Zensur in Kinderbüchern: Wichsen verboten
Die Sprache im Kinderbuch „Die kleine Hexe“ wird bereinigt: Nach dem Thema Rassismus sind nun die sexuell konnotierten Wörter dran.

Jetzt ist also auch „wichsen“ bald verboten: Der Thienemann Verlag will das Wort aus Otfried Preußlers Kinderbuchklassiker „Die kleine Hexe“ verbannt sehen. Damit geht die Debatte um Zensur in Kinderbüchern munter weiter. Und nachdem das Thema Rassismus (Pippi und der „Negerkönig“, Jim Knopf und das „Negerbaby“) durch ist, konzentriert man sich nun offenbar auf sexuell konnotierte Wörter.
Man erinnere sich: Vor Weihnachten erregte die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) Aufmerksamkeit, als sie in der Wochenzeitung Die Zeit erklärte, wie sie ihrer Tochter Kinderbuchklassiker vorlesen möchte: Das „Negerbaby“ in „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ werde bei ihr zu einem „Baby mit dunkler Hautfarbe“.
Bei der Gelegenheit fiel auf, dass der Oetinger Verlag bereits seit 2009 aus dem „Negerkönig“ in „Pippi in Taka-Tuka-Land“ einen „Südseekönig“ macht, „Tom Sawyer“ seit 2011 ebenfalls in bereinigter Form vorliegt (aus „Nigger“ wurde „Sklave“), und der Kika, der gemeinsame Kinderkanal von ARD und ZDF, die Augsburger Puppenkiste („Jim Knopf“) bereits 2011 nicht mehr zeitgemäß fand und unter Protesten aus dem Programm strich.
Jetzt also: wichsen. Nun kann „wichsen“ ja zweierlei bedeuten. Zum einen ist es die hässliche Schwester des ungleich vornehmeren Wortes „onanieren“. Zum anderen sagte man es früher schlicht anstelle von „Schuhe putzen“. Und Kinder wurden, wie in der „Kleinen Hexe“, „durchgewichst“, sprich: geschlagen. In jeder Hinsicht vergangene Zeiten. Deshalb, so der Thienemann Verlag, halte man eine Modernisierung bei alten und ungebräuchlichen Wörtern für sinnvoll.
Dass Sprache sich verändert, hat man also schon mal erkannt. Dass darin auch genau der Reiz von Sprache liegt, nicht. Und dass „durchwichsen“ schon von ganz alleine aus dem aktiven Sprachgebrauch verschwunden ist, zeigt, dass Zensur auch immer etwas Künstliches und eigentlich Überflüssiges hat.
Die Generation, die jetzt den „Negerkönig“ streichen will, hat genau diesen von ihren Eltern vorgelesen bekommen. Trotzdem, und vielleicht auch genau deswegen, hat die Sensibilisierung für diskriminierende Sprache, für richtig und falsch, hervorragend funktioniert.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens