Wolodimir Selenskis Popularität: Präsident aus Gips

Im westukrainischen Lwiw verkaufen Händler Gipsbüsten von Selenski. Anwohner sind skeptisch, ausländische Besucher schlagen begeistert zu.

Präsident Wolodimir Selenski bei einem Treffen mit US-Finanzministerin Yellen

Kultfigur des Westens: Präsident Wolodimir Selenski Foto: dpa

LWIW taz | Freitag Morgen. In Lwiw regnet es. Der Verkäufer Wolodimir Krawezki wischt mit einer Papierserviette sorgfältig seine Waren ab, die er auf dem städtischen Kunstmarkt “Vernissage“ feilbietet. Vor allem die von ihm angebotenen Büsten des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski ziehen Kunden an. Schon seit einigen Wochen gibt es diese kleinen Statuetten aus Gips, sie sind der Verkaufshit auf dem Markt im Zentrum von Lwiw, der „Hauptstadt“ der Westukraine.

Die Büste des sechsten Präsidenten der Ukraine hat Verkäufer Krawezki von Freiwilligen aus dem zentralukrainischen Gebiet Tscherkassy bekommen. Ein Gips-Selenski kostet 1.000 Hrywnja (rund 25 Euro). Alle Verkaufserlöse gehen an die Freiwilligen, die wöchentlich Hilfsgüter für die Truppen in Richtung Bachmut bringen.

Von der ersten Lieferung der Gips-Selenskis hat Krawezki schon rund 20 Stück verkauft. Vor allem an Ausländer. Die Freiwilligen bringen sie auch deshalb gerade nach Lwiw, weil sie wissen, dass trotz des Krieges auch jetzt noch Ausländer in die Stadt kommen. Für viele Menschen weltweit ist der ukrainische Präsident ein besonders populärer Politiker.

Ukrainer sind bei diesem Thema geteilter Meinung: „Ich mag unseren Präsidenten sehr, aber eine Büste… das erinnert mich doch ein bisschen an Sowjetzeiten, die ich verabscheue. Ich würde da eher auf den Präsidenten selber hören. Denkt daran, wie er gleich nach seiner Wahl darum gebeten hatte, kein Porträtfotos von ihm in Büros zu hängen“, sagt Marktbesucherin Olesja Mukowos.

Ein internationaler Star

Einem anderen Kunden gefällt die Büste nicht besonders, weil der Gips-Selenski dem römischen Staatsmann Gaius Julius Cäsar ähnelt. „Aber das ist doch toll!“, versucht der Verkäufer ihn zu überzeugen. „Unser Präsident wird – wie die kriegerischen Römer – den Krieg gemeinsam mit dem ukrainischen Volk gewinnen und nach dem Sieg wird diese Büste unbezahlbar.“

Tatsächlich erfreuen sich „Selenski-Devotionalien“ in der Welt größerer Beliebtheit als in der Ukraine selbst. In Tschechien wurden Kissen mit dem Konterfei des ukrainischen Präsidenten verkauft. In Polen gab es entsprechende Briefmarken. Und auf der Website des Weißen Hauses in den USA wurden Münzen mit einem Selenski-Porträt verkauft.

Anfang Februar hat der republikanische Kongressabgeordnete Joe Wilson, hochrangiges Mitglied des Ausschusses für Streitkräfte und auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses, sogar vorgeschlagen, eine Büste des ukrainischen Präsidenten im Kapitol in Washington aufzustellen. Seine Parteikollegen mussten ihn daran erinnern, dass Kongressabgeordnete „den Vereinigten Staaten dienen und nicht der Ukraine“.

Andrij Pawlyschin, Historiker aus Lwiw erklärt, dass man bei Statuen oder Büsten von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zwischen privater Initiative und Zwang unterscheiden sollte. Wenn solche Büsten zwangsweise in staatlichen oder öffentlichen Einrichtungen aufgestellt werden müssten, wäre das die Praxis eines autoritären Regimes.

Büsten wie unter Stalin

„Selenski ist ein Symbol der Ukraine. Wenn Leute hier freiwillig solche Büsten herstellen bzw. verkaufen, sehe ich darin nichts Schlechtes. Aber man könnte auch eine Analogie zu Putin sehen, der seit Langem für ein zunächst autoritäres und dann totalitäres Regime steht. Putin-Büsten sind in Russland ein Symbol der Loyalität und des Personenkultes wie unter Stalin“, erklärt Pawlyschyn.

Auf dem Kunstmarkt in Lwiw ist mittlerweile die Hauptverkaufszeit angebrochen und vor dem Stand mit den Selenski-Büsten hat sich eine Schlange gebildet.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

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