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Zoff um Krankenhausreform in BrandenburgWoidke feuert seine Gesundheitsministerin

In Brandenburgs Noch-Landesregierung fliegen die Fetzen. Grünen-Ministerin Ursula Nonnemacher wird im Streit um die Krankenhausreform entlassen.

Vorzeitig raus: Brandenburgs Ex-Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) Foto: Michael Bahlo/dpa

Berlin taz | Das Gesetz zur Krankenhausreform hat am Freitag zwar den Bundesrat passiert. Die Anrufung des gemeinsamen Vermittlungsausschusses mit dem Bundestag und eine weitere Verzögerung des Vorhabens ist damit vom Tisch. Es ist also genau so gekommen, wie Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher es sich gewünscht hat. Ihr Amt ist die Grünen-Politikerin nun trotzdem los. Kurz vor der Entscheidung im Bundesrat ist Nonnemacher von SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke gefeuert worden.

Aus dem Grund macht Woidke kein Geheimnis. Er hätte die Krankenhausreform gern auf die lange Bank geschoben. Oder ganz beerdigt. „Ich habe sie entlassen, weil sie sich geweigert hat, dem Vermittlungsausschuss zuzustimmen“, sagt Woidke im Anschluss. Er könne „als Ministerpräsident auch für das Land Brandenburg nicht zulassen, dass eine klare Meinung, die wir hier im Land haben, durch eine Ministerin konterkariert wird“.

Durch die Entlassung war für Woidke nicht nur der Weg frei, um Brandenburg im Bundesrat für den Vermittlungsausschuss zu stimmen – was das Land dann auch tat. Mit Nonnemachers Entlassung hatte der Ministerpräsident zugleich verhindert, dass seine widerborstige Gesundheitsministerin in der Länderkammer für die Annahme des Gesetzes werben konnte.

In dem der taz vorliegenden Manuskript zu der nicht gehaltenen Rede macht Nonnemacher deutlich, dass die von Woidke gewünschte Anrufung des Vermittlungsausschusses „den Interessen des Landes Brandenburg“ zuwidergelaufen wäre. Ein Neustart der Reform in der nächsten Legislaturperiode wäre „mit erheblicher Zeitverzögerung verbunden“ gewesen, „die Hoffnung auf mehr Milliarden vom Bund höchst spekulativ“.

Ohnehin nur auf Abruf im Amt

Nun wäre die Grünen-Ministerin ohnehin in den kommenden Wochen aus dem Amt ausgeschieden. Nicht nur hatte Nonnemacher selbst bereits vor der Wahl deutlich gemacht, künftig nicht mehr als Gesundheitsministerin zur Verfügung zu stehen. Auch waren die Grünen bei der Landtagswahl im September an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und aus dem Parlament geflogen.

Die jetzige Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen ist nur noch geschäftsführend im Amt. Stattdessen verhandeln Woidkes SPD und die Wagenknecht-Partei BSW derzeit über eine neue Regierungskoalition. Nicht zuletzt das BSW hatte dabei im Wahlkampf keine Gelegenheit ausgelassen, gegen die, so Parteieigentümerin Sahra Wagenknecht, „schwachsinnige“ Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu wettern.

Ursula Nonnemacher hat seit 2019 viel Krisenmanagement betrieben – in der Corona-Pandemie und bei der Bekämpfung der Schweinepest. Zuletzt warnte sie vor einem vorläufigen Aus der Krankenhausreform im Bundesrat. „Wenn eine neue Bundesregierung mit der Krankenhausreform von vorn anfängt, bekommen wir eine neue Zeit der Unsicherheit“, hatte sie kürzlich gesagt.

Nonnemacher und Woidke waren sich bereits mehrfach inhaltlich uneins. In der Corona-Krise hatte er die Zuständigkeit für das Impfen von Nonnemachers Ministerium vorübergehend ans Innenressort verlagert. Nun ist der Ofen ganz aus.

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6 Kommentare

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  • In Koalitionen ist es m.W. üblich sich der Stimme in Gremien zu enthalten, wenn die Koalitionsparteien uneinig sind. Das hat Schmidt (CSU) nicht gemacht um Glyphosat gegen den Willen der SPD in der EU durchzusetzen - nun folgt Woidke (SPD) diesem unsauberen Beispiel. Das ist nicht fair, das ist unanständig und gehört sich nicht für Demokraten.

  • Frau Nonnemacher wollte halt Opposition in der Regierung sein. Dann muss sie aus der Regierung raus. Nun, so ist es gekommen. Viel Aufregung um nichts.

  • Ist das nicht ein bißchen schizophren? Die Krankenhausreform beerdigen zu wollen, die Kliniken das Überleben sichern soll - was vor allem in Flächenländern wie Brandenburg essentiell wäre - aber denen jahrelang erhebliche Teile der gesetzlich normierten Investitionsanteile schuldig geblieben zu sein?

    In dem Interview mit der Bremer Gesundheitssenatorin hatte es geheißen, daß die Länder "kaum die Hälfte" dessen zahlten, wozu sie gesetzlich verpflichtet gewesen waren. Und es ist nichts bekannt, wonach Brandenburg bei dieser Unart aus der Reihe getanzt wäre ...

    An Frau Nonnenmacheer dennoch besten Dank für die Arbeit und herzlichen Glückwunsch zur Entlassung. Unter diesen Bedingungen muß man das Amt nun wirklich nicht haben.

  • Wenn dem so ist wie beschrieben, zeigt sich mal wieder welch unterschiedliche Ansichten auch beim Thema Gesundheit selbst in der SPD vorherrscht. Dabei könnte Hr. Woitke doch froh sein das sein Ministerkollege auf Bundesebene die Gesundheitslage insgesamt verbessert, auch für das Bundesland von Hrn. Woitke. Oder hat hier bereits Frau Wagenknecht von der sozialistischen Kaderpartei aus dem Bundesparlament die Landesregierung übernommen?

  • Da musste Woidke wohl im vorauseilendem Gehorsam schon mal Stellung für Frau Wagenknecht beziehen. Das kann ja noch heiter werden, mit der Führerinnenpartei.

  • Woidke kann es anscheinend gar nicht erwarten, endlich mit dem BSW zu schmusen.

    Trotz der Aktion ist die Reform durch den Bundesrat gegangen.