Zuckerfest in Berlin: Solidarität in schwierigen, rechten Zeiten
Im Islamischen Kulturzentrums der Bosniaken (IKB) wird das Zuckerfest gefeiert. Aufgrund des Erstarkens rechter Ideologien ist die Feierlaune getrübt.
„Je rauer die Zeiten werden, desto wichtiger werden solche Veranstaltungen“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des IKB zu Beginn seiner Rede. Rund 40 Menschen haben sich in dem Gemeinderaum versammelt – Junge und Alte, Katholik*innen, Jüd*innen und Muslim*innen, auch Politiker*innen sind anwesend.Der Raum ist festlich geschmückt, blaue und goldene Luftballons zieren die Wände sowie Girlanden mit der Aufschrift „Ramadan“, versehen mit Sternen, Moscheen und Feuerwerk.
„Eid Mubarek“, begrüßt auch Derviş Hızarcı die Gäste – ein gesegnetes Fest. Hızarcı ist Vorstandsvorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA), die politische Bildung anbietet in den Bereichen antimuslimischer Rassismus, Antisemitismus, Migrationsgesellschaft und Radikalisierungsprävention. „Obwohl das ein Festtag sein sollte, sind es betrübende Themen, die wir ansprechen müssen“, sagt er – und spricht über den zunehmenden Antisemitismus und rechtsextreme Gewalt, das Erstarken rechter Ideologie sowie anhaltende Vorurteile gegenüber Muslim*innen und die Gleichsetzung des Islams mit Terrorismus.
Zu einem Vorfall, der diese gefährliche Gleichsetzung widerspiegelt, sei es während des Fastenbrechens bei der Deutschen Islam-Akademie in Mitte gekommen, berichtet eine KIgA-Mitarbeiterin der taz. Eine „besorgte“ Anwohnerin habe während der Feierlichkeiten Flugblätter verteilt, in denen sie vor Islamismus und der Muslimbruderschaft warnte. „Das Fest fühlt sich heute politischer aufgeladen an als früher“, sagt sie.
Mehr Säkuläre nehmen teil an Ramadan
Auch Orkan Özdemir, Sprecher für Antidiskriminierung der SPD-Fraktion, beobachtet eine Veränderung im Ramadan: Früher hätten viele säkulare Menschen und Organisationen das Fest nicht begangen, doch inzwischen nähmen auch sie teil – nicht aus religiösen Gründen, sondern aus Solidarität angesichts zunehmenden Rassismus. „Eigentlich ist es jetzt schöner geworden“, sagt er.
Gleichzeitig frustriert ihn die politische Lage – auch in Berlin: „Wir sind nur noch damit beschäftigt, schädliche Dinge abzuwehren und einen Rollback zu verhindern.“ Aufgrund zahlreicher Anfeindungen steht sein Wahlkreisbüro und seine geheime Wohnadresse inzwischen unter Polizeischutz. Auch das IKB wird am Montag von Schutzpersonal bewacht.
Die Stimmung im Raum ist gedrückt – nicht zuletzt wegen der fehlenden Akzeptanz für das Fest in der Berliner Gesellschaft sowie bei Arbeitgeber*innen und Institutionen. Der stellvertretende Vorsitzende des IKB berichtet, dass er bei seinem Arbeitgeber darum bitten musste, heute später zur Arbeit kommen zu dürfen. Auch für Schulkinder müssen Eltern laut Verwaltungsvorschrift ein Antrag für die Beurlaubung stellen. An bestimmten christlichen, jüdischen und muslimischen Feiertagen hingegen, reicht es die Schule darüber zu informieren. „Es gibt nur zwei große Feste im Islam. Wir wünschen uns mehr Akzeptanz und einen flexibleren Umgang damit“, sagt Derviş Hızarcı.
Die Atmosphäre versucht er mit Süßspeisen zu heben. „Lasst uns teilen“, sagt Hızarcı und eröffnet das Buffet. Die interreligiöse Gruppe lässt sich nicht entmutigen: Bei arabischer Musik schmiedet sie Pläne, um gegen den Rassismus anzukämpfen.
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