„Yoni Cucumber Cleanse“: Salat statt Sekret
Im Netz kursieren allerhand Tipps zur Vaginalhygiene – unter anderem mit: Gemüse. Das ist nicht nur Unsinn, sondern auch gefährlich.
Schälen, zurechtschneiden, reinschieben und 20 Minuten lang hin und her bewegen: So funktioniert „Yoni Cucumber Cleanse“, also die Vaginalreinigung mithilfe einer Gurke. Natürlich unbedingt bio.
Die Gurke soll den pH-Wert der Scheidenflora ausgleichen, ihr wertvolle Vitamine und Mineralstoffe schenken und sie gut riechen lassen. So propagieren es derzeit zahlreiche Vlogger*innen – also Video-Blogger*innen – aus den USA. „Yoni“ ist, so wird uns beigebracht, Sanskrit und steht für Vagina, Vulva und Uterus. Und die brauchen, so lernen wir, eine besondere Behandlung. Ein Tutorial empfiehlt gar das Einführen von Edelsteinen. Alles nicht nur völliger Unsinn – sondern auch gefährlich.
Die Vagina hat ihr eigenes „Ökosystem“, sie kann sich selbstständig reinigen. Das geschieht durch das natürliche Gleichgewicht sogenannter guter und schlechter Bakterien. Durch künstliche Eingriffe wird dieses System geschwächt und gefährdet. Die Vagina braucht keine Dusche, keine Seife, weder Vaginalgel noch Babypuder oder Parfüm – und definitiv keine Gurke. Im Falle von Beschwerden sollten Frauen* keineswegs irgendwelche Gegenstände oder Objekte einführen – abgesehen von dem, was Mediziner*innen ihnen empfehlen.
Doch der Hang zur Optimierung hat System: Zwar braucht die Vagina ebenso wenig Verbesserung wie der Penis, gegen dessen drohenden Gestank es im Übrigen auch kein Eier-Shampoo gibt – abgesehen von Spaßartikeln, die einfach Seife enthalten. Den eigenen Körper und seine Eigenschaften zu bekämpfen ist aber etwas, das Frauen* seit jeher beigebracht wird.
Operation Frauen*körper: ein Prozess der niemals endenden Selbstoptimierung. Viele Frauen* lernen früh genug, dass sie hungern müssen, um „schön“ zu sein. Dass sie es doch bitte geheim halten sollen, wenn sie Periode haben. Die Zykluskalender-App wird mit Blümchen und Schmetterlingen in leuchtendem Pink geschmückt, anstatt mit Motiven, die was mit Zyklus zu tun haben.
Es ist zur Norm geworden, dass Frauen* ihre Körperhaare entfernen und nicht über die damit verbundenen Schmerzen jammern. Frauen* haben sogar gelernt, stolz darauf zu sein, die Haare auf die denkbar schmerzhafteste Weise zu entfernen; fragen Sie die, die nicht rasieren, sondern waxen.
Und was mit all diesen ekeligen Körperfunktionen? Nein, Frauen* haben so etwas nicht. Und wenn, dann muss es weg. Frauen* kacken mit Hello-Kitty-Muster, es duftet nach Süßigkeiten, wenn sie pupsen, und nach Rosengärten, wenn sie rülpsen.
Es ist ein verkrampftes, schmerzhaftes, mühsames Dasein, dessen Mechanismen sich der Zeit anpassen und immer neue Methoden entwickeln können, um Frauen* an Schönheitsideale zu fesseln. Zum Beispiel mit Gurken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen