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ZUWANDERUNGSGESETZ: DIE FÖDERALE ORDNUNG SCHEITERTBundeserfüllungsgehilfen

Im spätmittelalterlichen Chor des Doms von Barcelona war für den Besuch des Kurfürsten von Brandenburg ein reich geschnitzter Chorstuhl vorgesehen. So ehrte man damals auch in den Ferne den brandenburgischen Landesherrn. Über die Zeiten hinweg hat sich – sieht man von den Scheckensjahren 1933–45 ab – die föderative Struktur Deutschlands erhalten, immer wieder neu erfunden, immer wieder praktisch erprobt als Instrument sozialer Integration und Identifizierung. „Aus deutschen Landen“, wie es uns altertümelnd und für Käse werbend auch heute noch von den Reklamewänden verkündet wird.

Wenn allerdings Manfred Stolpe an diesem Freitag vor dem Bundesrat auftreten wird, so nicht in seiner Lieblingsrolle als fürsorglicher Landesvater, in eigenem Recht und mit eigener Kompetenz. Wie sein Konterpart Jörg Schönbohm wird er als Bauer im Bundesschach figurieren, Bundespolitik exekutieren. Ein weiteres Mal zeigt sich der Bundesrat als verlängerter Arm des Parteienstaats. Nicht um Gewaltenteilung geht es, nicht um spezifische Länderinteressen, die im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes wahrzunehmen wären. Das ist nur Schein. Wie auch Schönbohms „Nein!“ nicht der Sorge um das Wohl der Brandenburger entspringt, sondern der Seelenmassage seitens der CDU-Zentrale.

Der Bundesrat ist einem Monstrum gleich. Ein Relikt aus den Zeiten des Bismarck’schen Obrigkeitsstaats, wo das Gremium gleichen Namens als Gesandtenkongress der deutschen Fürsten tätig war. Ein Exekutivorgan mit weitreichenden Befugnissen legislativer Art. Aber das eigentlich Problematische dieser Fehlkonstruktion liegt darin, dass sie sich als zunehmend unfähig erweist, Länderinteressen effektiv wahrzunehmen. Seit der großen Koalition der 60er-Jahre sind wir Zeugen eines Prozesses, in dessen Verlauf die Länderautonomie ausgehöhlt wird. Der Bund übernahm eine große Zahl von Gemeinschaftsausgaben, er kassiert das Gros der Steuern, die nach dem Grundgesetz Bund, Ländern und minimal auch den Gemeinden zustehen. Darüber hinaus subventionierte er durch das System der Sonderzuweisungen die Haushalte vieler Bundesländer. Nicht der horizontale Finanzausgleich der Länder, ein elementares Gebot der Sozialstaatlichkeit, bildet das Problem, auch nicht die Hilfsmaßnahmen des Bundes vor allem in den neuen Ländern. Verheerend wirkt sich vielmehr der Sog aus, der zum „unitarischen“ Bundesstaat führt. Die Länder werden mehr und mehr zum Ausführungsorgan oder zur Klientel der Bundespolitik. Das führt zu einer Entmachtung der Landesparlamente und damit zum Wegfall der demokratischen Legitimation der föderalen Ordnung.

Gleichlaufend mit der Schwächung der Länderautonomie geht eine Stärkung des Bundesrates als verkappte Instanz der Bundespolitik einher. Jetzt wiederholt die CDU das gleiche Spielchen, in dem sich die SPD in der späten Kohl-Ära übte. Sie regiert über den Bundesrat mit, ohne hierfür ein Wahlmandat zu besitzen. Schröder kann im Bundesrat nicht einmal zwecks Disziplinierung die Vertrauensfrage stellen.Was wir beobachten, ist nur das klägliche Schauspiel von Geschenken an die Widerstrebenden hier und dort. Einzig hier obsiegt das Interesse maroder Landesfürsten an Zuwendungen des Bundes noch über die Parteiloyalität, der man sich ansonsten strikt verpflichtet fühlt.

Jetzt schlägt die Stunde juristischen Finessierens. Gilt die Landesverfassung Brandenburgs mit dem Alleinvertretungsrecht des Ministerpräsidenten oder gilt die Geschäftsordnung des Bundesrats, die, durch das Grundgesetz abgesichert, eine einheitliche Stimmabgabe vorschreibt? Nötig wäre aber eine politische Diskussion, die den Bundesrat in seiner jetzigen Funktion in Frage stellt, die ein demokratisch legitimiertes Gremium an seiner Stelle ins Spiel bringt, wie schon (erfolglos) bei den Beratungen zum Grundgesetz vor über 50 Jahren. Und notwendig wäre – bei sorgfältiger Wahrung des bundesstaatlichen Solidaritätsprinzips – eine Reform, die Aufgaben des Bundes zurückfährt, samt einer besseren steuerlichen Ausstattung der Bundesländer. Sonst droht „Einheit in der Vielfalt“ zu einem Reklamespruch zu verkommen.

Letztlich aber hängen solche Reformen davon ab, ob die politischen Parteien sich der Bürgerpartizipation öffnen, neue Formen der demokratischen Legitimation entwickeln, ihren Allzuständigkeitswahn begraben. Da aber sieht es schlecht aus. CHRISTIAN SEMLER

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