piwik no script img

Zu spät berichtet

■ Kurdin, die von Polizisten vergewaltigt wurde, soll nun abgeschoben werden

Daß sie von türkischen Polizisten vergewaltigt worden ist, weiß ihr Mann bis heute nicht. Auch als sie in Deutschland Asyl beantragte, schaffte Canan C. (Name geändert) es nicht, von ihren Erlebnissen zu berichten – weder vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, noch später vor dem Verwaltungsgericht. Denn dort saß ihr ein männlicher, muslimischer Dolmetscher gegenüber. Jetzt soll Canan C. abgeschoben werden.

Daß es vielen Frauen infolge ihrer Traumatisierung schwer fällt, über ihr Schicksal zu reden, hat Anne Harms von der kirchlichen Beratungsstelle „Fluchtpunkt“ oft erfahren müssen. „Aber wozu sollen wir einer Frau wie Canan C. helfen, darüber zu sprechen“, fragt sie. „Das Gericht setzt sich doch über alle Kenntnisse hinweg, die es über Traumatisierungsfolgen gibt.“

Zwar hat Canan C. ihr Schweigen mittlerweile gebrochen. Doch dafür sei es jetzt zu spät, befand das Verwaltungsgericht: Der Vortrag der Kurdin sei „durch erhebliche Steigerungen gekennzeichnet“, habe sie doch im ersten Asylverfahren gegenüber dem Bundesamt „allein von angeblich erlittenen Folterungen in Form von Schlägen, Beschimpfungen und Haareziehen“ berichtet. Später habe sie dann von der Vergewaltigung ihres damals neunjährigen Sohnes erzählt und erst in der letzten Gerichtsverhandlung von ihrer eigenen. Diese „Steigerung“ mache die Frau unglaubwürdig.

Fluchtpunkt setzt sich zusammen mit „amnesty international und „pro Asyl“ unter anderem für frauengerechtere Asylverfahren ein. Schließlich sei es eine weitere Hemmschwelle für Canan C. gewesen, ihre Erlebnisse einem männlichen Dolmetscher zu berichten. Auch dies erkannte der Richter im vorliegenden Verfahren nicht an. Er sah keinen Grund für die Kurdin, nicht sofort über ihre Vergewaltigung gesprochen zu haben. Deshalb fordert Fluchtpunkt, daß Flüchtlingsfrauen gleich beim Bundesamt eine Sachbearbeiterin und eine Dolmetscherin angeboten werden und in die Genfer Konvention auch die „Verfolgung aufgrund des Geschlechts“ aufgenommen wird. Eva Wolfangel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen