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Zoologe über Ethik im Tierpark„Manchmal ist Töten vernünftiger“

Im dänischen Odense wird eine Zoolöwin eingeschläfert, obwohl sie gesund ist. Kann das Töten von Zootieren gerechtfertigt sein?

Wird gleich öffentlich seziert: Eingeschläferte Löwin im Odenser Zoo am Donnerstag. Foto: ap
Peter Weissenburger
Interview von Peter Weissenburger

Warum werden in Zoos Tiere umgebracht, die topfit sind?

Steven Seet: In Zoos ist nur begrenzt Platz, man hat daher zwei Möglichkeiten: Entweder man verhindert, dass sich die Tiere vermehren. Das hat aber negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Tiere sind zur Reproduktion veranlagt. Wenn sie dieser Veranlagung nicht folgen, haben sie zum Beispiel ein höheres Krebsrisiko. In Dänemark hat man deshalb entschieden, dass sich die Tiere fortpflanzen dürfen. Dann gibt es natürlich irgendwann zu viele, und eine Tötung der überzähligen Tiere wird notwendig.

Wie viele Tiere kommen in deutschen Zoos auf diese Weise um?

Hier in Deutschland sieht das Gesetz eine Tötung von Tieren nur aus vernünftigem Grund vor. Platzmangel ist kein vernünftiger Grund. Anders sieht das aus, wenn es zu viele Tiere gibt und Inzucht droht. Dann kann im Einzelfall anders entschieden werden, da hier ein vernünftiger Grund vorliegt.

Wie wird stattdessen der Bestand kontrolliert?

In Deutschland arbeiten wir mit verschiedenen Verhütungsmitteln. Eine andere Möglichkeit ist, Tiere mit anderen Zoos zu tauschen.

Gibt es da eine Tauschbörse? So wie: Berlin bietet Elefant, Köln sucht Giraffe?

Die gibt es, und es wird auch regelmäßig getauscht. Nicht nur bei Überschuss. Zum Beispiel auch, wenn sich Tiere nicht miteinander vertragen oder bei Inzuchtgefahr. Das ist sogar europaweit möglich. Im Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) werden solche Austausche organisiert.

IZW Berlin
Im Interview: 

Steven Seet ist Sprecher des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin.

Das funktioniert allerdings nicht immer. Im letzten Jahr gab es auch schon Kritik, weil im Kopenhagener Zoo eine Giraffe getötet wurde. Die Giraffe hatte man vorher angeboten, niemand wollte sie haben. Dagegen ist eine große Nachkommenschaft bei hoch bedrohten Tierarten gewünscht, diese stellen aber kein Platzproblem dar, da sie in die natürlichen Habitate überführt werden.

Der Löwe von Odense ist öffentlich seziert worden. Dazu waren auch Kinder eingeladen. Verstehen Sie die Empörung darüber?

Zoos haben grundsätzlich zwei Aufträge: Die Biodiversität zu erhalten und ein Bildungsangebot zu schaffen. Die Kollegen in Dänemark haben dazu eine ganz entspannte Einstellung: Das Publikum soll lernen, dass getötet werden zu Natur dazugehört. Dass es eine Regulierung gibt, die Überbevölkerung verhindert. Warum sollen das nicht auch Kinder erfahren?

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12 Kommentare

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  • Mit seiner Aussage, „Tiere sind zur Reproduktion veranlagt“, erweckt Herr Seet und auch seine anderen Zoo-SpeziesistInnen immer wieder gern den Eindruck, sie seien DIE Retter oder DIE Kämpfer für die Belange der in Zoo-Gefangenschaft inhaftierten nicht-menschlichen Tiere. Sie werden nicht müde, immer und immer wieder zu betonen, dass der Fortbestand von Paarungs-, Fortpflanzung- oder Aufzuchtverhalten in Gefangenschaft lebensnotwendig sei. Keiner dürfe und könne, so ihre vermeintlich edle und hehre Forderung, den Insassen ein solches arttypisches und artgerechtes Verhalten nicht vorenthalten. Und Seet drückt auch noch auf die Tränendrüse: Die armen Kreaturen bekommen sonst Krebs.

    Das Seets Aussage pure Heuchelei und sogar verlogen ist wird dann sehr deutlich, wenn man/frau sich andere „veranlagte“ Verhaltensweisen, die die Insassen in den Zoo-Gefangenschaften meist nie und nur massiv eingeschränkt ausleben dürfen, genauer betrachtet.

    Da werden Vögel zur lebenslangen Flugunfähigkeit verstümmelt und ihrer „wesensbestimmende Fähigkeit beraubt“ (Goldner). Einem Großteil der Zoo-Insassen wird das Jagd-, Wander- oder Fluchtverhalten durch die Gefangenschaft selbst verhindert und in ausgeprägte Verhaltensstörungen (Leiden) umgewandelt.

    In vielen Wolfs-Gefangenschaftshaltungen werden den Wolfsmüttern ihre Babys brutal entrissen, sie also in ihrem Aufzuchtverhalten abrupt gestoppt und dieses damit grausam beendet. Grund: Der Mensch will die Wolfbabys mit der Hand aufziehen, ein paar WärterInnen ihre lächerliche Profilierungssucht damit ausleben und sich mit den fehlgeprägten Wölfen im Käfig präsentieren.

  • Herr Seet vom Zoo in Berlin macht mich lachen: "Das Publikum soll lernen, dass getötet werden zu Natur dazugehört." Welche Natur? Im Zoo??? Man Kindern Tiere auch anders näher bringen als mit verhaltensauffälligen Tieren in einem Käfig. Und für die Züchtung bedrohter Arten wären spezielle Stationen mit Auswilderungsmöglichkeit in den Herkunftsgebieten der Tiere wesentlich sinnvoller. Zoos sind ein Relikt aus den Vorzeiten des Verständnisses von Tieren!

  • Hormonelle Verhütung steigert auch bei der Gattung/Art Mensch das Krebsrisiko.

  • Lebendiger biologieunterricht.

  • Ich denke, die meisten Zoos würden das angebliche Krebsrisiko der verhinderten Eltern eher eingehen als das Ausbleiben des publikumswirksamen Nachwuchses.

    • @schuhwerfer:

      Eine Ausrede ist es. Es gibt natürlich die Alternativen Zoo schließen oder so wenige Tiere zu halten, daß auch die schlechten Gene erhalten werden (müssen) oder man mit Wildfang auffrischen muß. Oder vielleicht spendet ja jemand für ein Zootierhospiz.

       

      Beim Rind Nr. 2073 aus dem Tier-KZ hingegen ist das Abschlachten gesellschaftlich voll akzeptiert, vorausgesetzt, es geschieht hinter hohen Mauern und es kommt ohne Gesicht ins Kühlregal.

    • @schuhwerfer:

      Das Krebsrisiko steigt laut Herrn Seet mit dem Verhindern der Vermehrung, publikumswirksamer Nachwuchs senkt demnach dieses Risiko. Da haben Sie was falsch verstanden Herr Schuhwerfer.

      • @B. Sorge:

        Nun ja. Nein. Ich denke nicht, dass da ein Missverständnis vorliegt.

         

        Der "publikumswirksame[] Nachwuchs[]" ist nur eine Zeit lang publikumswirksam. Wenn er ausgewachsen ist, werden die damit verbundenen Probleme größer als der Nutzen, der sich generieren lässt. Dann muss eine neue Rechtfertigung her. Erst ist es die Krebsgefahr, dann der Bildungsauftrag. Aber so ist er halt, der Mensch: nie um eine Ausrede verlegen. Was er tut, das tut er mit Bedacht.

        • @mowgli:

          So siehts mal aus. Danke für die Anmerkungen!

          • @schuhwerfer:

            Aber es ist doch trotzdem logisch nicht richtig: Das Krebsrisiko geht man ja ein, wenn man eben keinen Nachwuchs zulässt.

            Daher müsste es eher heißen: "würden die Tötungen eher weiter beibehalten, als auf den publikumswirksamen Nachwuchs zu verzichten"

            • @Informatiker:

              Für mich bleibt der Hinweis auf das Krebsrisiko ein Feigenblatt. Gewollt ist, denke ich, regelmäßiger und publikumswirksamer Tiernachwuchs. Und der ist nunmal schwer zu rechtfertigen, wenn den niedlichen Kleinen perspektivisch nur die Einschläferung bleibt.

              • @schuhwerfer:

                Aber mit Krebs sterben die Tiere ja auch früher und dann wäre wieder schneller Platz für Nachwuchs.