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ZDF-Doku „Mein Dresden“Ellenbogen und Treuhand

In Zeiten von Pegida und AfD: Die ZDF-Journalistin Bruni Reitzenstein spürt den Befindlichkeiten in ihrer Heimatstadt Dresden nach.

Im Gespräch mit einem Pegida-Anhänger kurz vor der Montagsdemo: Bruni Reitzenstein Foto: ZDF

Keine Frage, Dresden ist eine wunderschöne Stadt, Elbwiesen, Semperoper, Dresdner Barock mit der Frauenkirche und so weiter. Dresden war sogar einmal Weltkulturerbestätte der UNESCO. Die sächsische Hauptstadt ist aber auch, seit bald fünf Jahren schon, erste Aufmarschstätte der rassistischen und rechtsradikalen Pegida. Die rassistische und rechtsradikale AfD wurde gerade eben bei der Europawahl stärkste Partei in Dresden und Umgebung. Keine Frage, Dresdens Ruf hat gelitten.

Und die am meisten darunter leiden sind die Dresdener, die mit Pegida und AfD nichts zu tun haben wollen. So wie Bruni Reitzenstein, die seit 35 Jahren beim ZDF ist und Stellvertretende Redaktionsleiterin beim Boulevardmagazin „Leute heute“ war und dann beim Frauenmagazin „ML Mona Lisa“.

Sie kommt aus Dresden, der Film über die Stadt war ihr ein Anliegen (dem ZDF etwas weniger: Sendeplatz um 0.45 Uhr): „Meine Heimat – zerrissen zwischen dafür und dagegen. Und ich bin zurückgekommen, um zuzuhören: Bekannten, Freunden, Verwandten. Um zu verstehen, was die Menschen in Dresden bewegt. Der Riss geht durch Familien. Auch durch meine.“

Sie meint ihren Großcousin Frank: „Pegida-Anhänger durch und durch und AfD-Wähler.“ Frank sagt dann also so Sachen in die Kamera, wie sie Pegida-/AfD-Anhänger schon hunderttausendmal in Kameras haben sagen dürfen: „Seit dem Jahr 2015 macht die Politik eigentlich, was sie will, in Berlin. Das ist unsere Ansicht hier in Dresden. […] Die machen einfach, nur um ihre Posten zu sichern.“ Oder: „Wir sagen immer, das ist momentan, wir fühlen zumindest so, die DDR 2.0.“

Journalisten-Dilemma

„Ein unerträglicher Vergleich“, kommentiert Bruni Reitzenstein aus dem Off. Trotzdem – oder gerade deshalb – trifft sie Frank im Verlauf ihres 45-minütigen Films insgesamt dreimal. Offenbar ist das die Konsequenz ihrer – aus journalistischer Sicht etwas befremdlichen – Beschränkung ihrer Gesprächspartner auf den eigenen Bekanntenkreis.

Möglicherweise stand Bruni Reitzenstein bald auch vor dem ganz normalen Journalisten-Dilemma mit Pegida/AfD: Man will sich nicht vorwerfen lassen, ihnen mit ihren Argumenten den Mund zu verbieten. Man will ihnen kein Forum bieten für „Argumente“ – die sich als bloße Ressentiments entpuppen.

Bruni Reitzenstein lässt dann doch auch noch den Pegidisten Hans Heydrich zu Wort kommen, der also so Sachen in die Kamera sagt, wie sie Pegida-/AfD-Anhänger schon hunderttausendmal in Kameras haben sagen dürfen: dass in den Medien „niemals die Meinung eines AfD-Politikers vorgetragen wird“; dass er verlange, „dass hier der Rechtsstaat wieder eingeführt wird“.

Viel besser lässt es sich mit Menschen reden, mit denen man einer Meinung ist. Bruni Reitzenstein trifft also drei ehemalige Mitschüler und zwei alte Schulfreundinnen, man hat sich lange nicht gesehen. Es fallen Begriffe wie „Frustwähler“, „Existenzangst“, „Bürgerkrieg“.

Unernst hoffnungslos

Eine der Schulfreundinnen sagt: „Diese Geschichte mit den Ellenbogen, die liegt uns eben nicht, die haben wir nicht gelernt.“ „Die haben wir in der sozialistischen Schule nicht beigebracht bekommen“, sagt Bruni Reitzenstein, die 1984 per Ausreiseantrag in die Bundesrepublik ausgereist ist.

Sie sagt nicht etwa: „Sag mal, wie stellst du dir eigentlich einen westdeutschen Schulalltag so vor? Mit Lektionen im Unsolidarischsein auf dem Lehrplan? So dokumentiert ihr Film nicht nur den Riss, der durch Dresden geht, sondern auch den, der – immer noch – durch Deutschland geht. Denn das hat natürlich miteinander zu tun. Der Erfolg von Pegida und AfD und die Unzufriedenheit, die sich auch aus der Annahme speist, über den Tisch gezogen worden zu sein. Mit ihrer alten Freundin Renate, einer ehemaligen Landrätin, ist sich Bruni Reitzenstein rasch einig über die Untaten der Treuhand.

Die Sendung

„Mein Dresden – Die zerrissene Stadt“ läuft Mittwochabend um 0.45 Uhr im ZDF und danach in der ZDF Mediathek

Sie trifft auch Prominente wie den Kabarettisten Wolfgang Schaller und den Sänger/Moderator Gunther Emmerlich. Emmerlich hat sich seine „Krone der Volksmusik“-Jovialität bewahrt und hat auch eine Idee, wie man die Unzufriedenen besser hätte bei der Stange halten können: „Ich wäre dafür gewesen, dass wir die große Freude, die wir 1989 empfunden haben, dass wir die in Einweckgläser hätten tun sollen und dann so alle 14 Tage ein neues Glas öffnen, damit man das über die Jahre verteilen kann.“

Bruni Reitzensteins Fazit klingt ein bisschen hoffnungslos, aber nicht ernst: „Und ich spüre, es wird noch viel brauchen, damit aus der Stadt des Aufruhrs eine Stadt der Verständigung wird.“

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7 Kommentare

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  • Was ich mit "Anschluss" bezeichnete, nennen Sie wesentlich zutreffender "Übernahme".



    Ihr Hinweis, dass Sie den Begriff Menschenfeindlichkeit für andere Abschnitte der deutschen Geschichte reservieren, mag berechtigt sein. Keineswegs wollte ich damit etwas relativieren.

    Dass die Ostdeutschen für ihre Rechte wenig hörbar waren zu der Zeit der Treuhandmauscheleien ist vielleicht etwas zu zynisch formuliert. Immerhin hatten sich die Menschen der Ex DDR gerade eine neue Situation erkämpft, mit der nur die Geschäftemacher in Westdeutschland (und vielleicht einige DDR Bonzen) rasend schnell umgehen konnten.

  • Westdeutsche Qualitätsmedien und ostdeutsche Medien, die schnell in den Besitz westdeutscher Konzerne getreuhandelt wurden, haben sich selten bis nie die Mühe gemacht, die Befindlichkeiten der Menschen der EX-DDR nach dem Anschluss verstehen zu wollen. Es galt und gilt die Devise, dass der Wessi klug ist und den Durchblick hat und der Ossi wegen seiner sozialistischen Sozialisation lieber nicht gefragt werden sollte.



    Daraus wurde: Gutwessi lästert über Doofossi. Das entschuldigt vielleicht nicht die politische Entwicklung z.B. in Sachsen, es lässt aber durchaus Rückschlüsse zu, die man im Westen nicht gerne diskutieren möchte. Da wäre nämlich Selbstkritik angebracht und auch ein wenig Systemkritik.



    Nach der Lektüre von "Zonenkinder" von Jana Hensel könnte auch mit wenig Sensibilität klar werden, dass Bananen im Überfluss und Urlaub auf Malle nicht alles ist.



    Die politische Entwicklung in der Ex DDR ist das Ergebnis einer zutiefst menschenfeindlichen Abwicklung ganzer Lebensläufe, die plötzlich einen Dreck wert waren.



    Wenn man sich schon nicht mit den Ursachen des Rechtsruckes in Ostdeutschland beschäftigen will, hilft eine Bekämpfung der Symptome auch nicht.

    • @Rolf B.:

      Antwort an ZEH-ERR

    • @Rolf B.:

      Ob es wohl an der sozialistischen Sozialisation und dem damit verbundenen Gruppendenke liegt, dass der Hang zur Pauschalisierung so stark ist unter den Ostdeutschen? Ich bin nicht mit einem "wir Wessis" aufgewachsen. Auch habe ich bis dato keine Kenntnis der Verschwörung West (muss man sich da irgendwo anmelden?) Mir scheint, der Mangel am Feindbild (eben weil jedenfalls der "Wessi" so nicht existiert, der "Ossi" doch auch nicht, oder?) macht die Situation noch frustrierender. Und dann wird eben auch mal ganz schön ausgeteilt, und da muss ich alter Westverschwörer auch mal sagen: "Freunde, meine Biographie interessiert euch schliesslich auch einen Sch..., können wir mal über was anderes reden?"

    • @Rolf B.:

      Schießen sie da nicht etwas über das Ziel hinaus? Ich nehme durchaus mittlerweile eine zunehmend kritischer Sicht im Westen auf die Übernahme des Ostens war. Und Beschreibungen wie „zutiefst menschenfeindlich“ würde ich in meinem Sprachgebrauch für andere Abschnitte der deutschen Geschichte reservieren, unter anderem auch für die Art, wie die untergehende DDR in den späten Achtzigern mit ihren Kritikern umgegangen ist. (Übrigens selbst erlebt, nicht gehört.)



      Die Übernahme des Ostens hätte politisch besser begleitet und flankiert werden müssen, so ist sie nach den Prinzipien des Kapitalismus gelaufen und da hatten die Ostdeutschen die schlechteren Karten. Aber sie sind auch für ihre Rechte nur sehr wenig hörbar gewesen und waren im Rausch der Bananen und Malle- Urlaube. Und wählten Kohl und Krause!

  • "der rassistischen und rechtsradikalen Pegida.



    Die rassistische und rechtsradikale AfD"

    Wenn man jemanden erst mal beschimpft oder abwertet, ist es eigentlich schon immer mit dem Dialog vorbei.

    Und dabei geht es gar nicht um die Frage, ob sie das ist, sondern warum man es hier meint ausdrücklich sagen zu müssen.

  • Okay, schauen wir uns zur Abwechslung mal nicht die Gefühle von Pegida-Anhängern an. Versuchen wir mal, die Not derer zu verstehen, die den Vergleich zwischen der BRD 2.0 und einer DDR 2.0 „unerträglich[]“ finden und ihn am liebsten unterdrücken würden mit aller ihrer Macht.

    Was macht die Unverträglichkeit wohl aus? Bruni Reitzenstein erklärt es leider nicht. Es ist Jens Müller, der hier spekulieren muss: Es sei, glaubt er, das „ganz normale[] Journalisten-Dilemma“, das Bruni Reitzenstein quält. Sie will sich nicht vorwerfen lassen, ihren Gegnern den Mund zu verbieten (ist ja schließlich Familie), bietet ihnen aber doch nur sehr ungern ein „Forum“ für „Argumente“, die ihrer Meinung nach „bloße Ressentiments“ sind. Angst, Angst und nochmals Angst.

    Wahrscheinlich ist es doch wie schon beim großen alten Goethe. Man sollte die Besen-Gefühle nicht unbedingt von ihrer (in einigen Fällen ohnehin schon ziemlich langen) Leine lassen als Journalist, wenn man die Konsequenzen nicht vorhersieht und beherrscht. Aber wenn die Bild mit Bauchgefühlen Kasse macht, ist die Verlockung ziemlich groß. Man darf so-welchen schließlich nicht die Meinungshoheit überlassen. Man muss sich anpassen, damit man überleben kann.

    Und nun? Nun fühlt der Konsument mehr als er denkt. Er braucht keine Details, denn Regression fühlt sich ja super an. Recht kriegen ohne was zu wissen, ist nett für Ex-Schulversager mit Gürtel-Phobie. Und wenn das Sich-im-Recht-Fühlen der guten Sache dient (geht schnell, braucht keinen Uni-Abschluss und kann vielleicht ein Klima retten, das viel zu lange ruiniert wurde) ist es ja auch ganz opportun. Nur wenn Großcousin Frank was meint, wovon er nicht besonders viel versteht, ist das Ressentiment.

    Ja, es wird eine Weile dauern, bis auch zwangsvereinigte Wessis kapieren: Es gab einen Unterschied im Schulalltag Ost/West. Die „Lektionen im Unsolidarischsein“ gab‘s nur im Westen. Im Osten war ja Planwirtschaft. Da brauchte es nicht kultiviert werden, ist also eher "roh".