Zahlen zu Folgen des Mindestlohns: Löhne nicht mehr ganz so ungleich
Der Mindestlohn lohnt sich endlich auch für Geringverdiener*innen. Viele bleiben aber in prekären Verhältnissen gefangen.
Dank des Mindestlohns geht die soziale Spaltung in Deutschland etwas zurück. Weil die Verdienste der am schlechtesten bezahlten Beschäftigten relativ stark steigen, nehme die Ungleichheit der Einkommen neuerdings ab, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem neuen Wochenbericht. Allerdings macht sich diese positive Tendenz vor allem bei den Stundenlöhnen bemerkbar – bei den Monatslöhnen ist sie weniger, bei den Jahreslöhnen gar nicht zu sehen.
Die Studie des DIW beflügelt die aktuelle Debatte, ob die sozialen Verhältnisse der Bundesrepublik ungerechter werden oder ob sich im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs positive Zeichen zeigen. Die DIW-Ökonomen Markus Grabka und Carsten Schröder betrachten in ihrer Studie den Verlauf seit 1992. Sie zeigt, dass die Ungleichheit der Stundenlöhne schon in den 1990er und dann in 2000er Jahren während der sogenannten Hartz-Reformen zunahm.
Gut qualifizierte Angestellte wie Anwält*innen, Ärzt*innen, Ingenieur*innen, Gymnasiallehrer*innen und Leute im mittleren Management erzielten steigende Verdienste, während etwa Verkäufer*innen, Gebäudereiniger*innen, Sicherheitsleute und andere mit niedrig bezahlten Dienstleistungsjobs weniger Geld bekamen. Nun aber geht auch unten was: „Zwischen 2013 und 2016 sind die Bruttostundenlöhne im untersten Dezil erstmals deutlich mit rund 13 Prozent gestiegen“, sagt Schröder. Dies betrifft die 10 Prozent der Beschäftigten mit den niedrigsten Einkommen.
Der Grund: „Gerade der flächendeckende Mindestlohn dürfte die Spreizung der Bruttostundenlöhne deutlich verringert haben“, so Schröder. Ab 2009 führte die Bundesregierung Lohnuntergrenzen für einzelne Branchen ein, 2015 folgte der gesetzliche Mindestlohn. Dadurch stieg der mittlere Bruttostundenlohn in der gesamten Wirtschaft von 15,75 Euro (2013) auf 16,60 Euro (2016). Zuvor waren die Löhne des unteren Dezils um 15 Prozent eingebrochen.
Weniger Verdienst, aber auch weniger Arbeit
Auch bei den Bruttomonatslöhnen nimmt die Ungleichheit zwischen unten und oben neuerdings ab, aber nicht so deutlich wie bei den Stundenlöhnen. Der Grund dürfte darin liegen, dass die Arbeitszeit der Beschäftigten teurer wird und deshalb manche Firmen besonders Niedriglohnjobber weniger Stunden arbeiten lassen. Aber auch die Beschäftigten selbst reduzieren ihre Arbeitszeit, weil sie unter der 450-Euro-Minijob-Grenze bleiben wollen.
Wie groß die Verluste für Arbeitnehmer*innen im Niedriglohnsektor waren, zeigt sich laut DIW besonders an den Monatslöhnen. Im Vergleich zu 1992 sank der mittlere Lohn in der untersten Einkommensgruppe bis 2010 um rund 50 Prozent. Erst danach ist eine leichte Erholung zu sehen.
Der Rückgang war und ist so stark, weil die Leute nicht nur weniger verdienten, sondern auch weniger arbeiteten. Die ärmsten Beschäftigten leisteten 2016 fast 10 Stunden pro Woche weniger als 1992. Viele von ihnen sind gefangen im Minijob.
Wenn man die Ungleichheit zwischen hohen und niedrigen Verdiensten auf das Jahr gerechnet betrachtet, sieht man eine leichte Zunahme. Die Erklärung ist hier, dass die Leute mit den höchsten Einkommen überproportional von Sonderzahlungen profitieren, die nur einmal jährlich überwiesen werden. Minijobber erhalten keine Boni.
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