Geschichte des Görlitzer Parks in Berlin: Früher brannten mehr Bagger
Für die einen Hort allen Übels, für die anderen Naherholung: Schon in den 80er Jahren mussten Kreuzberger:innen für den Görlitzer Park kämpfen.
Abgesehen von etwas zivilem Ungehorsam bei der im Juni dann erfolgten Einrichtung einiger Baustellen ist bislang weder das eine (Wir können auch anders!) noch folglich das andere (Rübe ab!) eingetreten. Wie auch ansonsten nicht viel passiert ist an den Eingängen des Görlitzer Parks, die doch bis zum Ende des Jahres allesamt Drehkreuze und Stahltore zwecks nächtlicher Absperrung schmücken sollen.
Am Eingang Görlitzer Straße, Ecke Görlitzer Ufer etwa gibt es außer ein bisschen Beton, ein paar Bauzäunen und Schachtabsperrungen nichts zu sehen. Vor gut einem Monat hatte hier ein einzelner Bauarbeiter eine Grube ausgehoben für ein Torfundament. Das Fundament ist fertig, die Baufirma anderswo zugange. „Es ist tatsächlich noch sehr unspektakulär“, sagt David Kiefer von der Initiative Görli Zaunfrei.
Stille Prozession durch den Park
Kiefer gehört wie Linke-Landeschefin Kerstin Wolter am Dienstagabend zum Begleitprogramm eines vom linksparteinahen Bildungsverein Helle Panke organisierten Rundgangs zur Geschichte und Gegenwart des Görlitzer Parks. Immerhin rund 50 Interessierte schließen sich der stillen Prozession an, die – von den restlichen Parkbesucher:innen gänzlich ignoriert – von der Skalitzer Straße quer durch den Park bis zum Görlitzer Ufer zieht.
Wolter kündigt an, den Zaun umgehend wieder abreißen zu lassen, sollte die Linke nach der Abgeordnetenhauswahl 2026 „etwas zu sagen haben“. Kiefer spricht über die Wut der Anwohner:innen. Im Mittelpunkt aber steht Kessy Schmidt.
Schmidt engagiert sich bei der Agentur für soziale Perspektiven, einem Verein für politische Jugendbildung, und hat einmal ein Kinderbuch zur Geschichte des ab Ende der 80er Jahre errichteten Parks veröffentlicht. Sie ist hier die Expertin.
Und so berichtet sie: vom 1945 schwer beschädigten Görlitzer Bahnhof, der einst auf der Fläche stand, vom umstrittenen Abriss des Kopfbahnhofs ab 1961, von der jahrzehntelangen Nachnutzung der ehemaligen Gleisanlagen als Kohle- und illegale Müllhalde. Und von renitenten Anwohner:innen, die ab Ende der 70er Jahre versuchten, ihre Idee von einem Stadtpark gegen die Widerstände der Behörden durchzusetzen. Was ihnen ein Jahrzehnt später schließlich auch gelang.
Feuer und Flamme der studierten Verplanung
Aber nicht mal alle Kreuzberger:innen waren von der Parkidee begeistert. Im November 1987 – ein halbes Jahr nach den ersten Berliner 1.-Mai-Krawallen – krachte es. Die Gruppe „Wildwuchs 36“ fackelte zwei Bagger ab, die für vorbereitende Bauarbeiten angefangen hatten, verseuchte Erde herauszuholen.
In einem seinerzeit von der taz durchaus empört zitierten Bekenner:innenschreiben wetterte die Gruppe gegen die „studierte Verplanung der Freifläche“. Sie wollten, dass alles bleibt, wie es ist, und weiter auf „wildwachsenden Flächen“ der „Abendröte entgegenschauen“.
Wer hinter den Anschlägen steckte, kam nie heraus. Die Parkinitiative war jedenfalls fassungslos, berichtet Kessy Schmidt. „Die Leute haben das überhaupt nicht verstanden und gesagt: Wir machen das doch für uns alle.“ Es gab Treffen und Proteste gegen das Abfackel-Kommando, das dann alsbald auch wieder in der Versenkung verschwand.
Schmidt sagt: „Es war halt schon immer so, dass wir, die für den Park kämpfen, uns dagegen wehren müssen, was andere hier wollen.“ Oder eben nicht wollen.
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