Zoff zwischen SPD und IG Metall: Autoprämien braucht es nicht
Betriebsräte fordern Staatsknete für Firmen, die auch ohne Coronakrise vor einem schmerzhaften Umbruch stehen. Das ist verständlich, aber unsinnig.

G ewerkschaft gegen SPD ist eine Schlagzeile, die immer gut geht. Im Fall Abwrackprämie für Autos stimmt sie allerdings nicht. Nicht die Gewerkschaft, sondern der Betriebsrat von Mercedes und ein mit der Autoindustrie verknüpfter Teil der IG Metall hält das Nein der SPD-Spitze zu einem staatlichen Verkaufsrabatt für Benziner und Diesel für falsch. Das ist von naheliegenden Interessen geleitet. Es gibt derzeit Neuwagen im Wert von 15 Milliarden Euro, die vermarktet werden müssen.
Doch sachlich spricht wenig für die gesonderte Staatsprämie für Benziner und Diesel. Erstens gibt es via Mehrwertsteuersenkung eine solche Prämie. Bei einem 50.000 Euro Mercedes beträgt sie 1.500 Euro. Die Autoprämienfans fordern aber mehr. Warum aber sollen Steuerzahler finanzieren, was die Konzerne selbst zahlen können? BMW, Mercedes und VW haben 2019 Gewinne gemacht und zwischen zehn und 20 Milliarden Euro auf dem Konto. Sie zahlen in diesem Jahr Hunderte von Millionen Euro an ihre Aktionäre aus. Die Konzerne können ihre Autos mit Rabatten billiger machen. Es gibt keinen einsichtigen Grund, warum die Steuerzahler das berappen sollen.
Zudem ist eine Abwrackprämie kein Wundermittel, um teure VW, Mercedes und BMW unter die Leute zu bringen. Im Jahr 2009 profitierten Fiat, Suzuki und Hyundai von der Abwrackprämie, BMW und Mercedes hingegen kaum. Faktisch subventionierte der Staat damals den Kauf ausländischer Kleinwagen.
Dass Betriebsräte Staatsknete für ihre Firmen wollen, die auch ohne Coronakrise vor einem schmerzhaften Umbruch stehen, ist verständlich. Dass Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel der SPD wegen ihres Neins zur Abwrackprämie grünen Populismus vorwirft, ist peinlich. Populistisch ist doch vielmehr, die Legende zu nähren, eine aus verblasenen Ökogründen verweigerte Abwrackprämie hätte den Handel mit deutschen Autos flugs wieder in Schwung gebracht. So ist es nicht.
Die SPD-Führung hat dem Gemeinwohl den Vorzug vor Einzelinteressen gegeben. Es ist kein Schaden, dass Sigmar Gabriel in der Partei nichts mehr zu sagen hat.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich