Zahl der Flüchtlinge in Deutschland: BAMF baut den Rückstau ab
Im ersten Halbjahr 2017 ist die Zahl der Geflüchteten kaum noch gestiegen. Ende Juni lebten rund 1,5 Millionen mit unterschiedlichem Status im Land.
Laut Innenministerium waren zwischen Januar und Juni rund 90.000 Menschen als Flüchtlinge eingereist. Dass die Zahl der Flüchtlinge insgesamt weniger stark anstieg, liegt daran, dass viele Flüchtlinge auch ausreisen, abgeschoben werden oder, beispielsweise durch Einbürgerung, nicht mehr als Flüchtlinge in Deutschland leben.
Von den 1,5 Millionen erhielten etwa die Hälfte einen Schutzstatus: rund 590.000 sind gemäß Grundgesetz oder Genfer Konvention anerkannt, weitere 151.000 erhalten subsidiären Schutz. Hinzu kommen rund 415.000 Asylsuchende, über deren Antrag noch nicht entschieden wurde und 160.000 Geduldete, die zwar keinen Schutz erhielten, bei denen aber wichtige Gründe gegen eine Abschiebung sprechen. Hinzu kommen rund 190.000 Menschen, die geflohen sind und sich nach unterschiedlichen Gesetzen in Deutschland aufhalten dürfen.
Die Zahlen stammen aus Angaben des Bundesinnenministeriums in der Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei (PDF: Teil 1 und Teil 2) im Bundestag. Diese fragt halbjährlich die Zahl der in Deutschland lebenden Geflüchteten mit unterschiedlichem Status ab. „Erhöht hat sich vor allem die Zahl der Flüchtlinge mit einem Aufenthaltsrecht“, sagte Ulla Jelpke, die die Anfrage stellte, zur taz. „Die politischen Anstrengungen müssen in erster Linie auf die schnelle und gute Integration der hier lebenden Flüchtlinge gerichtet sein.“
78 Prozent haben Aufenthaltsrecht
Empfohlener externer Inhalt
Rund 420.000 der Flüchtlinge mit Schutzstatus stammen aus Syrien, die meisten sind nach der Genfer Flüchtlingskonvention geschützt. Etwa 110.000 weitere Menschen kommen aus dem Irak. Die drittgrößte Gruppe ist aus Afghanistan, gefolgt von Eritrea und Iran. Die Geduldeten kommen vor allem aus Serbien, Kosovo und Albanien, Afghanistan und Russland.
Die Statistik zeigt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das noch Hunderttausende offene Asylverfahren hat, beginnt, den Rückstau abzubauen. Hatte es Ende 2016 noch 575.000 Asylsuchende gegeben, die noch keine Entscheidung über ihren Asylantrag erhalten hatten, waren es ein halbes Jahr später insgesamt etwa 415.000.
Jelpke kritisierte zudem einen Bericht der Bild-Zeitung aus dem vergangenen Jahr, in dem es hieß, dass mehr als eine halbe Million abgelehnter Asylbewerber in Deutschland lebe. Außerdem würden die Daten „das Versagen der Bundesländer bei den Abschiebungen“ belegen. In der vorliegenden Anfrage fragte die Abgeordnete auch diese Zahl ab. In der Antwort heißt es, dass von den inzwischen über die Jahre fast 600.000 abgelehnten Antragsstellern 78 Prozent ein Aufenthaltsrecht haben – eine Abschiebung also ohnehin ausgeschlossen ist.
Ein Großteil des Restes wird geduldet. Nur Rund 32.000 Menschen sind verpflichtet auszureisen und haben keine Duldung. „Die populistische Klage über angeblich zu wenige Abschiebungen ist nicht nur herzlos und menschenverachtend“, sagte Jelpke zur taz. „Sie ist vor allem von den empirischen Zahlen nicht gedeckt.“
(Hinweis zu fehlenden Jahren der Grafik: Die Zahlen werden von Die Linke seit 2006 abgefragt. Laut Linke wurden bei der ersten Anfrage auch die Zahlen der vorherigen Jahre erfragt, waren aber nicht verfügbar oder nur aufwändig zu rekonstruieren. Die Zahlen für 1997 gab es trotzdem.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin