Zaun um den Görlitzer Park: Das Machtsymbol materialisiert sich
Der Zaunbau am Görlitzer Park soll schon in zwei Wochen starten. Für das Schließ-Management rechnet der Senat mit Kosten von 800.000 Euro jährlich.
Wie aus der Antwort von Umweltstaatssekretärin Britta Behrendt auf die Anfrage der Abgeordneten Elif Eralp und Niklas Schenker hervorgeht, hat der Senat die landeseigene Grün Berlin GmbH mit der sogenannten Umfriedung beauftragt. Im Juni sei „die Entwurfsplanung abgeschlossen und eine Bauplanungsunterlage zur Prüfung eingereicht“ worden. Für den Lückenschluss – zwei Teilstrecken an der Wiener Straße, eine neben dem Cabuwazi-Zirkus, die andere an der Ecke zum Görlitzer Ufer –, sei bereits ein Planungsbüro beauftragt worden. Der Baustart bei den „Eingangssituationen“ sei noch von der weiteren Planung abhängig.
Wie berichtet, soll die Umzäunung und nächtliche Schließung des Parks gegen den Willen des Bezirks realisiert werden. Neben dem Bezirksamt hatte sich auch die BVV Friedrichshain-Kreuzberg mit großer Mehrheit gegen das umstrittene Vorhaben positioniert. Erst vor drei Wochen klagte der Bezirk vor dem Verwaltungsgericht dagegen, dass der Senat die Maßnahme unter Nutzung des Eingriffsrechts gemäß dem Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz (AZG) an sich gezogen hat.
Wie das Bezirksamt bezweifeln auch die Linken-Parlamentarier Eralp und Schenker, dass der Senat rechtmäßig Gebrauch von dieser Ausnahmeregelung gemacht hat. In ihrer Anfrage wollen sie von der federführenden Umweltverwaltung wissen, was das „dringende Gesamtinteresse Berlins“ sein soll, das laut § 13 AZG von der Weigerung des Bezirks beeinträchtigt wird.
Die Staatssekretärin antwortet darauf, der „gesamtstädtische Bezug des Kriminalitätsschwerpunktes Görlitzer Park“ bestehe „insbesondere in der (…) bezirksübergreifenden Ausstrahlungswirkung und stadtweiten Bedeutung“. Der Park habe sich „über Jahre zu einem zentralen Anlaufpunkt Berlins entwickelt“, und die „dort bestehenden Gefahren“ gingen „weit über eine rein bezirkliche Wirkung hinaus“.
Kriminalistische Hypothesen
Eralp und Schenker wollten auch wissen, welche „kriminalistische Hypothese“ der Überlegung zugrunde liege, das nächtliche Abschließen eines einzelnen Parks könne stadtweit zur Verringerung des Drogenhandels und dessen Begleitkriminalität führen. Behrendt antwortet darauf, es handele sich lediglich um einen Bestandteil einer gesamtstädtischen Strategie mit 30 Maßnahmen.
Die Schließung zur Nachtzeit diene der „Eindämmung von Betäubungsmittel- und einhergehende Gewalt- und Eigentumsdelikten“, denn sie führe zu einem „wesentlichen Wegfall der Tatgelegenheitsstruktur“. Der Görlitzer Park sei „durch seine Struktur und eine dort über Jahrzehnte etablierte Drogenszene eine straftatenbegünstigende Örtlichkeit“ und weise im Vergleich aller Grünanlagen Berlins die meisten Straftaten auf.
Die Linken-PolitikerInnen halten diese Begründung für „äußerst dünn“, zumal der Senat die höhere Rate an Straftaten gegenüber anderen Grünanlagen nicht einmal mit einer Vergleichsstatistik belege. Ihnen zufolge finden zudem über 75 Prozent der Straftaten Görlitzer Park tagsüber statt. Und „nur 3 Prozent der im sogenannten kriminalitätsbelasteten Ort ‚Görlitzer Park/Wrangelkiez‘ erfassten Taten“ würden im Park selbst begangen. Der Zaun und die geplante „Verpolizeilichung“ seien „reine Symbolpolitik“. Eralp und Schenker kritisieren darüber hinaus, dass der Senat die Umzäunung in Auftrag gegeben habe, ohne das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuwarten.
Aber auch die laufenden Kosten der nächtlichen Schließung und deren Überwachung, die Behrendt mit jährlich 800.000 Euro angibt, halten sie unangemessen hoch. Das sei „eine Menge Geld, die der Senat für dieses Machtsymbol ausgeben“ wolle. „Angesichts der Haushaltssituation ist das komplett unverantwortlich.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!