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Zeigen, wer die Welt zeigt

■  Reiner Holzemers Dokumentarfilm über die berühmteste Bildagentur tappt leider in die Hommagefalle: „Magnum Photos – Ein Mythos verändert sich“ (22.15 Uhr, Arte)

Freiheit, Respekt, Echtheit, Unbestechlichkeit: Das sind Worte, die man trotz ihres ehernen Gehalts in Sekundenkürze dahinsagt. Fast so schnell, wie ein Foto geschossen wird. Und die richtig guten Aufnahmen haben dann auch eine ganze Menge mit diesen Worten zu tun. Diese Überzeugung teilen zumindest Eli Reed, Burt Glinn, René Burri, Larry Towell und all die anderen Fotografen und Fotografinnen, die in Reiner Holzemers Dokumentarfilm „Magnum Photos – ein Mythos verändert sich“ über ihre Arbeit sprechen.

Wenn man 50 Jahre lang solche Worte für sich in Anspruch nehmen kann, wird man unweigerlich zum Mythos. Magnum ist ein Mythos. 1947 wurde die berühmteste Fotoagentur der Welt von Robert Capa, David Seymour, George Rodger und Henri Cartier-Bresson in New York gegründet. Benannt nach der großen Champagnerflasche setzte Magnum durch, dass die Fotografen die Urheberrechte an ihren Bildern behalten konnten, statt sie an Verlage oder Agenturen abtreten zu müssen. So konnten sie ihre Fotos immer wieder verkaufen und sich dadurch mehr Zeit für ihre Projekte nehmen. Hinzu kam, dass Magnum auf dem Höhepunkt des Fotojournalismus in einer Zeit gegründet wurde, als es noch nicht so viele Bilder von dieser Welt gab. Wer wusste nach dem zweiten Weltkrieg schon, wie es in Patagonien aussieht?

Die Magnum-Fotografen lieferten die Bilder von Louis Armstrong in seiner Gaderobe oder vom revolutionären Kuba in die Wohnzimmer und prägten damit das visuelle Gedächtnis des 20. Jahrhunderts. Das oberste Gebot lautete dabei immer: „Die Welt so zeigen, wie sie ist.“ Nichts stellen, keine Künstlichkeit, Achtung vor den Menschen, der Realität, dem Bild. Burt Glinn erzählt in Holzemers Film über das Gründungsmitglied Cartier-Bresson, dass er von Magnum-Fotografen erwarte, sie mögen durch eine Art höhere Berufung sich dazu verpflichtet fühlen, den Leuten die Realität zu zeigen – mit so viel Mitgefühl wie möglich. Humanismus halt.

Aber die Welt hat sich verändert. Bilder von ihr gibt es reichlich, und das Fernsehen hat die Reportagefotografie längst ins Abseits gedrängt. Heute gibt es 50 aktive Magnum-Fotografen weltweit, die basisdemokratisch darüber entscheiden, wie sie das Geld ihrer Agentur anlegen und wer nach einem langen Auswahlverfahren für würdig befunden wird, in ihren erhabenen Zirkel aufgenommen zu werden. Vor allem jedoch haben sie sich dabei der Krise des Fotojournalismus zu stellen und über seine Zukunft zu entscheiden. Und genau davon handelt Holzemers Dokumentarfilm.

Dem Nürnberger Filmemacher ist es gelungen, das Vertrauen der Fotografen zu gewinnen. Ganz nah zeigt er sie bei ihrer Arbeit: Eli Reed in New York bei einem Straßenfest der Puertoricaner, Larry Towell in Kanada bei mennoitischen Wanderarbeitern, die er seit acht Jahren fotografiert, und Luc Delahaye in Paris bei einer Demonstration gegen Le Pen. Dazwischen erzählen sie und einige ihrer Kollegen von ihrer Philosophie und ihrem Verhältnis zur Institution Magnum. Zusammengehalten wird das Filmporträt von den berühmtesten Fotos der Agentur – Che mit Zigarre, James Dean im Regen – die immer wieder eingeblendet werden.

Holzemer fängt die Vielfalt dieser Individualisten ein und destilliert daraus das, was sie vereint. Und obwohl auch er dazu gehört, ist der umstrittene Martin Parr eine Art Sonderfall bei Magnum: Er wurde vor wenigen Jahren mit nur einer Stimme Mehrheit in die Agentur aufgenommen. Der Vorbehalt gegen ihn lautete vor allem: Zynismus. Denn Parr fotografiert das Alltägliche in all seiner erbarmungslosen Ekligkeit: Pink lackierte Fingernägel, die ein Orangenstück halten, ein Kinderbein, das in einem Mickey-Mouse-Strumpf mit Ohren steckt oder neongelb glasiertes Mellow-Monsters-Gebäck. An ihm scheiden sich die Magnum-Geister: Einerseits gebe Parr die Menschen mit seinen Bildern der Lächerlichkeit preis, andererseits zeige aber auch er die Welt – wie sie heute eben ist.

Leider ist es Holzemer nicht wirklich gelungen, von diesem Präzedenzfall aus zu fragen, inwieweit auch die hehre „humanistische“ Fotografie den Menschen immer schon ausgebeutet hat. Stattdessen hat er eine wunderbare Hommage an Magnum gedreht, an deren Ende in der letzten Einstellung Cartier-Bresson bei der Verfertigung eines Schutzschildes gezeigt wird, die er sich dann verschmitzt lächelnd vors Gesicht hält. Sein größter Ehrgeiz hatte lebenslang darin bestanden, möglichst nie abgebildet zu werden. Ein echter Glücksfall. Ania Mauruschat

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