Zionismuskritik an Kunsthochschule in Berlin: Zoff um Antisemitismus-Vorwurf

Ein Projekt von jüdisch-israelischen Studierenden steht wegen vermeintlicher BDS-Nähe unter Druck. Die Gelder sind gestrichen, ein Prof wehrt sich.

Ein großes Gebaüde.

Ist die Kunst hier noch frei? Kunsthochschule in Berlin-Weißensee Foto: Christian Behring/Pop-Eye/picture alliance

BERLIN taz | Eine Gruppe jüdischer KunststudentInnen in Berlin organisiert eine zionismuskritische Veranstaltungsreihe. Die Reaktionen: Eine regierungsnahe israelische Zeitung skandalisiert den Fall. Volker Beck, Ex-Grüner Bundestagsabgeordneter, postet, dass mit „Steuergeldern ein Antizionismusspektakel finanziert wird“, und alarmiert das zuständige Ministerium. Die israelische Botschaft sieht „eine Delegitimierung Israels und Antisemitismus“ am Werk. Der Vorwurf lautet Nähe zu BDS (boycott, divestment, sanctions), einer in Palästina gegründete internationalen Bewegung, die mit mäßigem Erfolg auf Israel-Boykott setzt.

Der Bundestag hat 2019 beschlossen, dass mit staatlichen Geldern keine Veranstaltungen finanziert werden, in denen ein Boykott Israels befürwortet wird. Manchmal reicht schon der Verdacht der BDS-Nähe, um die Nutzung städtischer Räume zu verbieten. Bei dem Projekt „School for Unlearning Zionism“, organisiert von jüdischen Studierenden der weißensee kunsthochschule berlin ist das, folgt man Volker Beck, der Fall.

Das Forschungsministerium erklärte eilig, dass man den Anti-BDS-Beschluss sehr ernst nehme und es keine finanzielle Unterstützung des Projekts gebe. Auch die weißensee kunsthochschule berlin beteuerte, sich an an den Anti-BDS-Beschluss zu halten, entfernte die website der Veranstaltungsreihe und Kunstinstallation „School for Unlearning Zionism“ und strich die Gelder.

Mathias Jud (46), Schweizer Künstler und derzeit Gastprofessor an der Kunsthochschule, war erstaunt, dass die Finanzierung des von ihm betreuten Projekts plötzlich gesperrt war. Niemand habe mit ihm davor gesprochen. „Das ist ein direkter Eingriff in die Freiheit der Lehre“, so Jud zur taz. Das BDS-Argument leuchtet ihm nicht ein. Der BDS-Beschluss des Bundestags richte sich doch gegen einen Boykott „israelischer WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen“ – hier werde dieser Beschluss nun als Vorwand genutzt, „um ein Projekt von jüdisch-israelischen StudentInnen zu boykottieren, die sich mit ihrem Staat, Religion und Geschichte beschäftigen“, so Jud.

„Wir lassen uns nicht stumm schalten“

Angesichts der pauschalen Absage, das Projekt zu finanzieren, und der Abschaltung der Website könne „man hier von Boykott reden“, so Jud. Volker Beck argumentiert hingegen, dass „die Veranstaltung nicht verboten werden soll“. Der Protest richte sich gegen die staatliche Unterstützung.

Die Finanzierung des Projekts war Jud zufolge zugesichert. Nun hat die Hochschule sie entzogen. Jud will sich damit nicht abfinden. „Für mich ist es klar, dass dieses Programm von der Hochschule bezahlt werden muss.“ Das Gesamtbudget für die Installation und die elf Onlinevorträge und Debatten liegt unter 2.000 Euro.

Yehudit Yinhar, Kunststudentin und Aktivistin, hat das Projekt „School for Unlearning Zionism“ und die Veranstaltungsreihe „October Program“ mitorganisiert, die in Hebräisch und Englisch stattfinden. „Unlearning Zionism“ bedeute, so Yinhar, „Macht und Privilegien der eigenen Gruppe sichtbar und sich das eigene hegemoniale Narrativ bewusst zu machen“. In der Onlinereihe treten unter anderem kritische jüdische Israelis auf, wie der israelische Historiker Ilan Pappe, Iris Hefets und Shir Hever, beide im Vorstand der Berliner „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden“.

Yinhar, die seit 2010 in Berlin lebt, kritisiert, dass sich deutsche Institutionen anmaßen, jüdische Aktivisten als Antisemiten zu sanktionieren. Die Botschaft sei: „Wir sollen staatskonform sprechen, sonst bekommen wir keine Gelder. Das gilt nicht nur für uns, sondern auch für andere marginalisierte Gruppen.“ Kritik an Zionismus mit Antisemitismus zu identifizieren und „ja oder nein zu BDS zum Rahmen des gesamten Diskurses zu machen“, hält die 35-jährige für den Versuch, kritische Stimmen mundtot zu machen. Die Veranstaltung finden weiterhin statt. „Wir lassen uns nicht stumm schalten“, so Yinhar.

Die Amadeu Antonio Stiftung, eine antirassistische NGO, führt das Projekt „School for Unlearning Zionism“ inzwischen in ihrer Chronik antisemitischer Vorfälle auf. Dort wird es direkt neben Nazischmierereien in Leipzig genannt. Yinhar, in Israel in einem Kibbuz aufgewachsen und Enkelin einer 1938 aus Berlin geflohenen deutschen Jüdin, macht das fassungslos. „Wie kann man uns und unsere Arbeit in einem Atemzug mit Neonazis nennen? Wollen deutsche Institutionen so Rassismus und Antisemitismus bekämpfen?“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.