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Youtube-Wettrennen durch EuropaFrauen können nicht gewinnen

In der Youtube-Serie „The Race“ hat eine Frau gewonnen. Zu­schaue­r:in­nen kritisieren, sie wäre wegen ihres Geschlechts im Vorteil. Aber eigentlich sind die Männer das Problem.

Egal was Frauen machen, sie machen es falsch, zumindest der Meinung von Männern nach Foto: Vector Fusion Art/imago

W er spielt, tut das fast immer mit einem Controller, einer Konsole, einer Maus, einem Stift oder Karten. An griechischen Stränden zu schlafen, seinen Rucksack im Flixbus zu vergessen und ein verrostetes Fahrrad aus dem Fluss zu retten, gehört eher selten zum Spielen dazu. Genau so sieht es aber bei „The Race“ aus. Die zweite Staffel der Serie läuft seit März auf Youtube und Joyn. Fünf Personen rennen darin um die Wette – nicht in einem Stadion, sondern quer durch Europa, von Frankreich bis in die Türkei.

Wie bei jedem Spiel gibt es auch bei „The Race“ Regeln. Die Teil­neh­me­r:in­nen dürfen kein Geld und nur die bereitgestellte Ausrüstung mitnehmen. Sie dürfen Verkehrsmittel nutzen, solange sie damit maximal eine Landesgrenze überqueren.

Hass, weil sie eine Frau ist

Dieses Jahr macht zum ersten Mal eine Frau mit: Rahel ist 20 Jahre alt und trampt leidenschaftlich gerne. Was Rahel vermutlich nicht geahnt hat, als sie von der ersten Folge an vorangesprintet ist: wie viel Hass ihr online entgegenschlagen wird. Die Kritik lautet sinngemäß: Wenn Rahel siegt, dann vor allem wegen ihres Geschlechts. Für sie sei alles einfacher, weil sie so harmlos wirke, weil sie eine Frau sei.

Genau so kommt es in der Serie rüber. Rahel springt von einem Auto ins nächste und rauscht im Nullkommanix über die Ländergrenzen. Währenddessen hängen ihre Mitstreiter stundenlang auf Raststätten fest, weil kaum jemand sie mitnehmen will.

Dass es Frauen beim Trampen leichter haben, stimmt nicht. Sie werden vielleicht eher ins Auto gelassen, sind aber einem viel größeren Risiko ausgesetzt.

Dass es Frauen beim Trampen leichter haben, stimmt nicht. Im Patriarchat werden Frauen unterschätzt, objektiviert und sexualisiert. Sie werden vielleicht eher ins Auto gelassen, sind aber einem viel größeren Risiko ausgesetzt. Beim Trampen seien nicht alle Begegnungen schön, schreibt auch Rahel auf Instagram. Manche seien angsteinflößend; manche Menschen glaubten, ins Auto steigen sei eine Zustimmung zu allem.

In der Serie kommen diese Probleme nicht zur Sprache. Sichtbar wird nur der Erfolg, den Rahel hat. Eine Begegnung mit einem Lastwagenfahrer empfindet sie offenbar als unangenehm. Aber es bleibt unklar, ob das an ihm oder der Sprachbarriere liegt.

Wie Männer zukünftig eine Chance haben könnten

Dass Frauen harmloser wirken, liegt daran, dass sie es tatsächlich sind. Im Jahr 2023 waren laut Statistischem Bundesamt 89 Prozent der Personen in Deutschland, die wegen Körperverletzung verurteilt wurden, Männer. Sie werden im Patriarchat dazu sozialisiert, Gewalt auszuüben. Wenn Männer Hasskommentare gegen Rahel ablassen, trägt das nur dazu bei, dass niemand fremde Männer im Auto haben will. Schade für sie!

Man könnte Rahel vorwerfen, dass sie ihre Plattform stärker für feministischen und aufklärenden Content hätte nutzen können. Aber am Ende ist nicht die Frau das Problem, sondern die Männer sind es. Sie müssen sich dem feministischen Kampf anschließen und ihre Prägung und ihre Privilegien reflektieren. Damit sie auch eine Chance bei „The Race“ haben. Und damit wir eines Tages in einer wirklich gleichberechtigten Gesellschaft leben können.

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Alexandra Hilpert
Redakteurin
Hat in Leipzig Journalismus studiert und ist seit 2022 fest bei der taz, aktuell im Online-Ressort als CvD und Nachrichtenchefin. Schreibt am liebsten über Wissenschaft, Technik und Gesellschaft, unter anderem in ihrer Kolumne Zockerzecke.
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4 Kommentare

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  • Die Logik des Artikels funktioniert nicht ganz, da unterdschiedliche Kategorien verglichen werden. Ja, Trampen ist für Frauen mit größeren Risiken verbunden als für Männer. Aber solange sich diese Risiken nicht verwirklichen, kommen sie im Zweifel schneller ans Ziel. Und letzeres ist in der speziellen Situation eines Zeitwettbewerbs eben ein entscheidender Vorteil. Dass so ein Mitfahr-Rennen daher für Männer vielleicht eher eine frustrane Angelegenheit sein kann, während es für Frauen mehr ein Spiel mit dem Feuer ist, ändert nichts an den Chancen, am Ende als erste das Ziel zu erreichen. Eine Frau geht dafür ein höheres Risiko unangenehmer bis gefährlicher Situationen ein, aber "weniger riskant" ans Ziel zu kommen, ist bei einem Rennen zwischen Einzelnen irrelevant: Entweder ein Risiko realisiert sich oder nicht. Wie wahrscheinlich das jeweils war, geht in die Wertung nicht ein.

    Und nein, die Statisken zu Gewaltverbrechen machen weder eine einzelne Tramperin per se harmloser noch einen männlichen Tramper (oder Mitnehmer) per se übergriffiger. Sie schaffen eher Vorurteile gegenüber dem Einzelnen - die so ein Rennen natürlich schön offenlegt.

  • 'Männer sind das Problem' ist so auf dem Niveau



    'Ausländer sind das Problem'



    Bringt uns bestimmt nicht weiter.

  • Ich habe erst letztens folgenden Satz gelesen:

    „Hexenverbrennungen waren eigentlich Frauenverbrennungen“.

    Daran musste ich bei diesem Artikel denken. Ja, der Mann ist leider häufig das Problem.

  • "Aber am Ende ist nicht die Frau das Problem, sondern die Männer sind es."



    Natürlich. Hat daran jemand gezweifelt? Wie kann's auch anders sein?