: Zuckerbrot und Peitsche
Guter Wille statt Kontrolle: Keine Quote für Ökostrom, dafür mehr Klimaschutz. So lautet das Angebot der Stromkonzerne an die Regierung
von BERNHARD PÖTTER
Die Herren kennen sich, die Rituale sind die gleichen. Ähnlich wie bei den Verhandlungen zum Atomausstieg im vergangenen Jahr prallen auch beim zweitwichtigsten Energiethema von Rot-Grün, der Förderung des umweltfreundlichen Stroms aus hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), politischer Wille und wirtschaftliche Interessen massiv aufeinander. Auf der einen Seite pocht die Regierung auf ihr Klimaschutzprogramm, mit dem sie sich zur weiteren Reduzierung von Kohlendioxidemissionen verpflichtet hat und besonders auf den KWK-Strom setzt. Nur der ehemalige Strom-Manager Werner Müller bekennt, er halte von einer Quote für diesen Strom überhaupt nichts. Auf der anderen Seite stehen die Chefs der großen Energiekonzerne Eon, RWE, HEW, Veag, EnBW und Ruhrgas und zeigen der Regierung ihre Instrumente: Zuckerbrot und Peitsche.
So liest sich das interne „Aktionsprogramm Klimaschutz“, das die Stromkonzerne heute als Verhandlungsgrundlage mit der Regierung auf den Tisch legen. Darin wehren sich die Stromkonzerne mit Händen und Füßen gegen das Modell der rot-grünen Regierungsfraktionen zur KWK-Quote. Demnach sollte ein Gesetz vorschreiben, dass bis 2010 der Anteil an Strom aus KWK-Anlagen von derzeit 12 auf 24 Prozent verdoppelt wird. Jeder Stromverteiler müsste dann nachweisen, dass dieser Anteil an Ökostrom in seine Steckdosen fließt. Stellt er selbst nicht so viel KWK-Strom her, muss er von anderen Erzeugern entsprechende Zertifikate kaufen. Dieses Modell diene aber weder dem Klimaschutz, noch der Sicherung von Investitionen, oder dem Erhalt von Arbeitsplätzen, behaupten die Stromkonzerne. Im Gegenteil entstünden „volkswirtschaftliche Kosten von 30 bis 40 Milliarden Mark“, wenn riesige Kraftwerke mit insgesamt 15.000 Megawatt Leistung stillgelegt würden und damit 10.000 Arbeitsplätze verlorengingen.
Das Zuckerbrot folgt: Bis 2010 könne das von der Regierung angepeilte Ziel, 23 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einzusparen, mit „bis zu 45 Millionen Tonnen“ sogar verdoppelt werden, „wenn auf Markteingriffe wie die KWK-Quotenregulierung verzichtet wird“, heißt es in dem internen Papier. Helfen soll dabei vor allem die Modernisierung des Kraftwerkparks, der Neubau von Anlagen und die Abschaltung nicht mehr effizienter Kraftwerke, die insgesamt schon 12 Millionen Tonnen Reduzierung ausmachten. Außerdem sollten die erneuerbaren Energien, Biomasse, Wind und Wasser, zusätzlich ausgebaut werden und neue hocheffiziente Gas-und-Dampf-(GuD)-Kraftwerke gebaut werden. Mit der Hilfe von Steuergeldern planen die Stromkonzerne darüber hinaus, bereits bestehende KWK-Anlagen effizienter zu machen, die Nah- und Fernwärmenetze auszubauen, Strom sparende Elektrogeräte anzubieten und die Brennstoffzellentechnik zu fördern.
Die Energieversorger verfolgen eine Offensivtaktik. Ehe ihnen ein Gesetz aufgedrückt wird, das den Wert ihrer Kraftwerke mindert, profilieren sie sich lieber beim Klimaschutz. Immerhin können sie darauf verweisen, dass der CO2-Ausstoß der Energiewirtschaft seit 1990 um 18 Prozent gesunken ist. Gleichzeitig verhindern sie durch freiwillige Maßnahmen, dass ihnen mit den kleineren, vor allem kommunalen Stromerzeugern durch die KWK-Quote ernsthafte Konkurrenz erwächst, der den billig erzeugten Strom aus abgeschriebenen Kraftwerken vom Markt verdrängen könnte.
Bei den Regierungsfraktionen herrscht Skepsis gegenüber den Vorschlägen. „Die Energieversorger haben bisher viel versprochen, aber wenig gehalten“, sagt die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt. Keinesfalls sollte etwa der Ausbau der KWK mit Steuergeld finanziert oder den Konzernen bereits gemachte Zusagen beim Klimaschutz angerechnet werden.
Der Vorstoß der Energieversoger zielt auf eine Spaltung im Kabinett. Dort sitzt nicht nur der erklärte Quotenkiller Wirtschaftsminister Werner Müller, sondern auch ein Freund der Selbstverpflichtungen, Bundeskanzler Gerhard Schröder. „Wir sind offen auch für andere Instrumente als die Quote“, sagte gestern Umweltminister Jürgen Trittin bei der Debatte zur Energiepolitik im Bundestag.
Nach einem solchen Ausweg wird derzeit gesucht. Möglich wäre etwa eine Kombination aus geringerer KWK-Quote und überprüfbarer Effizienzsteigerung bei den Kraftwerken. Doch ein gleichwertiger Ersatz für die Quote ist schwer zu finden. Bisher, so meinen SPD- und Grünen-Fraktion, gebe es keine sinnvollen Alternativen. Wenn ein Quoten-Gesetzentwurf nicht bald eingebracht wird, könnte sich seine Ratifizierung bis ins Wahljahr 2002 verzögern und im Vowahltrubel scheitern. Die Industrie wäre aus dem Schneider.
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