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Zentralstaat und Regionen in ItalienDie Lega setzt sich durch

Italiens Senat beschließt eine Staatsreform zur Stärkung der reichen Regionen. Damit dürften staatliche Leistungen weiter auseinanderfallen.

Matteo Salvini hat sich mit seinem Deal durchgesetzt, die reichen Regionen Italiens werden noch mehr gestärkt auf Kosten der armen Regionen Foto: Provvisionato Marco/imago

Rom taz | Es war ein Sieg für die in Italien regierende Rechte, ein Sieg vor allem für die in den reichen Regionen des Nordens starke Lega unter Matteo Salvini: Am Dienstagabend billigte der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, mit klarer Mehrheit das Gesetz, das die „differenzierte Autonomie“ der Regionen auf den Weg bringt. Die noch ausstehende Zustimmung auch des Abgeordnetenhauses gilt als sicher.

Nach diesem Gesetz können in Zukunft Italiens Regionen eine ganze Latte von Zuständigkeiten, die bisher beim Zentralstaat lagen, für sich reklamieren, vom Schul- übers Gesundheitswesen zum Umweltschutz, der Energie- oder der Verkehrspolitik.

Erbittert hatten die Oppositionsparteien, die gemäßigt linke Partito Democratico ebenso wie das Movimento5Stelle (5-Sterne-Bewegung), gegen dieses Vorhaben gestritten. Denn angesichts des enormen ökonomischen und sozialen Gefälles zwischen den reichen Nordregionen, der Lombardei, des Veneto oder der Emilia-Romagna einerseits, der Armenhäuser im Süden wie Kalabrien, Sizilien oder Kampanien andererseits, fürchten sie, dass in Zukunft die staatlichen Leistungen für die Bür­ge­r*in­nen weiter auseinanderdriften werden.

Für diese Befürchtung gibt es gute Gründe. In der „differenzierten Autonomie“ ist nämlich vorgesehen, dass die Regionen in dem Maße, in dem sie bisher zentralstaatliche Aufgaben übernehmen, auch einen höheren Anteil des bei ihnen anfallenden Steueraufkommens erhalten, angefangen bei Einkommens- und Mehrwertsteuer. Davon würden natürlich jene Regionen profitieren, in denen das Geld verdient wird und damit ein größerer Steuertopf entsteht.

Deal zwischen Georgia Meloni und der Lega

Auf den ersten Blick leuchtet nicht ein, wieso ausgerechnet die größte Regierungspartei der postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens) unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni dieses Gesetz durchwinkte, schließlich forderte der Meloni-Verein noch vor wenigen Jahren gar die Abschaffung der Regionen und ist seit jeher Fan eines starken Zentralstaats. Nur noch „Brüder halb Italiens“ seien sie jetzt, giftete am Dienstag die Opposition denn auch im Senat, unter Absingen der Nationalhymne und Schwenken der italienischen Trikolore-Flagge.

Doch Giorgia Meloni macht jetzt dieses Zugeständnis, weil sie mit Matteo Salvinis Lega einen Deal geschlossen hat. Salvini bekommt die Regionalautonomie, dafür erhält Meloni die ihr wichtige Verfassungsreform, die gegenwärtig auch im Parlament beraten wird: die Direktwahl des Regierungschefs.

Danach werden Italiens Wäh­le­r*in­nen in Zukunft an der Urne nicht nur ihre Par­la­men­ta­rie­r*in­nen bestimmen, sondern auch den Ministerpräsidenten. Auf diesem Weg soll die Stellung der Exekutive gegenüber dem Parlament entscheidend gestärkt werden, ganz im Sinne von Melonis Vision des entschlossenen „Durchregierens“.

Zudem sei der Zusammenhalt des Nationalstaats durch die Regionalreform gar nicht gefährdet, hält die Rechte den Kri­ti­ke­r*in­nen aus der Opposition entgegen. Denn bevor die Reform in Kraft trete, werde der Zentralstaat auf allen Feldern „essentielle Leistungsniveaus“ definieren, auf die die Bür­ge­r*in­nen Anspruch haben, auch in armen Regionen wie Kalabrien oder Sizilien. Völlig unklar ist jedoch, woher die Ressourcen für die Aufrechterhaltung von Leistungen etwa in Bildung und Gesundheit kommen sollen, wenn die reichen Regionen höhere Steuermittel für sich behalten können.

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2 Kommentare

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  • Wenn der Ministerpräsident direkt gewählt wird, ist das ja wie einem Präsidialsystem a la Frankreich oder USA.



    Wofür braucht man dann noch einen Staatspräsidenten ?

  • Was spricht gegen mehr regionale Autonomie? Ich dachte, ein starker Zentralstaat werde von Linken nicht mehr angestrebt (Stichwort Staatskapitalismus).