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Wolfram Weimers SymbolpolitikSchall, Rauch und Digitalabgabe

Kulturstaatsminister Weimer hat für alle Probleme der Medienbranche die passende Phrase – nun will er, dass die Plattformen zahlen. Wer's glaubt.

Kein Durchblick, aber eine große Tüte Schall und Rauch: Staatsminister Wolfram Weimer Foto: Sven Simon/imago

W olfram Weimer ist ja schon qua Amt ein Multitasker. Als Staatsminister für Kultur und Medien muss er heute schlecht gelaunte Quengel-Verleger*innen aushalten, die ihm bei ihren Kongressen vorgreinen, dass die Politik so gar nichts für sie tut. Und dass die beschlossene Steigerung des Mindestlohns jetzt der Branche das Lebenslicht vollends auspustet oder zumindest die Ver­le­ge­r*in­nen zum Umstieg von Kuba-Zigarren auf selbstgedrehte Kippen zwingt.

Morgen ist er bei den Kulturfuzzis, die moppern, weil die Reform der Filmförderung immer noch nicht in Sack und Tüten ist, die Mittel für Off-Theater zusammengestrichen werden und zivilgesellschaftliches Engagement kaum noch unterstützt wird.

Andere würden davon vielleicht schlechte Laune kriegen, aber Weimar ist frisch dabei und hat für alles die passende Phrase. Die schleudert er gekonnt in Besinnungsaufsätze wie den, der neulich in der SZ stand. Da stehen dann so schöne Sätze wie „der Shitstorm, gehört mittlerweile zum festen Inventar radikal-feministischer, postkolonialer, öko-sozialistischer Empörungskultur“.

Oder „jeder prominente Podcaster weiß, dass er, je nachdem, welchen Gesprächspartner er sich in die Sendung lädt, in den Kommentarspalten entweder gerade dem Faschismus den Weg bereitet oder sich im Vorhof grüner Höllenideologie befindet“. Der Satz kommt nicht nur wegen der zu vielen Kommata in die Satzbauhölle. Sondern auch, weil er in „Die Freiheit verteidigen“ in Wahrheit genau dem Kulturkampf Dampf macht, von dem er sich eigentlich distanzieren wollte.

Plötzlich dufte

Also hat’s der Minister mal mit was Konkretem versucht. Wolfram Weimar will die großen Tech-Konzerne und Plattformen von Google bis Tiktok zur Kasse bitten. Seine „Digitalabgabe“ ist in aller Munde. Plötzlich finden ihn auch die Ver­le­ge­r*in­nen wieder dufte. Allen voran Phillipp Welte von Burda, der Weimers Vorschlag für „ein Zeichen für mehr Gerechtigkeit in der digitalen Welt“ hält. Und damit unbewusst völlig richtig liegt.

Mehr als ein Zeichen ist es nicht. Ein deutscher Feldversuch ist ziemlich ausgeschlossen. Zumal sich Weimar nicht mal in der eigenen Partei abgesprochen hat. In der Union kam es fast zum Shitstorm. Nicht von radikalen CDU-Feminist*innen oder vom öko-sozialistischen CSU-Flügel.

Sondern von NRW-Wirtschaftsminister Marcus Optendrenk, der Weimers wolkige Überlegungen mit den drei Worten „kontraproduktiv“, „Verunsicherung“ und „Mehrbelastung“ abgeschossen hat. „Eben, wohin auch mit den ganzen Geld, und der ganze Wust der wilden Verteilung, wer will das schon?“, meint die Mitbewohnerin.

Weimar dürfte das weder verunsichern noch belasten. Er ist bestimmt schon beim nächsten Termin „bei anderen sterbenden Medien“ und hat wieder eine große Tüte Schall und Rauch mitgebracht, meint die Mitbewohnerin.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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