Wurm von Künsterlin Anne Duk Hee Jordan: Der Wurm in uns – und wir in ihm
Bei der Künstlerin Anne Duk Hee Jordan in der Urania erkunden Besucher:innen das Innere eines Wurms. Der ist deutlich farbenfroher als gedacht.
Man hat sich das Innere eines Wurms eigentlich anders vorgestellt; nasser, enger und auf jeden Fall weniger bunt. In Anne Duk Hee Jordans Ausstellung „Der Wurm. Terrestrisch, fantastisch und nass“ in der Urania Berlin läuft die Besucherin auf jeden Fall direkt hinein in den Wurm’schen Verdauungstrakt.
Der präsentiert sich als visuelles und auditives Erfahrungsfeld: Mit Taschenlampen erkundet man den dunklen Raum, strahlt neonfarbene Objekte an, die ihre volle Farbpracht erst dann offenbaren. Minutenlang kann man so etwa vor der „Clam Extravaganza“ stehen, die aus Schaum und Gips gefertigt wirklich vom Meeresboden zu sprechen scheint und wie eine Koralle aussieht, auf der verschiedene Organismen gedeihen.
Überall sind kleine Fäden aus Schwarzlicht verarbeitet, das Innere der „Clam“ leuchtet in Textmarkerfarben, orange, grün und gelb. Das Meer scheint für die in Berlin lebende Künstlerin ohnehin von Bedeutung zu sein, denn Anne Duk Hee Jordan war vor ihrer Künstlerinnenlaufbahn als Tiefseetaucherin aktiv.
Neben den Schaumobjekten hängen ballonartige Bakterien von der Decke, die Pili, die kleinen Beinchen, ragen fingernagelgleich in den Raum. Man kann sich nicht ganz entscheiden, ob „Der Wurm“ dadurch eher an Jeff Koons oder an eine Schwarzlichtminigolfhalle erinnert, auf jeden Fall ist Anne Duk Hee Jordans Ausstellung sicherlich (auch) für Kinder interessant.
Erklärt wird der Besucherin hier allerdings nichts; man muss es schon wissen, dass der bunte Vorhang, auf den eine fleischfarbene Öffnung gestickt ist, den Eingang zum Wurminnersten darstellt. Das ist schade, denn die beeindruckende Welt der Würmer, die Anne Duk Hee Jordan ja immerhin zu dieser Ausstellung inspiriert hat, bleibt so im Dunkeln.
Alleskönner ohne Gliedmaßen
Bis 29. August, Anne Duk Hee Jordan, „Der Wurm. Terrestrisch, fantastisch und nass“, Teil des Projekts „StadtNatur – Berlin ökologisch denken“, Urania.
Der Wurm, so liest man schließlich im Begleitheft, ist vor allem spannend wegen all dem, was er nicht hat: Augen, Nase, Ohren, Gliedmaßen und Zähne. Trotzdem ist er ein einzigartiger Resonanzkörper, kann Schwingungen wahrnehmen, weite Strecken kriechen und Geschmäcker durch Sinnesknospen in der Mundhöhle und auf der Haut wahrnehmen.
Zudem sind Würmer Zwitter; sie besitzen sowohl Hoden als auch Eierstöcke. „Ihr habt den Weg vom Wurme zum Menschen gemacht, und vieles ist in euch noch Wurm“, lässt Friedrich Nietzsche seinen Zarathustra sagen und hat damit auf zwei Weisen recht. Würmer können immerhin höchst verschiedene Wirte haben, leben im Boden, in Tieren und eben auch in uns.
Der zweite Raum in Anne Duk Hee Jordans Ausstellung sieht so auch eher nach einem Wurm-Lebensraum aus. Der Rindenmulch auf dem Boden riecht nach Kompostierung, auf Vorhänge aus Fäden werden neonfarbene Videoschnipsel projiziert. Fraglich, warum hier die großen Lautsprecher, aus denen die Soundlandschaft der Berliner Künstlerin Perera Elsewhere klingt, so dominant im Raum stehen müssen und so jegliche Illusion eines organischen Umfelds zerstören.
Dabei machen gerade die Klänge auf ein weiteres Lebensumfeld der Würmer aufmerksam. Wasserplätschern deutet an, dass die kleinen Lebewesen auch fernab von Land und Erde gedeihen. Um dorthin zu gelangen, bedienen sie sich einer besonderen Art der Gehirnwäsche.
Im Larvenstadium leben etwa Saitenwürmerarten in Grillen. Sind sie genügend gewachsen, reizen sie das Gehirn ihrer Wirte, sodass diese ins Wasser springen. Dabei können Grillen gar nicht schwimmen, ertrinken daher oder werden von Fischen gefressen. Der Wurmparasit ist da schon längst entwischt. Sobald sein Wirt im Wasser zappelt, verlässt er das sterbende Insekt und schlängelt davon. Eier legt er nämlich im Wasser.
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