: Worüber man nicht (gern) spricht
■ Von wegen Gesprächsnot: Der Senat beschäftigt sich heute offiziell mit anderen Problemen als dem Länderfinanzausgleich
Vor zwei Jahren hatte der Bremer Senat über seine Tochter-Firma Hibeg das alte Siemens-Hochhaus am Bahnhof gekauft ohne so recht zu wissen, was die Stadt damit anfangen könnte. Siemens jedenfalls wollte in moderne Räume umziehen, und auf dem freien Markt war die alte Immobilie nicht recht verkäuflich. Es war also eine Art Wirtschaftsförderung, dass die Stadt der Firma Siemens für knapp 20 Millionen Mark das Problem abnahm. Um das alte Hochhaus überhaupt nutzen zu können, muss Bremen nochmal 14,8 Millionen für die Modernisierung drauflegen, was Siemens sich erspart hat.
Nur: Was tun mit dem Hochhaus? Zum Ende dieses Jahres wird das Haus frei. Es gebe „erste Ansätze für ein neues Belegungskonzept“, teilt der Finanzsenator dem Senat heute schriftlich mit, „erste Ansätze“ sechs Wochen vor der Übernahme des Hauses. „Ansätze“ gibt es seit Jahren: Dem CDU-Bausenator war schon in der vergangenen Legislaturperiode aufgenötigt worden, ins Siemens-Hochhaus umzuziehen. Seine nachgeordneten Behörden „Planungsamt“ und „Bauordnungsamt“ konnte der Bausenator zwingen, er selber kommt nun nicht mit: Seit der Wahl ist das Bau-Ressort mit dem Umweltressort in der Hand von Tine Wischer, für beide Ressorts wäre es zu klein im Siemens-Haus, also muss die Senatorin nicht. Und die Bremer Baumanagement-GmbH (das alte Hochbau-Amt) hat auch durchgesetzt, dass sie nicht umziehen muss – so sind planerisch 7,2 Geschossebenen leer, seit mehreren Monaten ist das bekannt. Wer soll da rein? Der Personalrat Schulen? Abteilungen des Arbeitsressorts? Wird eine Kantine im Siemens-Haus gebraucht? Bislang ist nichts ganz klar. Der Umbau soll aber schon einmal beginnen, eine neue Kosten-Planung nach „DIN 276“ kann nicht gemacht werden, sei's drum. „Angesichts der fortgeschrittenen Zeit“ gebe es keine Alternative, argumentiert das Finanzressort. Der Öffentlichkeit soll das Problem nicht mitgeteilt werden.
Der zweite Tagesordnungspunkt der Senatssitzung, der ausdrücklich „nicht geeignet“ ist für die öffentliche Darstellung, ist die Misere der Finanzen des Häfenressorts. 1998 hatte das damals noch selbständige Häfenressort 17,8 Millionen Mark mehr ausgegeben als es durfte. Das Defizit sollte durch Grundstücksveräußerungen gedeckt werden, hatte der Senat am 2.12.1997 beschlossen. Das Geld war als Kredit außerhalb des Haushaltes aufgenommen worden, in „Kapitaldienstraten“ sollte es abgestottert werden. Nach bald zwei Jahren muss der Senat nun zur Kenntnis nehmen, dass das nicht passiert ist. „In 1998 konnten noch keine entsprechenden Einnahmen realisiert werden“, heißt es in dem Bericht des Wirtschaftssenators. Am 1.12.1998 hatte der Senat beschlossen, dass die Schatten-Schulden 1999 abgezahlt werden sollten aus Vermögensveräußerungen – auch das ist nicht passiert, muss die Bremer Landesregierung heute zur Kenntnis nehmen. 1999 hätten es schon 27 Millionen Mark sein müssen, davon fehlen im Etat 19,2 Millionen.
Der Rest der Schulden, die außerhalb des Haushaltes bestehen, soll „spätestens 2002“ bezahlt sein, verspricht der Wirtschaftssenator, denn derzeit kann er „nicht angeben, in welcher Höhe wann Verkaufserlöse zu realisieren sind“. Das Thema, so die Vorlage, sei für „Öffentlichkeitsarbeit nicht geeignet“. K.W./Foto: Nikolai Wolff
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