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Zu Besuch beim Black Food FestivalTranshumanismus für Mensch Meier

Es ist aktivkohlegefärbt, instagrammable und schmeckt gar nicht speziell: schwarzes Essen. Was sagt der Trend über unsere Gesellschaft aus?

Schwarz, durch und durch: schwarze Bagels beim Black Food Festival Foto: André Wunstorf

Jeder Essenstrend lässt sich mit dem Wiegemesser der kritischen Theorie zerlegen. Die immer neu „entdeckten“ Länderküchen, die auf Thaifoodmärkten und in georgischen Klausen zelebriert werden, Essen statt Urlaub. Superfoods, Quinoa und Moringa-Pulver, die den Körper funktional stärken sollen, ihn in letzter Konsequenz jedoch als bloßen Input-Output-Facilitator begreifen. Dann Tech-Essen, Astrofood und künstliches Fleisch aus Stammzellen, das, anstatt die Welt zu einem besseren Ort zu machen, doch bloß den Konsum fetischisiert.

Black Food aber, schwarzes Essen also: Das ist nicht gesünder als etwa lilanes oder gelbes. Es kommt nicht aus dem Labor, es verklärt nichts und verhilft auch nichts und niemandem zur Emanzipation. Es ist einfach nur schwarz. Oder?

Im Vorfeld des Berliner „Black Food Festival“ sind auf Facebook über 30.000 Menschen „interessiert“. Vorm „Badehaus“, wo sich einst die Arbeiter eines Reichsbahn-Ausbesserungswerks womöglich schwarzen Ruß vom Körper wuschen, stehen immerhin gut hundert Menschen an. Zwölf Euro Eintritt zahlen sie, ohne Essen. Als Handreichung gibt es vier Ein-Euro-Probiergutscheine und einen Lolli, der die Zunge schwarz färbt.

Drinnen fläzt sich Marc Alan Gray, ein New Yorker „Food-und-Drink-Enthusiast“, auf einer kleinen Bühne. Gray gibt hier den Impresario. Immer mehr Foodies, denen der Enthusiasmus ganz und gar nicht ins Gesicht geschrieben steht, schieben sich durch die kleinen Räume und stellen sich verlegen irgendwo an. An den zwölf Ständen gibt es schwarze Brötchen für sieben Euro, immerhin opulent belegt, Macarons in Anthrazit und Reis in Algen.

„Hier gab’s auch nichts Cooles mehr, oder?“

Videoreporter*innen von RBB und WeltN24 huschen umher, fragen Mampfende, ob es denn schmecke – und ob man das mal filmen könne, wie man da in den schwarzen Bagel beiße. In einem Nebenraum werden schwarze Cocktails gerührt, an der Türschwelle neigt sich eine junge Frau zu ihrer Freundin: „Hier gab’s auch nichts Cooles mehr, oder?“

Manche Lebensmittel sind beim Verzehr ohnehin schwarz: Kaviar, Kaffee, Brombeeren, Auberginen etwa. In Pflanzen sorgen Anthocyane für die schwarze Farbe. Dann gibt es Oliven. Schwarz werden die entweder mit zunehmender Reife oder mithilfe von Eisengluconat. Laut „World Olive Encyclopedia“ soll dieses Schwärzen durch Oxidation erstmals in Kalifornien angewendet worden sein, zu Beginn des 20. Jahrhunderts – um Bitterstoffe zu reduzieren; auch wenn manche behaupten, geschwärzte Oliven würden im Grunde gleich schmecken wie grüne. Was schon deshalb nicht stimmt, weil den grünen Supermarktoliven Milchsäure zugesetzt wird, sie sind saurer und spürbar fester.

Durchgesetzt haben sich jedenfalls die geschwärzten. Schwarzes Essen ist definitiv kein neues Phänomen. Schon in den Neunzigern wurden gerne schwarze Linguine aus dem Supermarktregal gezogen. 2013 versetzte dann eine Hotdog-Kette in Tokio ihre Brötchen und Würstchen mit Aktivkohle.„Um uns von anderen Fast-Food-Läden abzusetzen“, wie ein Verkäufer in einem Beitrag der Pro-7-Sendung „Galileo“ offenbarte, und: „Schmeckt nach schwarzem Pfeffer.“

So weit der Gründungsmythos. Seit einigen Jahren geistert der Black-Food-Trend nun durch Blogs und Instagram, erst in Asien, irgendwann auch hier: Im Ewigsommer 2018 wurden vermehrt pechschwarze Waffeln an deutschen Eisdielen gesichtet.

Hauptsache fotografierbar: Macarons in anthrazit Foto: André Wunstorf

Die Berliner Festival-Paella wird so wie die 90er-Linguine durch Tintenfischtinte schwarz. Alles andere im Badehaus, die Burger, Waffeln und Macarons, enthalten Aktivkohle. Schmeckt das nun anders, gar nach schwarzem Pfeffer? Nun ja. „Das Ganze ist schon Geldmacherei“, sagt eine Besucherin und beißt in ein schwarzes Karottenküchlein.

Küchenpsychoanalytisch betrachtet könnte schwarzes Essen das große Andere des Essens sein. Das Andere, das von der gegenüberliegenden Seite des natürlichen Kreislaufs herüber winkt wie das Yang dem Yin. Nehmen wir ein schwarzes Pita-Brot: Es erinnert an verbranntes Brot. Tatsächlich verkohlt würde dieses Acrylamid enthalten, krebserregend für den Menschen; verbrannte Felder und Wälder wiederum sind äußerst fruchtbar. Dann die Assoziation einer schwarzen Hotdog-Roll zu einer Kackwurst – schwarzes Essen ist also auch bezogen auf den Metabolismus auf der anderen Seite angesiedelt. Kot wird nach schwarzem Essen grün.

Somit wäre Black Food ein Schritt in die Transzendenz, der auch für Leute erschwinglich ist, die sich keine Rente auf dem Mars leisten können. Transhumanismus für Mensch Meier.

Im Badehaus steht derweil die Preisverleihung des „Black Food of the Year 2018“ an. Es plätschern Worte aus Marc Alan Gray, dem New Yorker Food-Impresario: Noch seien es vielleicht nur ein paar Stände, aber man werde ein Imperium errichten. Ach wo, Imperien! „It is a start of empires – let us reach out for the stars.“ Sagt er wirklich. Das schwarze Essen des Jahres 2018 kürt Gray dann ohne weiteres Gewese: Es sind frittierte Mehlwürmer und Grillen auf Aktivkohle-gefärbter Polenta. Wundersam, fehlt hier doch vollkommen die Würze, trieft der Maisgrieß von Öl und verfangen sich die kleineren Würmer hartnäckig zwischen den hinteren Backenzähnen.

Köche und Gastrokritikerinnen beklagen gerne, dass Foodblogs Essen aufs Visuelle reduzieren. Dabei würden der Sinn für Geschmack, Geruch, die Haptik des Gaumens flöten gehen – ganze Welten! Auch #blackfood ist natürlich höchst instagrammable. Aber was schreibt der Account @foodpilots da unter einen schwarzen Käsekuchen: „Even if it irritates at first, it tastes like a normal cheesecake – but hey, what is normal now­adays?“

Gedünstete Schwimmnudel

Schwarzem Essen könnte auf Blogs und Instagram eine geradezu paradoxe Funktion zukommen: Es sieht nicht nach Essen aus, wird aber vielleicht gerade deshalb geschmacklich wieder wahrgenommen. Weil man sich einen schwarzen Hotdog mit einer anderen Achtsamkeit in den Mund schiebt als einen gewöhnlichen, blassrosa in mattem Gelb.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Probieren wir’s aus: Wie eine gedünstete Schwimmnudel im Schaumstoffbett ruht die schwarze Wurst im Hotdog-Brot. Der erste Biss noch zögernd, die Süße des Ketchups schießt von den Zungenzäpfchen ins Hirn, eine Spur spätkapitalistischer Kindlichkeit. Weißgrünliche Salat-Schnipsel und bräunlich-goldene Röstzwiebeln kitzelknuspern im Gaumen, es zieht ein wenig in der Nase, wie die entfernte Ahnung einer Maggi-Fertigsuppenfabrik. Aber so ganz lässt sich das ohnehin nicht in Worte fassen.

Denn Schwarz ist schließlich, genau genommen, nicht mal eine Farbe, sondern deren Abwesenheit.

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