piwik no script img

Zero-Waste-Restaurant in BerlinWaldgeruch statt Plastikmüll

Das Essen ist vegan, Abfall fällt fast keiner an und was übrig bleibt, landet in der hauseigenen Kompostmaschine. Zu Besuch im Frea in Berlin.

Helle Einrichtung, nachhaltiges Konzept: das Frea in Berlin Foto: Stefanie Loos

Achtung. „Das Restaurant klingt absolut tazzig“, schreibt der Redakteur vorab. Und weiter: „Vielleicht sogar zu tazzig“. Damit hat er nicht unrecht. Das „Frea“, das im März in Berlin eröffnet hat, liegt sozusagen am anderen Ende der Tazzigkeits-Skala als, sagen wir: Kentucky Fried Chicken. Wenn alle Restaurants wie das Frea wären, würde die Welt bestimmt ein guter, friedlicher Ort sein. Ein Paradies.

Also: Wenn im Frea etwas gekocht wird, entsteht kein Müll. Nicht mal ein kleines Plastiktütchen, denn das Frea ist nach eigener Auskunft das „erste Zero-waste-Restaurant Deutschlands“. Es wird hier auch kein Tier geschlachtet, kein Fisch aus dem Meer gefischt, und sogar die Bienen dürfen ihren süßen Honig behalten – denn das Frea ist vegan.

Das i-Tüpfelchen ist aber, dass all das, was auf den aus Bio-Keramik – natürlich in kleinen familiengeführten Manufakturen getöpferten – Tellern übrig bleibt, nicht im Müll landet. Sondern in einer restaurant-eigenen Kompostiermaschine, die in einer Ecke vor sich hin glimmt und Speisereste innerhalb von 24 Stunden in dunkle Erde verwandelt. Jede, die will, darf dort schnuppern – und riecht erst mal nichts, denn die Maschine arbeitet nach außen geruchsneutral. Hebt man aber ihren Deckel, duftet es würzig. Wie Waldboden.

Betreiberinnen des Frea sind David Johannes Suchy und Jasmin Martin. Suchy, Berliner, hatte zuvor bereits drei Jahre Erfahrung mit veganem Catering gesammelt: Zalando, Adidas und die Modemesse Bread & Butter gehörten zu seinen Kunden. 2017, so beschreibt es der 31-Jährige, gab es in seinem Leben einen Wendepunkt. Er hatte viel mit Kindern gekocht und gemerkt, dass dabei ganz schön viel Müll anfällt. Das wollte er ändern. „Letztes Jahr habe ich das Zero-Waste-Restaurant Silo in Brighton besucht, und da entstand der Wunsch, so etwas auch in Berlin zu schaffen“, erzählt Suchy.

Tischplatten aus alten Eichenbalken

Ein geräumiges Ecklokal fand er schließlich an der Torstraße in Berlin-Mitte. Vorher saß dort eine Filmfirma, für die Gastro­nomie musste also alles neu eingebaut werden – und natürlich soll die Einrichtung des Frea die Art der Speisenzubereitung reflektieren. So wurden die Möbel fast alle auf Ebay-Kleinanzeigen von Privatleuten gekauft, dazu gibt es viele Grünpflanzen.

Die Lampen über der Bar sind aus den Myzelien von Pilzen gefertigt. Die Tischplatten aus Massivholz ließen Suchy und Martin aus alten Eichenbalken zurechtsägen. Und das Verpackungsplastik, das während des Ausbaus anfiel, schmolzen die Gründerinnen ein und kreierten daraus ein 15 Kilogramm schweres Kunstwerk, das jetzt eine Wand des Restaurants ziert.

Die Kompostiermaschine im Frea Foto: Stefanie Loos

Dazu bietet der Gastraum einen Blick in die offene Küche. Unter der Leitung des norwegischen Chefkochs Halfdan Kluften – er war im bereits erwähnten Silo als Sous-Chef angestellt und bringt die Erfahrung mit, die es für die Zero-Waste-Philosophie braucht – hantiert hier eine sechs Personen starke Küchencrew. Alle wirken arg beschäftigt, gleichzeitig aber auch etwas unkoordiniert. Doch am Ende zählt schließlich das Ergebnis und wie so oft zeigt sich schon am „Gruß aus der Küche“, was man im Folgenden zu erwarten hat. Im Frea sind es ein Stück selbstgebackene Focaccia und einige Schnitzer ebenfalls selbst hergestelltes Kimchi. Beides schmeckt hervorragend.

Die Karte ist überschaubar, nur zwei Hauptgerichte stehen zur Wahl: Linsenragout mit geröstetem Gemüse und Pasta mit Petersilie, Austernpilzen und Spinat. Beide kosten etwa neun Euro – gemessen an der Lage des Restaurants ein normaler Preis.

Das Linsenragout ist hervorragend abgeschmeckt und verbrachte genau die richtige Zeit im Topf. Die Portion ist nicht über­mäßig groß, aber ideal, um mittags satt zu werden. Sollte doch etwas übrig bleiben, das lieber mit nach Hause wandern soll als in die Kompostiermaschine, wird das Essen natürlich nicht in Einwegverpackungen mitgegeben. Organisierte Zeitgenossen kommen mit Tupperdosen an, für den Fall der Fälle hält das Frea einige Einweckgläser bereit – aber bitte zurückbringen!

Einfach nur Leitungswasser

Ebenso schmackhaft wie das Hauptgericht, allenfalls eine Prise zu süß, ist der einzige Nachtisch: ein kleiner, selbstgebackener Scone mit Erdbeersalat. Dazu gibt es gefiltertes und mineralisiertes Wasser, es schmeckt frisch, als ob etwas Zitrone drin wäre. „Das denken viele“, sagt David Suchy, „Aber es ist tatsächlich hundert Prozent Berliner Leitungswasser.“ Wer aufregendere Zutaten möchte, bestellt den selbstgemachten Gin Kefir.

Von außen ist das Frea übrigens recht unscheinbar. Weder wird mit dem Zero-Waste-Motto noch mit dem veganen Essen groß ­geworben, nur eine kleine Menu-Tafel steht da. Auch dahinter steckt Konzept: So wird vom Laufpublikum niemand aussortiert. Vielleicht lässt sich so auch der eine oder andere Fleischesser davon überzeugen, dass veganes Essen ziemlich lecker sein kann.

Doch ist ein müllfreies Restaurant in der Speisenauswahl beschränkt? Suchy ­widerspricht: „Alle Gerichte gehen – sofern sie tierproduktfrei sind, natürlich. Wir ex­perimentieren viel und entwickeln uns ­täglich weiter.“ Er gibt jedoch zu, dass die Küche noch nicht komplett müllfrei ­arbeitet. Grundzutaten wie Reis oder Mehl werden noch in Pappverpackungen ange­liefert, die dann ebenso wie die Weinflaschen ins ­Recycling wandern. „ZERO Kompromiss bei 100 % Geschmack“, wie auf der Webseite des Frea steht, ist also nicht zu 100 % der Fall.

Ein Pionier wie „Original Unverpackt“

Gefühlte 97 % sind ja aber auch schon ein sehr guter Wert, und man fragt sich, warum noch kein anderes Restaurant auf den Zero-Waste-Kniff kam. Suchy erklärt sich das so: „Wenn man sich lange genug einem Thema widmet und die längeren Wege geht, findet man Menschen, Lieferanten, Produzenten und Bauernhöfe, die genauso denken.“ Diesen Willen müsse man als Restaurant­gründer aber haben, und die meisten hätten wohl genug mit anderen Aspekten der Restaurantgründung zu kämpfen.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Klingt zu einfach? Vielleicht passt der Zero-Waste-Supermarkt „Original Unverpackt“ in Berlin-Kreuzberg als Vergleich. Auch bei dessen Eröffnung vor knapp fünf Jahren fragte man sich: Wie kann das funktionieren, warum gab es das nicht vorher schon? Und nun kopieren viele Bio-Supermärkte Teile des Konzepts.

Suchy hofft, dass entsprechend auch andere Restaurants auf den Zug aufspringen und nachhaltiger arbeiten. 1,7 Millionen Tonnen Lebensmittel wurden in der deutschen Gastronomie laut einer Studie der Uni Stuttgart im Jahr 2015 weggeworfen – rund 13 Millionen Tonnen sind es insgesamt.

Man kann Schritt für Schritt vorgehen, sagt Johannes Suchy: „Niemand muss sich sofort eine Kompostiermaschine zulegen.“ Aber Brot oder Pasta selber machen, das lohne sich für alle Seiten. „Dafür bezahlen Kunden auch!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Hinter jeden hippen Berliner Geschäftsidee gleich eine Weltrettungsaktion zu vermuten oder zu unterstellen finde ich schon ein bisschen befremdlich. Am Ende wird hier die gleiche Erlebnisgastronomie zelebriert, wie seinerzeit der erste Japaner, der am Tisch die Speisen zubereitete. Gemeinsam haben sie das Modell „kP&gP“ = kleine Portionen zu großen Preisen. Sparsamer Rohstoffeinsatz und vernünftiger Umgang mit Resten und Müll kann im Grunde jeder Landgasthof.

    • @97088 (Profil gelöscht):

      Hipp klingt nach modischen Schnickschnack, eher abwertend.



      Hier geht es aber um den ernsthaften Versuch, umfassend nachhaltig zu handeln, nicht nur zu reden. Und das ist modern, intelligent und zukunftsweisend.



      Von dieser Idee sollte sich jeder Landgasthof was abschneiden.



      Tun sie aber kaum. Dort gibt`s zumeist Deftiges aus Tierprodukten von Massentierhaltung und konventioneller Produktion mit dem verstaubten Stempel "Tradition". Von moderner Ernährung mit Respekt vor Tieren und Umwelt hat das in der Regel kaum was zu tun.



      Aber wie Sie sagen. Eigentlich wäre es einfach.

  • Ein interessantes und zu befürwortendes Konzept! Ein paar Fragezeichen bleiben mir bloß beim Wegwerfen von Essen. Wo ist der Unterschied zwischen einem Vorort-Kompostieren und dem Verwerten von Bio-Müll über kommunale Betriebe? In einem Schritt vor dieser Frage, sollte reflektiert werden, warum es zum Wegwerfen kommt. Und da scheint mir das Verhalten der Konsument*innen und der Restaurants nebst der Esskultur relevant zu sein. Bestelle ich mir die richtige Portion bzw. wird mir eine Bestimmung der Portion angeboten bzw. wenn etwas übrig bleibt, lasse ich es mir einpacken? Wie ist gesellschaftlich gesehen der Umgang mit Essen und dem Wegwerfen? Wie ist der Status von Essen?