Zahl der Waldbrände nimmt deutlich zu: „Technik zum gezielten Feuerlegen“
Dass es im Wald immer häufiger brennt, hat mehrere Gründe. Der Verein „Waldbrandteam“ ist auf die Bekämpfung von Vegetationsbränden spezialisiert.
taz: Herr Maushake, warum kommt es in letzter Zeit so häufig zu Waldbränden?
Detlef Maushake: Da kommen mehrere Faktoren zusammen: Zum einen wird es wärmer und trockener. Wir unterschreiten seit einigen Jahren die durchschnittlichen Regenmengen, die die Natur eigentlich bräuchte – gerade im Winter. Zum anderen wird aus Gründen der Naturpflege mehr Totholz in den Wäldern belassen. Das ist alles Brennmaterial. Der dritte Faktor ist der Mensch. Über 90 Prozent der Brände sind menschengemacht – durch Unachtsamkeit, durch Fahrlässigkeit, aber auch durch Brandstiftung.
Hat die Zahl der Brände zugenommen?
Deutlich – vor allem aufgrund der Wärme und der Trockenheit. Es gibt in Deutschland aber ein statistisches Problem: Nicht alle Brände werden gleichermaßen registriert. Wenn zum Beispiel eine Bahnböschung oder ein Acker brennt, geht das oft nicht in die Statistik ein. Das Gleiche gilt für kleinere Brände im Privatwald, die nicht gemeldet werden.
Wie viele Waldbrände gab es dieses Jahr in Niedersachsen?
Die Waldbrandzentrale in Lüneburg hat 2022 schon etwa 500 Brände gesichtet. Das deckt natürlich nur einen kleinen Teil Niedersachsens ab. Ich gehe insgesamt von mehreren Tausend Wald- und Flächenbränden aus, wobei die Größe stark variiert.
Waldbrände können auch Teil des natürlichen Kreislaufs sein …
Detlef Maushake, 51, ist Vorsitzender des Vereins „Waldbrandteam“ und Mitglied der Feuerwehr Salzgitter
In Deutschland gehören sie eigentlich nicht zum natürlichen Kreislauf. Es gibt bestimmte Baumarten, deren Tannenzapfen darauf angewiesen sind, Wärme zu bekommen, damit sie aufgehen und die Saat heraustritt. Diese Baumarten, die zum Beispiel in Kalifornien heimisch sind, gibt es in Deutschland aber nicht. Hier ist ein Waldbrand immer ein Schadfeuer, auch wenn sich die Natur davon erholen kann.
Ihr Verein „Waldbrandteam“ ist auf Vegetationsbrände spezialisiert. Wie oft sind Sie dieses Jahr schon ausgerückt?
Wir hatten einen geplanten Einsatz im Norden Portugals, um die dortige Feuerwehr zu unterstützen. Und wir waren in Brandenburg in der Nähe von Bad Liebenwerda im Einsatz. Daneben bilden wir viele Feuerwehren zum Thema Waldbrand aus. Der Prozess wächst noch – genauso wie die Erkenntnis, dass es Spezialist:innen braucht. Es gibt in Deutschland nur zwei Vereine und eine Abteilung, die sich speziell mit dem Thema Waldbrand beschäftigen. Unser Team hat etwa 80 Mitglieder und ist an vier Landkreise angebunden, die uns im Notfall alarmieren: Goslar, Salzgitter, Peine und Northeim.
Was ist der Unterschied zur normalen Feuerwehr?
Einen Gebäude- oder Autobrand könnten wir nicht löschen. Wir haben ausschließlich Spezialmaterial für die Bekämpfung von Vegetationsbränden. Das sind zum Beispiel sehr dünne Schläuche oder kleine, mobile Pumpen, mit denen man im Gelände einfacher arbeiten kann. Dazu kommen Handwerkzeuge, mit denen Glutnester ausgehoben oder Feuerschneisen gegraben werden können. Wir besitzen auch Technik zum gezielten Feuerlegen, um beispielsweise Gegenfeuer zu legen oder Flächen kontrolliert abzubrennen.
Sie bekämpfen Feuer mit Feuer?
Einerseits setzen wir Feuer zur Brandbekämpfung ein, in dem wir kontrollierte Gegenfeuer legen, die dem Hauptbrand entgegenlaufen und ihm so das Brennmaterial vorwegnehmen. Andererseits können wir durch kontrollierte Feuer das Totholz in den Wäldern präventiv beseitigen. Ohne dieses Unterholz entstehen erst gar keine Vollfeuer.
Vortragsreihe Waldwissen: „Vegetationsbrandbekämpfung und kontrolliertes Brennen zur Flächenpflege im Naturschutz“
2. August 2022, 17.30–19 Uhr,
Waldforum Riddagshausen, Braunschweig
Wie müssen sich die Wälder verändern, um zukünftig Brände zu vermeiden?
Die Brennstoffmasse müsste verkleinert werden. Das passiert durch gezielte Ausdünnung bestimmter Bereiche. Außerdem bräuchte es Baumarten, die weniger feueranfällig sind. Dazu zählen fast alle Laubarten, vor allem die bei uns heimische Buche. Durch sie entsteht mehr Feuchtigkeit und ein anderes Klima im Wald. Wenn es lange genug trocken war, brennt allerdings auch ein Laubwald. Es gibt keine feuerbeständigen Bäume – es gibt nur welche, die nicht so anfällig sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut