wird so mit dem Problem umgehen. Das Zwei-Grad-Ziel hätte dann den Status eines erkennbar politischen Ziels wie die Drei-Prozent-Neuverschuldungsgrenze im Maastricht-Vertrag. Alle sind sich einig, dass das irgendwann erreicht werden soll – aber jeder Regierung wird immer ein Grund einfallen, warum es gerade jetzt nicht geht. Sondern vielleicht erst in fünf oder zehn Jahren. Dann ist das Ziel aufgeweicht, man erspart sich aber den Gesichtsverlust, es formell aufzugeben.

Und was wäre Ihr Vorschlag?

Dass die Politik gar keine globale Obergrenze festlegt. Nicht weil ich sagen würde, es ist egal, wie die Temperatur steigt, sondern weil man mit einer Obergrenze die Illusion erzeugt, die Weltgemeinschaft könnte und würde dieses Ziel auch tatsächlich umsetzen. Wir müssen weg von der Fixierung auf wohlklingende Ziele, die Staaten sollten sich stattdessen sofort auf konkrete Maßnahmen einigen. Zumindest die deutsche Politik geht mit Bundesumweltminister Peter Altmaier vorsichtig in diese Richtung. Sie will Bündnisse mit fortschrittlichen Staaten schließen, die sich miteinander auch auf zusätzliche Maßnahmen einigen.

Also noch mehr Konferenzen?

Das könnte auch auf den G-20-Gipfeln beschlossen werden. Die Staaten sind für 75 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Wenn sie sich nicht auf solche Maßnahmen einigen können, wissen wir auch, wo wir stehen.

Bleibt die entscheidende Frage: Warum sollten China und die USA dort verbindlichen Verträgen zustimmen, obwohl sie es auf den Klimakonferenzen nicht getan haben?

Es wäre natürlich besser, wenn es gelänge, sich mit allen auf gemeinsame Regeln zu verständigen, aber es ist nicht unbedingt notwendig, um die Emissionen zu mindern. Der wahrscheinlichere Weg ist, dass Vorreiterstaaten beweisen müssen, dass solche Maßnahmen auch jetzt schon technisch möglich und ökonomisch sinnvoll sind – und dann werden China und die USA folgen, auch ohne Weltklimavertrag. Um zum Anfang zurückzukommen: Die deutsche Energiewende kann dafür natürlich Vorbild sein, wenn sie gelingt.

Ende November beginnt die Klimakonferenz in Doha. Was ist Ihre Prognose zum Ausgang?

Gemessen an der Problematik wird ihr Ergebnis minimal sein. Möglicherweise kommt es dort zu einer Einigung über ein Kioto-2-Abkommen zum Klimaschutz. Aber die Staaten, die sich daran beteiligen werden, sind nur für 15 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich.

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7 Kommentare

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  • UH
    Udo Henn

    Wenn man mal den bisherigen Klimatrend linear fortschreibt(knapp 1 Grad in 120 Jahren), dann werden die 2 Grad etwa im Jahr 2130 erreicht. Das sollte doch genug Zeit sein, um sich auf evtl. Auswirkungen durch Umsiedlungen, Deichbauten, etc. vorzubereiten.

    Durch mehr oder weniger CO2 wird dieser Trend, wie immer er sich in Zukunft entwickelt, jedenfalls nicht beeinflusst, deshalb kann man ihn auch nicht beschliessen oder Ziele festlegen.

  • N
    noevil

    ..und wer misst die Anreicherung der Atmosphäre durch Methan?

    CO2 ist für uns Menschen gefährlich, aber nicht für die Natur. Methan aber für alle.

  • F
    facepalm

    Ach, Rudi, die Mär vom Climate-Gate-Gate: Das Versagen der Medien, einen von falschen Skeptikern fabrizierten Skandal aus selektiv zitierten emails als solchen zu erkennen. Über die haltlosen Anwürfe wurde groß berichtet, über die folgenden Freisprüche bei Allen(!) Untersuchungen kaum.

    http://www.taz.de/SEO/!82647/

     

    Die Erde kühlt sich nicht ab - vor allem die Ozeane nehmen immer mehr Energie auf.

    http://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-die-erde-kuehlt-sich-schon-wieder-ab

  • O
    Ott-one

    Leider kann keiner voraussagen, ob oder wann es eine Klimakatastrophe geben wird. Wenn ja, dann ist alles zu spät. Also muß was getan werden, ohne politischer und lobbyistischer Einflußnahme.

    Wenn hier von jemand geschrieben wird, von einer Co2 Mär und von einer Abkühlung , da kann ich nur darauf antworten, wenn die Polkappen abschmilzen, sie schmilzen gerade ab, durch die Erwärmung, wird automatisch der Golfstrom kälter. Ist doch logisch? Somit wird unser Klima im Moment kälter.

  • R
    Rudi

    Die antropogene-Global-Erwärumung-durch-Co2-Mär ist doch seit Climategate schon längst Geschichte. Das merken auch diejenigen Klima"wissenschaftler" so langsam, welche immer für Alarmismus-Aktionismus waren. Deshalb kommt bei diesen Konferenzen nix mehr rum. Das Thema ist durch, zudem wir eine Abkühlung haben, die man auch nicht erklären kann und so gar nicht ins Dogma passt.

  • H
    horst

    es wäre auch mal nett, wenn die taz ganz eingach mal die inhaltliche wissenschaftliche diskussion darstellen würde.

     

    klimaskeptiker und gläubige eines anthropogenen klimawandels streiten sich eigentlich darüber, ob der mensch nun zu 30% (Skeptiker) oder zu 70% für den klimawandel verantwortlich ist.

     

    dass CO2 bei diesen maximal 70% auch nur ein teil ist, müsste auch mal gesagt werden.

     

    wichtiger sind vor allem funktionierende ökosysteme. und die werden eben nur zu einem kleinen teil vom klimawandel zerstört.

     

    in erster linie zerstören wir unsere erde durch roden, betonieren und industrielle landwirtschaft.

     

    co2 ist ein großes problem, aber nicht das für unseren planeten größte. die klimaerwärmung (zerstörung der atmosphäre) geht schleichend. die zerstörung der biosphäre geht im moment RASEND!

     

    nur mal so nebenbei: wir betonieren allein in deutschland tagtäglich 70 hektar Land, das entspricht 80 fußballfeldern. im jahr ist das knapp die hälfte vom bodensee.

     

    da ist es völlig wurst, ob auf dem teer am ende elektroautos oder benziner fahren, wenn unter dem teer die letzten wilden orchideen gestorben sind und auf dem teer die letzten feldhasen sterben.

  • TL
    Tim Leuther

    Wissenschaftler sind der Wahrheit verpflichtet, und keine Partei in der Tarifverhandlung. Wenn Sie sich so verstehen sind Sie keine WISSEN-SCHAFFT ler sondern Lügner und Betrüger. Die Unwahrheit, schönung der Wahrheit ist keine Taktik wie vielleicht bei Tarifverhandlungen.

     

    Sollte es stimmen das systematisch manipuliert wird, wie es hier antönt, dann ist das hochdumm. Dann wird sich keiner mehr um CO2 scheren, schon gar nicht die Großimmitenten wie China und USA. Die EU spielt hier ja gar nicht mehr so eine wichtige rolle.