Wohnungsbaupolitik: Noch eine rote Karte für den Senat
Der Wohnungsverband BBU übt heftige Kritik. In einer internen Umfrage des Verbands schätzen 95 Prozent die Landesregierung nicht als wachstumsfreundlich ein.
Erst zeigten Mitglieder der Industrie- und Handelskammer (IHK) dem rot-rot-grünen Senat vor drei Wochen wortwörtlich die rote Karte, nun folgen die Wohnungsunternehmen: In einer internen Umfrage sagen fast 90 Prozent „Nein“ auf die Frage, ob in Berlin ein konstruktives Bauklima herrscht. Die Wachstumsfreundlichkeit des Senats schätzen sogar 95 Prozent als niedrig ein. Anders als derzeit die SPD lastet die Wohnungswirtschaft das aber nicht allein Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) an. Die bislang von der SPD beherrschte Kritik an der Senatorin setzten am Donnerstag aber CDU und FDP fort.
Grundlage der Zahlen ist eine aktuelle Umfrage des rund 350 Mitgliedsfirmen – öffentlichen, privaten, genossenschaftlichen und kirchlichen – starken Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) unter seinen 20 größten Berliner Unternehmen. Ihr Befund: „Berlin nimmt sein Wachstum nicht als Chance wahr“, der Neubau werde „von Politik und Ämtern nicht lösungsorientiert unterstützt.“ Ähnlich schlecht fiel schon ein im Juni vorgestelltes Meinungsbild der IHK-Mitgliederversammlung aus: Die bewertete die Arbeit des Senats über eine Votum mit roten und grünen Karten in fünf von sechs Feldern mit großer Mehrheit als „unbefriedigend“.
Schleppende Abläufe
BBU-Cefin Maren Kern widersprach am Donnerstag Äußerungen aus der Linkspartei, wonach Neubau kein Mittel gegen den Wohnungsmangel ist: „Berlin braucht mehr statt weniger Mietwohnungsneubau“, sagte Kern. Sie kritisierte vor allem schleppende Abläufe in der Verwaltung. Im vergangenen Jahr hätten die Mitgliedsunternehmen des Verbands aus diesen Gründen 800 Wohnungen weniger als geplant fertig bauen können. Das ist ein Fünftel der 2017 tatsächlich von ihnen gebauten rund 4.000 Wohnungen.
Die SPD macht seit Monaten Senatorin Lompscher von ihrem Koalitionspartner Linkspartei persönlich für zu wenig Neubau verantwortlich. BBU-Chefin Kern mochte sich dem nicht anschließen: „Ich arbeitet eigentlich gut mit Frau Lompscher zusammen, es ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.“ Ihre Kritik richtet sich an die Bauverwaltung insgesamt: „Da wird zu wenig umgesetzt.“ Sie stelle aber fest, dass sich die Rahmenbedingungen unter Rot-Rot-Grün „deutlich verändert haben.“ Dafür gehört für sie der Wegfall einer vom rot-schwarzen Vorgängersenat beschlossenen 500-Euro-Prämie für jede im Bezirk zügig genehmigte Wohnung.
Kern äußerte sich zudem sehr kritisch zu den von der rot-rot-grünen Koalition ausgeweiteten Beteiligungsverfahren, in denen sie tendenziell nur Plattformen für Verhinderungsinitiativen sieht. „Ich kann die Menschen verstehen, die weiter den Blick ins Grünen haben wollen oder mehr Verkehr befürchten“, sagte Kern, „aber so kommt man nicht weiter.“ Die ausgeweitete Partizipation verzögere Bauprojekte teilweise über ein Jahr lang oder verhindere sie ganz. Als Beispiel dafür nannte sie den im Koalitionsvertrag bis 2021 festgeschriebenen Verzicht, die Elisabeth-Aue in Pankow zu bebauen. Dort waren 2016 noch rund 6.000 Wohnungen geplant.
Die Opposition schloss sich Kerns Kritik und dem Unmut in der SPD an. „Das Urteil des BBU ist eine vernichtende Abrechnung mit einer Senatorin“, kommentierte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. Lompscher sei mit ihrem Amt entweder heillos überfordert ist oder sabotiere „bewusst die Zukunft unser Stadt“. Noch drastischer äußerte sich der CDU-Generalsekretär Stefan Evers: „Lompscher gefährdet die Zukunftsfähigkeit und den sozialen Zusammenhalt unserer Stadt.“
CDU: Müller muss handeln
Verärgerung der SPD-Basis über eine „Verhinderungsagenda der Linken“ sei mehr als verständlich, sagte Evers. SPD-Stadtentwicklungsexperten hatten parteiintern eine Onlineabstimmung über Lompscher gestartet, von der sich die Parteiführung distanzierte (die taz berichtete). Evers drängte den SPD-Landesvorsitzenden Michael Müller, ein SPD-Mitgliederbegehren über die Wohnungspolitik zu unterstützen.
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