■ ZDF: Welche Bilder darf die Kriegsberichterstattung zeigen?: Klinisch, objektiv, irreal
Die „gebotene Zurückhaltung“ bei der Berichterstattung über die Geschehnisse im Kongo sei nicht beachtet worden, bedauert ZDF-Intendant Dieter Stolte. Deshalb war in den „heute“-Nachrichten am Donnerstag abend zu sehen, wie kongolesische Soldaten in der Hauptstadt Kinshasa einen mutmaßlichen Rebellen, der sich heftig wehrt, von einer Brücke werfen und ihn anschließend von oben herunter erschießen. Gebotene Zurückhaltung? Vielleicht so: „Kongo und Simbabwe haben am Freitag erhebliche Erfolge bei der Niederschlagung des Aufstandes gegen die kongolesische Regierung gemeldet.“ So berichtet die Agentur dpa gestern – klinisch, objektiv, irreal.
Um den Mittelweg zwischen verschweigender Falschmeldung einerseits und blutdürstiger Sensationslust andererseits wird gestritten, seit es Medien gibt, die über Kriege berichten. Denn Beschreibungen und Bilder können etwas bewirken. Im Vietnamkrieg vermochten es Bilder, Menschen weltweit emotional anzurühren und gegen den Krieg zu mobilisieren. Die Bilder, wie ein somalischer Mob einen toten nackten US-Soldaten durch Mogadischu schleift, waren mitentscheidend für den Rückzug der USA aus der ohnehin gescheiterten Somalia-Mission der UNO 1992–95.
Gebotene Zurückhaltung? Den Krieg nicht zeigen? Das war die Strategie der USA im Golfkrieg. Niemand starb sichtbar – der Protest gegen den Krieg fand keinen emotionalen Rückhalt. Der unblutige Krieg im Fernsehen ist die moderne Version des edlen Recken, der „pro patria“ auf dem Feld der Ehre stolz sein Leben aushaucht.
Also alles zeigen? Nein. Nicht jede Fotografie einer Grausamkeit hat den gleichen Effekt. Das Bild aus Kinshasa, das in Deutschland niemand zeigte, aber etwa die Leserschaft des britischen Guardian gestern zum Frühstück serviert bekam, zeigt, wie ein kongolesischer Lynchmob den verbrannten nackten Leichnam eines Tutsi verlacht und bespuckt. Das Bild schockiert – aber dabei bleibt es auch. Wer vorher nichts vom Kongo wußte, weiß jetzt nicht mehr. Die Fotografie entfernt den Konflikt vom hiesigen Betrachter, löst ihn auf in diffuse Grausamkeit. Man versteht nicht besser, sondern gar nicht mehr.
Eine Lösung gibt es nicht. Obwohl: Wie wäre es, genau jenes Bild auf fünf Spalten zu drucken, mit der Bildunterschrift: „Kongo und Simbabwe haben am Freitag erhebliche Erfolge bei der Niederschlagung des Aufstandes gegen die kongolesische Regierung gemeldet.“ Bernd Pickert
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